Württemberg, Ludwig, Herzog 

Geburtsdatum/-ort: 01.01.1554;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 08.08.1593;  Stuttgart; begr. in der Stiftskirche Tübingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: lutherisch
Verheiratet: 7.11.1575 Dorothea Ursula, geb. von Baden-Durlach
10.5.1585 Ursula, geb. von Pfalz-Veldenz-Lützelstein
Eltern: Vater: Herzog Christoph von Württemberg (12.5.1515-28.12.1568)
Mutter: Anna Maria, geb. Markgräfin von Brandenburg-Ansbach (28.12.1526-20.5.1589)
Geschwister: Eberhard (7.1.1545-2.5.1568)
Hedwig (15.1.1547-4.3.1590)
Elisabeth (3.3.1548-18.2.1592)
Sabina (2.7.1549-17.8.1582)
Emilie (19.8.1550-4.6.1589)
Eleonore (22.3.1552-12.1.1618)
Dorothea Maria (3.9.1559-13.3.1639)
Anna (12.6.1561-7.7.1616)
Sophie (20.11.1563-21.7.1590)
GND-ID: GND/100655378

Biografie: Manfred Rudersdorf (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 114-116

Ludwig verbrachte seine Jugend in der Stuttgarter Residenz, wo er als nachgeborener Prinz zunächst stark unter dem Einfluß seiner Mutter Anna Maria stand, die für eine humanistische Grundausbildung und das regelmäßige Studium der Bibel sorgte. Die Unterweisung durch den rechtsgelehrten Präzeptor Andreas Laubmayr und die beiden Hofprediger Balthasar Bidembach und Lucas Osiander hinterließ deutliche Spuren im Persönlichkeitsprofil des heranwachsenden Herzogs: Persönlich sehr fromm und um das Wohlergehen der lutherischen Landeskirche bemüht, besaß er später ein eigenständiges theologisches Urteil, das ihn gegen konfessionelle Anfeindungen im Glaubensstreit resistent machte.
Nach dem plötzlichen Tod des Erbprinzen Eberhard im Mai 1568 rückte der minderjährige Ludwig unvermittelt in die Position des Regierungsnachfolgers auf, nachdem auch noch der Vater im selben Jahr verschied. Herzog Christoph hatte zuvor – auf die Stabilität der Landesordnung und die Loyalität der Beamten vertrauend – die dynastische Nachfolge neu geregelt und damit eine drohende Herrschaftskrise abgewendet. Bis zur Volljährigkeit Ludwigs führte von 1569 bis 1575/78 eine vormundschaftliche Regierung die politischen Geschäfte in Stuttgart: Neben die Herzoginmutter Anna Maria traten die drei „Fürstenvormünder“ Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, Markgraf Karl von Baden und Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken, eine Gruppe evangelischer und kaisertreuer Reichsfürsten also, die in insgesamt neun „vormundschaftlichen Abschieden“ die administrativen Aufgaben regelten sowie die Landesverfassung und die Landschaftsfreiheiten garantierten. Graf Heinrich von Castell fungierte in ihrem Namen bis 1575 als Statthalter in Stuttgart und koordinierte mit Erfolg das Zusammenspiel von Regierung, Zentralbehörden und Ständen.
Seine 1575 geschlossene erste Ehe mit Markgräfin Dorothea Ursula von Baden, der Tochter seines Vormunds Karl, blieb ebenso kinderlos wie die zweite Ehe mit Pfalzgräfin Ursula von Veldenz-Lauterecken, die er 1585 eingegangen war. Die förmliche Übernahme der Regierung 1578 stand ganz im Zeichen der Kontinuität und der Fortführung des politischen Kurses in der Tradition des väterlichen Erbes: Die staatliche Ordnung war gefestigt, die evangelische Landeskirche stabilisiert, das lutherische Bekenntnis gesichert und auf Dauer durch die Zustimmung der Landstände garantiert. Herzog Ludwig konnte sich dank der konsolidierten Rahmenbedingungen während seiner Regentschaft voll auf das Funktionieren der Institutionen und auf die Loyalität seiner Amtsträger verlassen. Auch wenn die Figur des Kammersekretärs und Geheimen Rates Melchior Jäger zeitweise eine beherrschende Rolle am Hof in Stuttgart einnahm, so ließ das persönliche Regiment des Herzogs in den politischen und den religiösen Streitfragen durchaus einen eigenen Gestaltungswillen und individuelles Engagement erkennen. Zugute kam ihm dabei sein pragmatisches Verhältnis zu den Landständen, den Prälaten und Vertretern der bürgerlichen städtischen „Ehrbarkeit“. 1583 fand erstmals wieder – nach einem Intervall von siebzehn Jahren – ein Landtag im neuen Landschaftshaus in Stuttgart statt.
