Württemberg, Friedrich I., Herzog 

Andere Namensformen:
  • Graf von Mömpelgard
Geburtsdatum/-ort: 19.08.1557; Mömpelgard
Sterbedatum/-ort: 29.01.1608;  Stuttgart; begr. in der Stiftskirche Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Graf
Weitere Angaben zur Person: Religion: lutherisch
Verheiratet: Sibylla von Anhalt (28.9.1564-16.11.1614)
Eltern: Vater: Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard (4.2.1498-17./18.7.1558)
Mutter: Barbara, geb. Landgräfin von Hessen (8.4.1536-8.6.1597)
Geschwister: Eva Christina (25.10.1558-30.3.1575)
Kinder: 15; Georg Friedrich (23.4.1583-10.2.1591), Elisabeth (15.1.1585), Joachim Friedrich (27.1.1587-31.1.1587), Philipp Friedrich 9.5.1589-5.9.1589), August (24.1.1596-21.4.1596), Johann Friedrich (5.5.1582-28.7.1628), Sibylla Elisabeth (20.4.1584-30.1.1606),Ludwig Friedrich (29.1.1586-26.1.1631), Julius Friedrich (3.6.1588-25.4.1635), Eva Christina (16.5.1590-5.4.1657), Friedrich Achilles (5.5.1591-30.12.1631), Agnes (7.5.1592-25.11.1629), Barbara (14.12.1593-18.5.1627), Magnus (12.12.1594-6.5.1622), Anna (25.3.1597-4.11.1650)
GND-ID: GND/118535862

Biografie: Dieter Stievermann (Autor)
Aus: Lexikon Haus Württemberg, S. 139-142.

Friedrichs Vater Georg führte das Regiment in den linksrheinschen Besitzungen des Hauses: Wenn dieser auch nicht als Herzog regierte, so besaß er doch neben seiner Herkunft durch seine hochrangige hessische Ehe noch eine zusätzliche Verbindung in die Kreise der großen protestantischen Fürsten.
Noch unter Herzog Christoph war Friedrich an den Stuttgarter Hof gekommen, wo Christoph sich auch selbst um seine Erziehung kümmerte; 1571–1574 wurde er in der neuen Akademie, dem späteren Collegium Illustre, in Tübingen ausgebildet, lernte u.a. Latein und Französisch, anschließend besuchte er neben deutschen Höfen die Länder Dänemark, Ungarn und Österreich, später war er ebenfalls in Frankreich, Italien und England. Seine Bildung mußte auch in einer bildungsbewußten Zeit als für sein späteres Amt durchaus angemessen gelten.
Die Eheschließung erfolgte 1581 mit Sibylla von Anhalt, die er sich selbst gewählt hatte. Mit seiner Heirat erhielt Friedrich auch die Regierung der linksrheinischen Herrschaften mit der Hauptresidenz Mömpelgard. Bereits dort entwickelte er die Grundzüge seines später in Württemberg praktizierten Regierungsstils: In Mömpelgard erschien wohl nicht zufällig 1592 die erste deutsche Übersetzung von Jean Bodins Staatsschrift „Les six livre de la Republique“. Durch die Nachfolge im Herzogtum 1593 wurde dann Stuttgart Residenz.
Mit dem Regierungsantritt Friedrichs verbindet sich ein Wechsel in der württembergischen Innenpolitik – vom frommen, leutseligen und auch trinkfesten Landesfürsten zum Machtpolitiker: Friedrich gilt als Vertreter des Frühabsolutismus. Es war zwar kein totaler Bruch, da absolutistische Entwicklungsstränge durchaus schon vorhanden waren, aber diese wurden jetzt doch immer deutlicher und erweitert.
Bereits bei der Regierungsübernahme kam es zum Eklat: Die Stände stellten die Gültigkeit der gegenüber der erloschenen Linie abgegebenen Finanzzusagen in Frage, der neue Herzog die der Landesgesetze, einschließlich des Tübinger Vertrags. So waren von Anbeginn Fronten aufgerichtet worden: Ein Gefühl von Mißtrauen und Fremdheit gegenüber dem von außen gekommenen Fürsten blieb ein Grundzug, der durch die neuen Formen der Regierungspraxis noch verstärkt wurde.
