Der Sammler Graf Truchsess von Waldburg und die Anfänge seiner Gemäldegalerie
von Nikolas Maisch
Ein Leben zwischen Kirche und Kunst
Der Kunstsammler Graf Joseph Franz Anton Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach wurde am 29. November 1748 in eine der bedeutendsten Adelsfamilien Süddeutschlands geboren: Die Waldburger, deren Stammbaum bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, hatten über viele Jahrhunderte hohe weltliche und geistliche Ämter im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation inne. Josephs eigene Laufbahn begann wie üblich mit einer Studienreise nach Italien. Dort hatte er erste Kontakte mit den großen Werken der europäischen Kunst. Diese Erfahrungen beschrieb der Graf später als wichtigen Ausgangspunkt für seine private Sammlertätigkeit. 1773 trat er in die Domkapitel von Köln und Straßburg ein und stieg bis zum Domdechanten auf. Trotz seiner vornehmen Abstammung und hoher Kirchenämter hatte er jedoch stets mit finanziellen Problemen zu kämpfen: ein standesgemäßer Lebensstil, hohe Reisekosten und nicht zuletzt die gräfliche Sammlerleidenschaft für Kunst sorgten für schwere finanzielle Belastungen. So errichtete Graf Joseph bis 1800 seine große Gemäldesammlung europäischer Alter Meister vornehmlich mit Krediten.
Der Aufbau der Truchsessen-Sammlung
Bereits während seiner Kölner Zeit begann Graf Joseph ab 1781 mit dem systematischen Sammeln von Kunstwerken. Rund einhundert Gemälde hatte er in den Jahren zuvor aus Familienbesitz geerbt und erweiterte diesen Fundus nun durch neue Ankäufe. Dazu angeregt wurde er durch die Sammlertradition seines Onkels, des Kölner Kurfürsten Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, und seine eigenen, in Italien entstandenen Vorlieben. In Köln baute er sich ein Netzwerk aus Maklern und Kunsthändlern auf. Die rheinländischen Kunstmärkte sorgten mit ihrem geografisch bedingten Angebot zunächst für ein Übergewicht niederländischer und flämischer Maler in der Truchsessen-Sammlung. Später erweiterte er sie mit den Werken deutscher, italienischer und französischer Künstler und schuf so eine kunsthistorisch breit gefächerte Bildersammlung. Ein Katalog von Lambert Krahe (1712–1790), Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, zeugt von den Ankäufen zwischen 1783 und 1784. Die Bilder wurden 1790 für die geplante Gründung einer Wurzacher Akademie der bildenden Künste ins Schloss der Familie nach Schwaben gebracht. 1796 waren bereits 1.394 Gemälde zusammengekommen.
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Zitierhinweis: Nikolas Maisch, Der Sammler Graf Truchsess von Waldburg und die Anfänge seiner Gemäldegalerie, in: art&market. Die Truchsessen-Galerie in London und der englische Kunstmarkt um 1800, URL: […], Stand: 02. Juni 2025.