Der Landschaft fiel insofern eine wichtige stabilisierende Funktion zu, als die Frage des Afterlehensverhältnisses zu Österreich ein Prüfstein für die territoriale Integrität des Herzogtums blieb. Trotz gewisser Spielräume gegenüber Habsburg gelang es Ludwig nicht, eine Revision des Kaadener Vertrages von 1534 zu erwirken – die österreichische Afterlehensschaft blieb bis zum Prager Vertrag von 1599 formal-juristisch in Kraft. Dies hatte unmittelbare Konsequenzen für das defensive Verhalten Württembergs im Reich: Seine Politik orientierte sich konsequent an den Normen der Reichsverfassung und zielte ab auf die Erhaltung des Status quo im Schutz des Augsburger Religionsfriedens. Ludwig trat weder dem Landsberger Bund (1569) noch der Torgauer Union (1591) bei, auch blieb 1577 und 1585 das Werben der englischen Königin Elisabeth um ein gemeineuropäisches protestantisches Bündnis ohne großen Widerhall. Sowohl die Kämpfe der Glaubensverwandten in Frankreich und in den Niederlanden als auch die konfessionellen Konflikte um Kurköln und Straßburg begleitete man mit verbalem Protest, keinesfalls jedoch durch tätiges Engagement. Der einzige Auftritt Herzog Ludwigs vor Kaiser und Reich fand 1582 auf dem Reichstag zu Augsburg statt: Für den Landesfürsten und Schwäbischen Kreisobersten bedeutete die Präsenz vor allem eine politische Demonstration gegenüber dem Haus Habsburg an der Seite der kaisertreuen Lutheraner im Reich.
Mit der reichspolitischen Vorsicht kontrastierte eine auffällige Dynamik in der Landeskirche und in der Tübinger Universität, dem geistigen Zentrum des alten Württemberg. Herzog Ludwig, der den Beinamen „der Fromme“ erhielt, förderte mit Nachdruck die Erneuerung des konfessionellen Luthertums, seine dogmatische Abgrenzung gegen den Calvinismus ebenso wie gegen den tridentinischen Katholizismus. Der in den Schriften belesene Fürst pochte auf die Einhaltung strikter Rechtgläubigkeit und uniformer Bekenntnistreue, dabei den Vorwurf der Intoleranz und des „Pfaffengetriebes“ im „lutherischen Spanien“ (gemeint war das Herzogtum) durchaus in Kauf nehmend. Württemberg bot damals zweifellos das Bild eines geschlossenen evangelischen Landesstaates, in dem der lutherische Glaube fest verankert war. Die konfessionelle Stabilität wurzelte einerseits in dem erneuerten Schul- und Bildungssystem, das in den Klosterschulen, in Stift und Universität Tübingen seine institutionelle Spitze besaß, andererseits in der engen personalen Kooperation zwischen der Tübinger Hochschule und dem Stuttgarter Hof. Die Theologische Fakultät gelangte in der Ära Ludwigs zu einem Höhepunkt an Ansehen und an Ausstrahlungskraft: Die führenden Theologenfamilien (Andreae, Brenz, Bidembach, Heerbrand, Osiander, Schnepf) formierten sich zu einem kraftvollen homogenen Sozialverband, der das Zusammenwachsen des Staates verstärkte. Der Tübinger Universitätskanzler Jakob Andreae, ein Exponent der lutherischen Orthodoxie im Reich, trieb dank der Protektion durch Württemberg und Kursachsen den konfessionellen Einigungsprozeß im evangelischen Deutschland entscheidend voran, der im Konkordienbuch von 1580 gipfelte. Trotz der konfessionellen Eskalation im Reich verteidigte Herzog Ludwig die dogmatische Fixierung der Bekenntnisgrundlage konsequent gegen Anfechtungen von außen und ließ verbindlich alle Beamten seines Landes die Konkordienformel unterschreiben. Vielerorts verkündeten württembergische Pfarrer das Evangelium, nahmen Tübinger Professoren das Examen ab, bildeten die Stuttgarter Ordnungen das Modell für andere Kirchen. Die Rolle Württembergs bei der Profilierung des deutschen Luthertums war beträchtlich und hing aufs engste mit der Konsolidierungspolitik Herzog Ludwigs zusammen, die das Fundament des frühmodernen Fürstenstaates weiter festigte und ausbaute.
