Auf der Spur der Bilder
von Nikolas Maisch
Unterm Hammer – und verschollen?

Die Gemälde der Truchsessian Gallery wurden zwischen März und Mai 1806 an drei festgesetzten Terminen durch das Londoner Auktionshaus Skinner & Dyke versteigert. Insgesamt kamen 676 Werke unter den Hammer und brachten in Summe 8.201 Pfund Sterling ein. Wer genau die Käuferinnen und Käufer waren, ist nicht dokumentiert – so bleibt anonym, in welche Hände die Gemälde gelangten. Insgesamt zerstreute sich so die einst große Sammlung. Die Zahlen zur Auktion gehen aus einer handschriftlichen Gemäldeliste hervor, die sowohl Schätz-, Einzelverkaufs- und bei der Auktion tatsächlich erzielte Preise festhält.
Auch vor der Auktion realisierte Einzelverkäufe erschweren die Rückverfolgung vieler Bilder. 1806 brach zusätzlich in dem Lagerhaus, in dem sich die restlichen, nicht versteigerten Gemälde befanden, ein Feuer aus und zerstörte die übrigen Sammlungsbestände. Heute lassen sich daher nur sehr wenige der einst fast 1.400 Werke aus der Wurzacher Gemäldegalerie in öffentlichen Sammlungen wiederfinden.
Ein weiteres Hindernis bei der Rekonstruktion der zersplitterten Sammlung ist die fehlende systematische kunsthistorische Aufarbeitung der Truchsessian Gallery. Viele Werke sind im Katalog des Grafen ungenau oder falsch bezeichnet worden. Auch Informationen zur Provenienz fehlen oft oder geben in Ankaufsdokumenten nur den jeweiligen Händler und Preis an. All das macht es für die Forschung heute sehr schwer, die Geschichte und den Verbleib der Truchsessen-Gemälde genau nachzuvollziehen. Ob die hohen Schätzwerte aus Wien und Dresden oder die Einschätzung von Sir Thomas Lawrence als Gallery of Fakes richtig waren, lässt sich nicht mehr mit letzter Sicherheit beantworten. Trotz offener Fragen zur Authentizität der Werke stellt die Truchsessian Gallery jedoch ein spannendes Beispiel für die Entstehung von Marktmechanismen im europäischen Kunstmarkt dar. Gleichzeitig kann sie als wichtiges Zeugnis kunsthistorischer Professionalisierung im Handel mit Kunst und im Ausstellungswesen eingeordnet werden.
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Zitierhinweis: Nikolas Maisch, Auf der Spur der Bilder, in: art&market. Die Truchsessen-Galerie in London und der englische Kunstmarkt um 1800, URL: […], Stand: 02. Juni 2025.