Nicht zuletzt durch eine aktive Wirtschaftspolitik beschritt Friedrich neue Wege im Sinne des aufkommenden Merkantilismus, der das Land entwickeln und dem Landesherrn erhöhte Einnahmen sichern sollte: So förderte er Leineweberei, Bergbau und Hüttenwesen.
Im Überschneidungsfeld von Außen- und Innenpolitik lag die Frage der lehnsrechtlichen Beziehungen, die durch die Unterbrechung der Vater-Sohn-Erbfolge in Stuttgart problematisch geworden war. Kaiser Rudolf I. war als Senior des Hauses Habsburg Adresse für das ganz wichtige Afterlehenschaftverhältnis des Herzogtums zu Österreich, die Innsbrucker Nebenlinie warf das Problem des Tiroler Lehens Blaubeuren auf. In der kaiserlichen Residenz Prag konnte 1599 ein wichtiger Vertrag geschlossen werden, der für das Herzogtum Württemberg als solches die unmittelbare Lehnsbindung an das Reich wiederherstellte. Hieran waren die Landstände zwar auch interessiert, doch bewilligten sie nur ungern die dafür vereinbarten 400.000 Gulden Ablösungssumme.
Neben den reinen Geldfragen wurden immer wieder auch Militärfragen aufgeworfen. Der Ausbau der Landesfestungen diente der Sicherheit. Einen besonderen Platz nimmt hier die Plananlage der neuen Stadt Freudenstadt ein, die aber auch wirtschaftlichen Zwecken diente und vertriebenen Protestanten eine neue Heimat bot. Hellenstein über Heidenheim, Hohentübingen, Stuttgart mit Neuem Bau bzw. Marstall, linksrheinisch Schloß Horburg und anderen Orten wandte sich der Baueifer des Herzogs zu. Vor allem der Architekt Heinrich Schickhardt prägte diese Bautätigkeit im Stil der Renaissance.
Innenpolitisch noch kontroverser als die Befestigungen mußte die Truppenfrage sein. Die bald wieder abgeschaffte französische Leibwache in Stuttgart hatte schon zu Beginn von Friedrichs Regierung für große Unruhe im Land gesorgt. Im Sinne der Zeit ließ Friedrich das Landesaufgebot, die Miliz, erfassen und auch mit Musketen ausrüsten. Das erschien jedoch nicht ausreichend, und wie andere ambitionierte Fürsten strebte Friedrich daher nach einem stehenden Heer, das natürlich auch innenpolitisch die Gewichte verschoben hätte. Hier kam es 1607 zum ganz großen Konflikt, in dem der Herzog die Landstände seinem Willen unterwerfen konnte. Wichtigster juristisch-politischer Berater bei der Stärkung der landesherrlichen Autorität war der Tübinger Rechtsprofessor Dr. Matthäus Entzlin, der dafür 1613 mit seinem Kopf bezahlen mußte.
Die herzoglichen Rüstungs- und Befestigungsmaßnahmen vollzogen sich auf dem Hintergrund der politischen Spannungen, die in Deutschland und Europa gegen Ende des Jahrhunderts unübersehbar wuchsen. Friedrich nahm an der großen Politik durchaus Anteil: Der französische St. Michaels-Orden (1596) und der englische Hosenbandorden (1603) waren nicht nur Ausdruck fürstlicher Eitelkeiten, sondern auch politischer Kontaktpflege.
Die Lösung des Lehnsverhältnisses hatte für das Herzogtum gegenüber Österreich zwar etwas mehr Spielraum geschaffen, doch war der Senior des Hauses Habsburg gleichzeitig Kaiser, und er blieb insofern oberster Lehnsherr; in dieser Eigenschaft verzögerte er die Belehnung bis ins Jahr 1600. Auf dem Reichstag spürte auch Württemberg die kaiserlichen Prärogativen. Besonders demütigend war es für den Herzog als Direktor des Schwäbischen Kreises, daß entgegen der Verfassung das kreisfremde Bayern 1607 mit einer folgenreichen Exekution gegen die schwäbische Kreisstadt Donauwörth beauftragt wurde: Die dort durchgeführte Unterwerfung und Rekatholisierung ließ alle Hoffnungen auf einen interkonfessionellen Ausgleich zerbrechen. Die Evangelischen im Reich sahen sich immer stärker bedroht, man suchte die Beziehungen untereinander auszubauen, wobei auch Friedrich sich lebhaft beteiligte und sich insbesondere auch von der alten Barriere zwischen Lutheranern und Calvinisten nicht abschrecken ließ. Zu vertraglichen Abschlüssen kam es aber zunächst nur mit den Nachbarn, den allerersten Garanten für die eigene Sicherheit. Hier bestimmte die große konfessionelle Orientierung im Kontext der allgemeinen Konfrontation zwischen Evangelischen und Katholischen die Bündnisoptionen zugunsten von Baden-Durlach, Pfalz-Neuburg und Kurpfalz.