Ein Vermächtnis anderer Art hinterließ der Herzog in der Kunst- und Kulturlandschaft Alt-Württembergs: Sein Interesse für repräsentative Baukunst und dynastische Selbstdarstellung entsprach ebenso den Zeittendenzen wie das Ringen um theologische Wahrheit und erneuerte Frömmigkeit. Der Bau des Collegium Illustre in Tübingen (1592), der späteren „Ritterakademie“, sowie die Vollendung des Großen Lusthauses in Stuttgart (1593) zählten damals zu den herausragenden Beispielen der Renaissancebaukunst in Deutschland und ließen Württemberg mit dem kulturellen Standard der benachbarten Fürstenhöfe konkurrieren. Lange Zeit genoß der berühmte Dichterhumanist Nicodemus Frischlin (1547–1590) die Gunst des Herzogs und der Stuttgarter Hofgesellschaft. Sein Tübinger Kollege Martin Crusius erfuhr nachhaltige Förderung beim Abschluß seiner „Annales Suevici“ (1595/96), einem Meisterwerk der zeitgenössischen Chronistik, das Ruhm und Rang der Dynastie verewigte.
Am sinnfälligsten äußerte sich das fürstliche Selbstverständnis in den aufwendigen Grablegen der Dynastie: Im Chor der Stuttgarter Stiftskirche ließ Ludwig 1578 bis 1584 eine Statuenreihe seiner gräflichen Ahnen aus dem Mittelalter errichten; im Chor der Tübinger Stiftskirche steht seine eigene eindrucksvolle Tumba, daneben die seiner ersten Frau, umgeben von den Gräbern der Eltern und der Großeltern. Noch heute bildet das prachtvolle Renaissancegrabmal den Blickfang des Besuchers im spätgotischen Chor der Kirche.
Ludwig von Württemberg war der letzte Herzog, der in der Tübinger Gruft beigesetzt wurde. Als der Fürst 1593 kinderlos verstarb, erlosch die Familie Herzog Ulrichs und es kam die Linie der Vettern zum Zug. Die Erbfolge fiel an den nächsten Agnaten, den Grafen Friedrich von Mömpelgard, der aus der gleichnamigen Seitenlinie des Hauses kam. Mit Herzog Ludwig trat ein typischer Vertreter seiner Regentengeneration von der Bühne ab: Im Zeichen des befriedeten Reiches hatte er das Engagement für Staat und Kirche verbunden mit einem sinnenfrohen Leben in patriarchalischer Milde und Behäbigkeit. Er war ein Freund ritterlicher Spiele, ein Genießer höfischer Feste und ein ausschweifender Jäger – ein Mann von kultivierter Geselligkeit und zugleich von disziplinierender Autorität. Regierungskunst, Konfessionalität und höfische Lebensart waren die primären Komponenten, die den Typus des deutschen Renaissancefürsten im späten 16. Jahrhundert charakterisierten und dem die Gestalt Herzog Ludwigs von Württemberg insgesamt sehr nahe kam.
Quellen: HStA Stuttgart, A- und G-Bestände.
Württ. Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist.-Bestände
Jacob Heerbrand, Oratio funebris de vita et obitu illustrissimi Ludovici ducis Vuirtembergici, Tubingae 1593.
Erinnerung von dem christlichen Leben Herzog Ludwigs von Württemberg, Tübingen 1593.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997; Bildnachweise: Landesmuseum Württemberg
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