„Der schwarze Mann mit der roten Weste ist eine ganz vertrauensunwürdige Persönlichkeit…“

Die Auseinandersetzung des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern mit dem Sigmaringer Regierungspräsidenten Emil Belzer

Emil Belzer (1860–1930) Regierungspräsident in Sigmaringen von 1919–1926.Quelle: Landesarchiv BW, StAS Sa T 1 Sa 77/13
Emil Belzer (1860–1930) Regierungspräsident in Sigmaringen von 1919–1926.Quelle:  Landesarchiv BW, StAS Sa T 1 Sa 77/13

Politische Morde, Reparationszahlungen, Inflation, einsetzende Massenarbeitslosigkeit, Ruhrkrise und dann auch noch ein Hohenzollernbrief! Fürst Wilhelm von Hohenzollern schilderte seinem Bruder Ferdinand, König von Rumänien, darin am 20. Mai 1923 neben familiären Ereignissen die aktuelle politische Lage in Deutschland aus seiner monarchistischkonservativen Sicht. Pikanterweise wurde dieser Brief, der zunächst mit der Post an die rumänische Gesandtschaft nach Berlin ging und von dort per Kurier nach Bukarest gelangte, abgefangen, abfotografiert und dem kommunistischen Presseorgan Die Rote Fahne zugespielt, das diesen in den Ausgaben vom 29. und 30. Juni 1923 veröffentlichte. Während das kommunistische Blatt den Fürsten des Landesverrats bezichtigte, was auch der Tatsache geschuldet war, dass der Brief an einen im Ersten Weltkrieg mit der Entente verbündeten Monarchen gerichtet war, gestanden das Zentrumsblatt Germania und die Hohenzollerische Volkszeitung dem Aristokraten eine antirepublikanische Gesinnung in einem Privatbrief zu und verurteilten dessen Abfangen als Indiskretion. Moniert wurde jedoch die Haltung des bekennenden Katholiken zu führenden Zentrumspolitikern wie den ehemaligen Reichskanzlern Constantin Fehrenbach und Joseph Wirth. Letzteren hatte Wilhelm als Zuckerwasserpolitiker bezeichnet, den 1921 ermordeten Finanzminister Matthias Erzberger als heiligen Matthias von Biberach verächtlich gemacht. In dem seit 1919 als Regierungspräsident im preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen amtierenden Emil Belzer sah Wilhelm die Gallionsfigur der ihm insgesamt verhassten Weimarer Republik vor Ort mit ihren Erfüllungspolitikern: Hier ist die Stimmung eine ganz zufriedenstellende, hätten wir nicht […] einen höchst widerwärtigen Regierungspräsidenten. Der schwarze Mann mit der roten Weste ist eine ganz vertrauensunwürdige Persönlichkeit.

Fürst Wilhelm von Hohenzollern (1864 –1927) an seinem 60. Geburtstag, 7. März 1924. Quelle: Landesarchiv BW, StAS Sa T 1 Sa 77/8
Fürst Wilhelm von Hohenzollern (1864 –1927) an seinem 60. Geburtstag, 7. März 1924. Quelle: Landesarchiv BW, StAS Sa T 1 Sa 77/8

War in den ersten Jahren der Präsidialzeit des Zentrumspolitikers Belzer eine direkte Konfrontation zwischen dem Fürstenhaus und ihm vermieden worden, obwohl er fest auf dem Boden der Weimarer Verfassung stand, so hatte die Zeit der Deeskalation mit diesem Brief ein Ende. So berichtete der Hofkammerpräsident Franz Brümmer mit Schreiben vom 26. Mai 1924 an den ehemaligen Reichstagsabgeordneten des Zentrums, Anton Franz Graf von Magnis, über den im Vorjahr veröffentlichten Brief und seine Folgen. Brümmer, der in Belzer den Verursacher der katholischen Pressekampagne sah, bat Magnis seinen Einfluss in der Zentrumspartei geltend zu machen, um Belzer aus dem Präsidialamt entfernen zu lassen. Magnis sah sich aber außerstande, dem Fürsten in dieser Hinsicht behilflich zu sein. Emil Belzer wurde erst nach Erreichen des 66. Lebensjahrs auf den 1. April 1926 in den Ruhestand versetzt. Die Auseinandersetzung zwischen Fürst Wilhelm von Hohenzollern und Emil Belzer war jedoch nur der Auftakt zu dem weitaus schwerwiegenderen Konflikt zwischen den Nachfolgern der beiden, Friedrich von Hohenzollern und Alfons Scherer, der im sogenannten Titelstreit mündete und den der Sigmaringer Regierungspräsident verlor.

Birgit Meyenberg

Quelle: Archivnachrichten 56 (2018), S. 20 und 21.

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