Die Toten

 Kriegerdenkmal für das RIR 111 in Stockach 1927 (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK F-S Postkarten 830)

Der zunächst erfolgreich begonnene französische Sturm auf Craonne blieb aufgrund deutscher Gegenangriffe schließlich am Rand des Winterbergs stecken. Das Reserveinfanterieregiment (RIR) 111 hatte dabei hohe Verluste erlitten und wurde am 6. Mai aus der Kampflinie nach St. Erme und Sissone zurückgenommen. Die Gefechtsstärke war in drei Tagen von 55 Offizieren und 2.333 Mann auf 34 Offiziere und 1.456 Mann gefallen. Allein im Winterberg-Tunnel waren wohl 100 bis 150 Mann verschollen. Auch auf französischer Seite waren viele Menschen umgekommen: Das 18. und 34. französischen Infanterieregiment, die die Angriffe hauptsächlich ausgeführt hatten, vermeldeten fast 2.000 Tote, Verletzte und Vermisste. Der verschüttete Stollen und die in ihm liegenden Soldaten wurden in der Folgezeit nicht geborgen und seine genaue Lage geriet in Vergessenheit, als die Front über ihn hinwegging. Übrig blieben die Einträge in den Kriegsstammrollen der Militärbürokratie.

Doch die Menschen selbst waren nicht vergessen. Jahrelang ließen ihre Angehörigen verzweifelt nach Spuren von ihnen suchen, stets vergeblich, schließlich wurden ihre Todesbescheinigungen ausgestellt und ihr Erbe aufgeteilt: So bei dem in Forchheim geborenen Tagelöhner Karl Anker, von dem ein Brief aus dem Schützengraben bei Craonne erhalten blieb, ebenso wie von Emil Burger aus Unterprechtal. Nach dem Tagelöhner Johann Hertel aus Wilhelmsfeld wurde wie bei so vielen anderen vermissten Soldaten vom Internationalen Roten Kreuz und dem Zentralnachweiseamt Berlin geforscht. Von ihm kehrte nur sein Soldbuch zurück. Der Nachlass des Landwirts Hermann Kempf aus Wolterdingen wurde inventarisiert und seiner Frau und ihren gemeinsamen drei Kindern zugesprochen. Fotos vom Landwirt Johann Baier aus Steinhilben, Eisenbahnschaffner Ernst Henle aus Stetten am kalten Markt, Bierbrauer Josef Riester aus Weilheim und Schreiner Johann Qualbert (Albert) Wetzel aus Neufra finden sich im Hohenzollerischen Gedenkbuch für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs von 1927.

Im gleichen Jahr wurde in der Stadt Stockach ein schlichter Gedenkstein für das Reserveinfanterieregiment 111 im Stadtgarten eingeweiht. Ihm folgte 1934 ein der NS-Ästhetik verpflichtetes Kriegerdenkmal vom Elzacher Bildhauer Erwin Krumm (1898-1980) vor der Stadtkirche St. Oswald.

Eine kurze Erwähnung fanden die Toten des Winterberg-Tunnels noch im 12. Band der im Auftrag des Oberkommandos des Heeres erstellten offiziellen Darstellung des Ersten Weltkrieges: Er erschien in dem Jahr, in dem Deutschland den Zweiten Weltkrieg auslöste.

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