New Road opposite Portland Place
von Nikolas Maisch
Der Aufbau der Truchsessian Gallery
Um möglichen Käufern und Geldgebern seine Kunstsammlung präsentieren zu können, ließ Graf Joseph im Jahr 1803 ein eigenes Galeriegebäude in London errichten und Kataloge drucken. Auf dem heutigen Park Square, südlich des Regent’s Park entstand so die Truchsessian Gallery. Das Ausstellungsgebäude bestand aus acht Sälen. Wie schon zuvor in Wurzach und Wien, wurden die Gemälde auch hier weitgehend nach Schulen und Ländern geordnet. Damit wollte Graf Joseph den Londoner Kunstkennern zeigen, dass seine Sammlung nicht nur wertvoll war – die kuratorische Anordnung präsentierte zugleich den Bildungsanspruch und die gräfliche Teilnahme an den aktuellen Diskursen. Für die Galerie liegen sogar Pläne für ein dauerhaftes klassizistisches Gebäude mit elf Sälen vor; dieser Bau wurde aus finanziellen Gründen allerdings nie verwirklicht.
Die Ausstellung in London bestand aus Gemälden, die einige Jahre zuvor aus Wurzach nach Wien gebracht worden waren. Darunter befanden sich Werke von flämischen, niederländischen, deutschen, italienischen und französischen Künstlern – die Auswahl verschiedener Schulen sollte die Vielfalt der Sammlung widerspiegeln. Diese reichte von spätmittelalterlicher Tafelmalerei aus dem nordalpinen Raum über Werke der italienischen Renaissance bis zum Barock. So finden sich in den Katalogen der Galerieausstellung bekannte Namen wie Correggio (1489–1534), Peter Paul Rubens (1577–1640), Albrecht Dürer (1471–1528) oder Diego Velázquez (1599–1660).
Mit dieser Fülle an Meistern und deren Qualität wollte der Graf nicht nur erfahrene Kunstkenner begeistern, sondern auch potenzielle Investoren aus bürgerlichen Kreisen ansprechen – schließlich sollte die Beteiligungsmöglichkeit an der Subskription möglichst viele Geldgeber anziehen.
Hochmodernes Marketing
Um den Verkauf in London zu bewerben, verschickte Graf Joseph schriftliche Erläuterungen seines Vorhabens an Adelige, Parlamentarier und prominente Kunstsammler, wovon Adresslisten zeugen. In einer aufwendig gestalteten Einführung betonte er die Bedeutung der Sammlung als Basis für eine zu errichtende nationale Galerie: Neben den Akademien und Kulturinstitutionen fehle Großbritannien noch eine staatliche Kunstsammlung. Für die geladenen Gäste war eine exklusive Führung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch die neu geschaffenen Räumlichkeiten vorgesehen. Die Idee einer exklusiven Vernissage, beziehungsweise „VIP-Preview", ist auf dem Kunstmarkt auch heute noch üblich. In der Galerie selbst sollten sich Besucher der Galerie in Listen eintragen, woraus ein weiterer Werbe-Verteiler generiert werden konnte.
Frühe Skepsis
Trotz aller sorgfältigen Planung und Werbemaßnahmen stieß das Vorhaben des Grafen früh auf Skepsis. Vor allem die englische Oberschicht und die Kunstkenner sahen den Verkauf in Form einer Subskription kritisch. In Briefen äußerten britische Adelige Zweifel daran, ob wohlhabende Privatsammler tatsächlich bereit wären, aus reinem Idealismus Geld für eine nationale Kunstsammlung auszugeben. Das private Sammlertum und dazugehörende Prestige seien zu weit verbreitet. Außerdem gab es bereits individuelle Zweifel an der Echtheit einiger Werke aus der Sammlung. Graf Joseph blieb dennoch zuversichtlich. Er sah in seinem Modell vieler Geldgeber für einen kollektiven Kauf der Sammlung eine echte Chance zur Veräußerung.
Sein Ziel war nach wie vor, mit seinen Gemälden eine öffentliche Nationalgalerie zu begründen.
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Zitierhinweis: Nikolas Maisch, New Road opposite Portland Place, in: art&market. Die Truchsessen-Galerie in London und der englische Kunstmarkt um 1800, URL: […], Stand: 02. Juni 2025.