Erbstreitigkeiten in der Grafschaft Wertheim

Das Statutum gentilicium vom 28. Juni 1597, Quelle: LandesarchivBW, StAWt-R US 1597 Juni 28a
Das Statutum gentilicium vom 28. Juni 1597, mit dem Graf Ludwig III. und Gräfin Anna von Löwenstein-Wertheim ihren Söhnen das gleiche Recht an der Grafschaft Wertheim zusprachen „gegen hindansetzung der primogenitur", Quelle: LandesarchivBW, StAWt-R US 1597 Juni 28a

Mit dem Teilungsrezess vom 29. Juli 1611 fanden die gräflichen Brüder Christoph Ludwig, Ludwig IV., Wolfgang Ernst und Johann Dietrich eine Lösung für die künftige Regierung der Grafschaft Wertheim und ihrer übrigen Herrschaften. Damit kamen besonders turbulente Streitigkeiten zu einem tragfähigen Ende – ausgelöst durch den Tod ihres Vaters Ludwig III. am 13. Februar, des ersten Löwensteiners in der Grafschaft Wertheim.

Doch die unruhigen Regierungszeiten hatten bereits ein halbes Jahrhundert zuvor begonnen, als die Grafen von Wertheim mit Graf Michael III. ausstarben. Die Regierungsgeschäfte übernahm dessen Schwiegervater Graf Ludwig von Stolberg-Königstein, dem es geschickt gelang, mit der Grafschaft Wertheim belehnt zu werden – unter Hintanstellung älterer Rechte weiblicher Erben.

Bereits 1574 war es mit der relativen Ruhe zu Ende, als Graf Ludwig starb und sich seine Schwiegersöhne um Erbe und Regierung stritten. Man wundert sich, wie diese sich ein normales Regierungs und Verwaltungshandeln vorstellten, bei dem nun folgenden hin und her der Herrschaftsverantwortung: Nach einer Gemeinschaftsregierung folgte ein jährlicher Wechsel, darauf die Herrschaft durch Beamte, dann eine Gebietsaufteilung mit dreijährigem Durchtauschen. Dazu kam die Würzburger Fehde, nachdem Würzburg seine Lehen – ein wesentlicher Teil der Grafschaft Wertheim – als heimgefallen einbehalten hatte. Letztlich endete dieser Streit mit einer biologischen Lösung: Die älteren der drei stolbergischen Schwestern starben kinderlos, nur die jüngste hatte – sogar zahlreiche – Nachkommen. Verheiratet war sie mit Graf Ludwig III. von Löwenstein, dem Urenkel Kurfürst Friedrichs des Siegreichen von der Pfalz aus seiner morganatischen Ehe mit der Augsburger Bürgerstochter Klara Tott.

Zur Regelung der Erbfolge erließen Graf Ludwig III. und Gräfin Anna von Löwenstein-Wertheim am 28. Juni 1597 das Statutum gentilicium. Trotz ihrer Erfahrungen mit Erbstreitigkeiten schlossen sie das Erstgeburtsrecht aus und sprachen allen fünf Söhnen das gleiche Erbrecht zu. Es wundert nicht, dass der Erstgeborene, Graf Christoph Ludwig, hierfür die Zustimmung verweigerte. Der schwelende Konflikt konnte bis zum Tod Graf Ludwigs III. nicht gelöst werden und mündete in wochenlangen, teils wüsten Szenen nach dessen Tod am 13. Februar 1611: Tore wurden vor der Nase zugeschlagen, Lebensmittel vorenthalten und natürlich Versuche unternommen, politische Vorteile zu gewinnen.

Den Ausgleich brachte erst der anfangs genannte Teilungsvertrag mit Anerkennung des Statutum gentilicium durch Graf Christoph Ludwig, der Einrichtung einer gemeinschaftlichen Regierung für die Grafschaft Wertheim und einer Aufteilung der übrigen Herrschaften. In den folgenden Jahren wurden auch die herrschaftlichen Gebäude (das Wertheimer Schloss, heute Burg genannt, sowie die in der Stadt Wertheim gelegenen Herrenhäuser), die Weinberge und die herrschaftlichen Höfe geteilt. Ihre Anteile erhielten die gräflichen Brüder stets per Los – dem damals allgemein üblichen Verfahren bei herrschaftlichen Teilungen. Dass auch mit diesem grundsätzlichen Ausgleich in den nächsten zwei Jahrhunderten im Alltag noch genug Raum für Uneinigkeit zwischen den jeweils Regierenden bestand, ist eine andere Geschichte. Die Verträge zur Lösung von Erbstreitigkeiten in der Grafschaft Wertheim haben als wichtige Rechtsdokumente die Zeiten überdauert.

Monika Schaupp

Quelle: Archivnachrichten 49 (2014), S. 16-17.

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