Die Kriegszerstörung Crailsheims 1945

Die Lange Straße in Crailsheim nach dem Wiederaufbau. Copyright: LABW
Die Lange Straße in Crailsheim nach dem Wiederaufbau. Copyright: LABW

Fliegerhorst und Bahnanlagen

Crailsheim gehört zu den Städten in Baden-Württemberg, deren äußeres Erscheinungsbild heute nur noch sehr wenig mit der alten Stadt aus Vorkriegszeiten zu tun hat. Ursache dafür war die fast vollständige Zerstörung der Innenstadt in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Wie viele Klein- und Mittelstädte Süddeutschlands rückte auch Crailsheim im Laufe des Jahres 1944 zunehmend in das Zielkreuz alliierter, das heißt amerikanischer Luftangriffe. Meist handelte es sich zunächst um Jagdbomberangriffe, die vor allem auf den Fliegerhorst und die Bahnanlagen zielten und im Stadtgebiet nur verhältnismäßig geringen Schaden verursachten (Ausnahme: Angriff auf Roßfeld am 16. 7. 1944). Im Zuge einer koordinierten Angriffsaktion auf süddeutsche Eisenbahnknotenpunkte wurde Crailsheim jedoch am 23. Februar 1945 Ziel eines Luftangriffs mit schweren Bombern, der nicht nur den Bahnhof lahm legte, sondern auch viele Wohnhäuser im westlichen Stadtgebiet traf. Etwa 60 Menschen wurden dabei getötet, Dutzende verletzt. Weitere Personen- und Sachschäden in der Stadt verursachte ein Bombardement am 4. April 1945, dessen Hauptziel der Fliegerhorst war.

Schlacht um Crailsheim

Ab Anfang April 1945 war auch das nördliche Württemberg durch das schnelle Vordringen der amerikanischen Truppen direkter Kriegsschauplatz. Am 6. April erfolgte völlig überraschend die (erste) kampflose Besetzung Crailsheims durch die US-Armee. In den folgenden zwei Wochen entwickelte sich um das Crailsheimer Gebiet ein heftiger Kampf, der als Die Schlacht um Crailsheim in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Die Gefährdung ihrer Nachschubwege sowie heftige Gegenangriffe deutscher Truppen, die mit Artilleriebeschuss immense Schäden in der Innenstadt anrichteten, zwangen die Amerikaner am 10. April zum Rückzug aus Crailsheim, nicht ohne dass sie vorher eine Reihe von Häusern in Brand gesteckt hatten. Das amerikanische Zurückweichen aus Crailsheim bedeutete übrigens die einzige größere Schlappe der Invasionsarmee während ihrer Schlussoffensive in Deutschland. Die Bewohner der Stadt und der umliegenden Ortschaften erlebten in den folgenden Tagen ein singuläres Intermezzo […] – die Rückkehr deutscher Soldaten und SS-Kommandos in ein Gebiet, in dem man den Krieg schon überstanden geglaubt hatte. Der Terror des alten Regimes gegen die eigene Zivilbevölkerung traf vor allem Personen, die mit weißen Fahnen ihren Ort übergeben hatten oder die denunziert wurden, mit den Amerikanern kooperiert zu haben.

Rückeroberung durch US-Truppen

Crailsheim wurde nun von den zurückgekehrten deutschen Soldaten und den NS-Verantwortlichen zur Festung ausgebaut. Im Zuge ihres weiteren Vorrückens, diesmal auf breiter Front, erreichten die US-Truppen am 20. April erneut Crailsheim und nahmen es am 21. April zum zweiten Mal ein. Dieser endgültigen Besetzung ging, hervorgerufen durch die Erfahrung des ersten Einmarsches und der starken Präsenz deutschen Militärs, eine massive Feuervorbereitung mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen voraus, die vollends die Zerstörung der Stadt herbeiführte. Der eigentliche Einmarsch stieß allerdings auf keinen Widerstand. Die Verteidiger hatten sich im Schutz der Nacht vom 20. auf den 21. April zurückgezogen.

Bilanz

Die Bilanz der Schlacht um Crailsheim war verheerend: Bis zu 200 Menschen, Soldaten beider Seiten und Zivilisten, kamen bei den Kämpfen vom 6.–21. April 1945 ums Leben. Von den 1437 Gebäuden der Stadt (ohne die 1940 eingemeindeten Ingersheim und Altenmünster) waren 658, d.h. über 45 Prozent, schwer beschädigt oder total zerstört worden. Im Innenstadtbereich innerhalb der alten Stadtmauer lag der Zerstörungsgrad bei 95 Prozent! Alt-Crailsheim war unwiederbringlich untergegangen. Beträchtliche Schäden verursachten die Kampfhandlungen auch in den heutigen Crailsheimer Ortsteilen Roßfeld (Zerstörungsgrad 55%), Goldbach (55%), Triensbach (45%) und auch in Onolzheim (30%).

Folker Förtsch

Veröffentlicht in: Der Landkreis Schwäbisch Hall. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Schwäbisch Hall (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2005, Bd. 1, S. 423. 

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