Die Französische Revolution und ihre Folgen für Graf Joseph

von Nikolas Maisch

Eine Vision von Kunst und Bildung

Wie im 17. Jahrhundert beim Aufbau privater Gemäldesammlungen üblich, waren auch die Truchsessen-Gemälde Statussymbole und repräsentierten den Wohlstand des Sammlers. Gleichzeitig steht die Sammlung im Fall des Grafen Joseph allerdings auch für einen wichtigen Wandel im Umgang mit Kunst und der Form ihrer Ausstellung. Als die Bilder auf Schloss Wurzach ankamen, wurden sie in acht Räumen präsentiert. Ein historischer Plan zeigt, dass die Bilder nicht einfach wahllos – z. B. nach Formaten – gehängt, sondern erstmals nach Epochen und Stilrichtungen geordnet wurden. Diese neue Art der Präsentation geht auf den Wiener Akademiedirektor Joseph von Rosa (1726–1805) und den Kunsthändler Christian von Mechel (1737–1817) zurück. Beide setzten im 18. Jahrhundert kunstgeschichtliche Standards für die Konzeption von Ausstellungen. Die Hängung in Wurzach beweist somit, dass sich der Graf mit den damaligen Entwicklungen in der Kunst- und Museumswelt gut auskannte und sich aktiv mit wissenschaftlichen Fragen beschäftigte. In den Plänen zur Sammlung werden bekannte Künstler wie der Italiener Tintoretto (1518–1594), der Flame Peter Paul Rubens (1577–1640) oder der Deutsche Hans Multscher (um 1400–1467) erwähnt – ein Hinweis darauf, wie vielfältig die Sammlung war.

Revolution und Neuorientierung

Die politischen Umbrüche der Französischen Revolution zwangen Graf Joseph, seine Residenz in Straßburg aufzugeben. Auch im übrigen Rheinland wurde die Lage kritisch, als die Stadt Köln 1794 von französischen Revolutionstruppen besetzt wurde. Graf Joseph war daher in den folgenden Monaten ständig unterwegs – ohne festen Wohnsitz reiste er durch die Niederlande und verschiedene Teile Deutschlands. 1796 traf er schließlich die Entscheidung, seine wertvolle Gemäldesammlung, die zu diesem Zeitpunkt noch im Schloss Wurzach untergebracht war, in Sicherheit zu bringen.

Fast 930 der insgesamt rund 1.400 Bilder wurden so nach Österreich gebracht. In Wien stellte der Graf die Werke mit großem finanziellen Aufwand in angemieteten Bibliotheksräumen aus, um sie der interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Eigentliches Ziel der Ausstellung war es aber, die Sammlung Kaiser Franz II. (1768–1835) zum Kauf anzubieten. Dessen Onkel Joseph II. (1741–1790) hatte fünfzehn Jahre zuvor die kaiserliche Gemäldesammlung im Oberen Belvedere von Christian von Mechel neu ordnen lassen. Graf Joseph hoffte nun, dass seine Bilder diese bedeutsame Sammlung sinnvoll ergänzen könnten.

Der Blick nach England

Kaiser Franz II. lehnte jedoch angesichts des Krieges die Übernahme der Sammlung aus Kostengründen ab. Der inzwischen in einer prekären finanziellen Situation befindliche Graf musste unbedingt neue Absatzmöglichkeiten erschließen – und sein Blick fiel schließlich auf den britischen Kunstmarkt. England mit seiner Metropole London hatte sich im Lauf des 18. Jahrhunderts zum europäischen Zentrum des internationalen Handels entwickelt und erschien dem Sammler nunmehr als der perfekte Standort für sein Projekt. Der neue Wohlstand hatte zugleich eine neue Kundengruppe für den englischen Kunstmarkt entstehen lassen, denn zusätzlich zur Aristokratie hatte sich ein kaufkräftiges und kunstbegeistertes Bürgertum entwickelt. Im prosperierenden England bildete sich ein ganzes Netzwerk aus Kulturinstitutionen, Kunsthändlern und Auktionshäusern heraus, die zusammen einen florierenden Kunstmarkt konstituierten.

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Zitierhinweis: Nikolas Maisch, Die Französische Revolution und ihre Folgen für Graf Joseph, in: art&market. Die Truchsessen-Galerie in London und der englische Kunstmarkt um 1800, URL: […], Stand: 02. Juni 2025.

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