Die Eheverbindung des Erbprinzen 1609 nach Kurbrandenburg und der Tochter Sibylla Elisabeth nach Kursachsen 1604 verdeutlichen ebenfalls die politischen Ambitionen und das hohe Ansehen Württembergs unter Friedrich I.
In dieser unruhigen Zeit suchte Friedrich auch die Möglichkeiten für Erwerbungen zu nützen, wobei er in erstaunlichem Maße Finanzmittel einsetzen konnte: ein deutliches Zeichen für die Blüte Württembergs um 1600. Bereits 1595 erwarb er von Baden Besigheim und Mundelsheim; ebenfalls 1595 setzte er mit Gewalt alte Ansprüche auf Klosterreichenbach durch; 1604 brachte er vom Hochstift Straßburg auf dreißig Jahre die Pfandschaft Oberkirch an sich, die als Brücke zu seinen linksrheinischen Stammlanden dienen konnte; noch ferner als Mömpelgard liegt das französische Herzogtum Alençon in der Normandie, das vorübergehend Pfandbesitz wurde.
Unter Friedrichs Regierung entstanden große Bauwerke im Stil der Renaissance: neben den Befestigungs- und Schloßanlagen auch Gärten und Sakralanlagen – in Mömpelgard die Kirche und das Collegium: Fürstliche Repräsentation und objektiver Landeszweck gingen hier eine Symbiose ein. Auch dem zeitgenössischen Sammeleifer frönte der Herzog, mit der Einrichtung einer Kunstkammer.
In den Bildungsbereich griff Friedrich ebenfalls ein: Die Zahl der Klosterschulen wurde halbiert, die Akademie, das spätere Collegium Illustre, in Tübingen dem Adel reserviert, ein entsprechendes Institut in Mömpelgard geschaffen.
Friedrichs ganz besondere Neigung galt der Alchemie: Dieses Interesse teilte er mit seinem Kaiser und anderen großen Fürsten der Zeit. Er wurde wiederholt von Betrügern ausgenutzt, die er aber nach ihrer Entlarvung hängen ließ. Gleichwohl verlor er nicht den Glauben an diese Kunst im Schnittpunkt materieller und geistiger Bestrebungen.
Die Zeit Friedrichs ist nicht nur kulturgeschichtlich hochinteressant, sicherlich ist er auch eine der profiliertesten und begabtesten politischen Persönlichkeiten, die in Stuttgart je die Regierung geführt haben. Es zeigt sich an seiner Person aber überdeutlich, wie das Heraustreten aus der altlutherischen Beschaulichkeit und Begrenztheit des schwäbischen Herzogtums sofort innenpolitische Konfrontationen mit den Landständen nach sich ziehen mußte: eine Konstellation, wie sie auch andernorts im Reich zu beobachten, in Württemberg aber ganz besonders wechselhaft verlaufen ist.
Quellen: HStA Stuttgart, A- und G-Bestände.
Nachweis: Das Haus Württemberg: ein biographisches Lexikon / hrsg. von Sönke Lorenz ... In Zusammenarbeit mit Christoph Eberlein ... und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Stuttgart; Berlin; Köln 1997

Literatur: Hans-Georg Hofacker, Alchemie am Hof Herzog Friedrichs I. von Württemberg – 1593 bis 1608, Stuttgart 1993.
Gerhard Raff, Hie gut Württemberg allewege Bd. 2, Degerloch 1993, S. 4–55.
Robert Uhland, Herzog Friedrich I., in: ders., 900 Jahre Haus Württemberg, Stuttgart 1984, S. 174–182.
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