Menschen im Krieg 1914-1918 am Oberrhein

Vivre en temps de guerre des deux côtés du Rhin 1914-1918

 

Ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt zur Geschichte des Ersten Weltkriegs am Oberrhein in den Jahren 2014-2018

Von Rainer Brüning und Laëtitia Brasseur-Wild

 

37 französische Gefangene, 10.11.1917 (Quelle: Generallandesarchiv 456 F 65, Nr. 9 Foto 3)
37 französische Gefangene, 10.11.1917 (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 456 F 65, Nr. 9 Foto 3)

Hundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs haben das Landesarchiv Baden-Württemberg, vertreten durch das Generallandesarchiv Karlsruhe und das Staatsarchiv Freiburg, und die Archives Départementales du Haut-Rhin (jetzt Archives d'Alsaces) in Verbindung mit dem Comité du Monument National du Hartmannswillerkopf mit dem Ausstellungsprojekt „Menschen im Krieg / Vivre en temps de guerre“ erstmals eine gemeinsame Darstellung der Geschichte des „Großen Kriegs“ am Oberrhein erarbeitet. Dieses Projekt nahm im Ensemble der verschiedenen Aktivitäten zum Jahr 1914 eine internationale und überregionale Sonderstellung ein, weil es zu den wenigen Ausstellungprojekten gehörte, die konsequent die tradierten Grenzlinien von Nation und Staat, von „Freund und Feind“ überschritten.

 

Das Land links und rechts des Rheins war nicht nur Konfliktzone, sondern stets zugleich kulturelle Brücke zwischen beiden Nationen. Heute ist der Oberrhein eine Region, in der Deutsche und Franzosen, Badener und Elsässer die Idee der europäischen Verständigung in ihrem alltäglichen Zusammenleben wahr werden lassen. Doch nirgends im Deutschen Reich – außer in Ostpreußen – waren damals Kampfgebiet, Etappe und Heimatfront so eng miteinander verzahnt wie am Oberrhein. Kein anderes Gebiet war zwischen Frankreich und Deutschland so umstritten wie das seit 1871 annektierte Reichsland Elsass-Lothringen. Niemand so hin- und hergerissen und auf der Suche nach der eigenen Identität wie gerade die Menschen zwischen Rhein und Vogesen. Ausdrücklich ließen wir die traditionelle Militär- und Ereignisgeschichte beiseite und griffen die aktuellen kulturgeschichtlichen, biographischen und anthropologischen Forschungsansätze auf, um einen „anderen“ Blick auf das Land beiderseits des Rheins zu werfen: Im Mittelpunkt unserer Darstellung stehen daher die Kriegserfahrungen, das Leiden der gesamten Bevölkerung, die als Einzelne, als Soldat oder Zivilist, als Mann, Frau oder Kind dem modernen Krieg als Täter und/oder Opfer ausgeliefert waren. Tatsächlich erfasste der Krieg alle Lebensbereiche, deutlich spiegelt sich seine Totalität in den von uns repräsentativ ausgewählten Lebensläufen wider. Stets war uns dabei bewusst, dass in den kollektiven Erinnerungen der beiden Länder dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg ein jeweils sehr unterschiedlicher Stellenwert zukommt: Während in Frankreich die Erinnerung an den siegreich bestandenen Großen Krieg angesichts seiner Schlachtfelder stets ungebrochen blieb, erschien dieser in Deutschland oft genug nur noch als Vorgeschichte, die zu den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur, zum Holocaust und zum Zweiten Weltkrieg führte.

 

Die Ausstellung selbst ist in acht Kapitel mit insgesamt 32 Biographien gegliedert und beginnt mit einem allgemeinen Blick auf die militarisierte deutsche Gesellschaft am Vorabend des Kampfes, um sich dann dem Kriegsausbruch und der Vogesenfront zuzuwenden. Vier Kapitel über das Schicksal von Soldaten, Zivilisten, Frauen und Kindern sowie über Verwundung und Gefangenschaft schließen sich an. Wie weit der militärische Konflikt alle Lebensbereiche durchdrang, zeigen die Anstrengungen für den totalen Krieg, die im Zusammenbruch Deutschlands enden. Das Elsass kehrte mit Kriegsende zu Frankreich zurück. Ein Exkurs ist dem Hartmannsweilerkopf als Schlachtfeld und Gedenkstätte gewidmet. Ihm kommt als dem gemeinsamen Erinnerungsort in unserer Region eine ganz besondere Bedeutung zu.

 

„Menschen im Krieg / Vivre en temps de guerre“ wurde in 35 Orten in Frankreich und Deutschland, in Brüssel und Algier von mehr als 75.000 Besucher besucht. Die themen- und methodeninnovative, grenzüberschreitende und zweisprachige Ausstellung über den Ersten Weltkrieg gehört somit aufgrund der hohen Besucherresonanz, der politischen Repräsentation, des breiten Medienechos und ihrer fortdauernden Inspiration für die deutsch-französische Zusammenarbeit am Oberrhein zu den erfolgreichsten Projekten des Landesarchivs Baden-Württemberg und der Archives Départementales du Haut-Rhin.

 

Literatur: 

  • Deutsche Ausgabe: Brasseur-Wild, Laëtita und Brüning, Rainer (Hrsg.): Menschen im Krieg 1914-1918 am Oberrhein, Im Auftrag des Landesarchivs Baden-Württemberg und der Archives Départementales du Haut-Rhin, Kohlhammer, Stuttgart 2014.
     
  • Édition française: Brasseur-Wild, Laëtita et Brüning, Rainer: Vivre en temps de guerre des deux côtés du Rhin 1914-1918, Pour le Landesarchiv Baden Württemberg et les Archives Départementales du Haut­-Rhin, Stuttgart (Kohlhammer) 2014. 
     
  • Leonhard, Jörn, Hochstuhl, Kurt und Strauß, Christof (Hrsg.): Menschen im Krieg 1914–1918 am Oberrhein/Vivre en temps de guerre des deux côtés du Rhin 1914–1918. Kolloquium zur gleichnamigen Ausstellung, Kohlhammer, Stuttgart 2014.
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