Fasnet im Landkreis Rottweil

Der Landkreis Rottweil besitzt eine vielfältige Fasnetslandschaft

Schellnarr und Federahannes beim Narrensprung Rottweil, 1972. Copyright: LMZ BW
Schellnarr und Federahannes beim Narrensprung Rottweil, 1972. Copyright: LMZ BW

Die Städte haben Fastnachten von unterschiedlichem Alter und verschiedensten Erscheinungsformen. Aus Rottweil stammt der wohl älteste Beleg zu Fastnachtsbräuchen im Kreisgebiet; er findet sich in einer um 1360 im Rottweiler Dominikanerkloster geschriebenen Predigt, in der von vasnacht Krapfen zu lesen ist. Oberndorf am Neckar kann seine Fastnachtsgeschichte bis in das späte 18. Jh. zurückverfolgen. Schramberg besitzt unterschiedliche Hinweise auf die Fastnacht, die im frühen 19. Jh. einsetzen. Im ehemals württembergischen Sulz besteht seit 1937 eine Narrenzunft; sie sorgt seit den 1950er Jahren für einen Umzug. Das pietistisch geprägte Schiltach fand zwischen 1950 und 1965 zu einer organisierten Fastnacht. In Dornhan, das ebenfalls zum protestantischen Württemberg gehörte, wurde erst 1972 die Zunft der Dornhaner Lauser gegründet. Um eine Übersicht über die Fasnetslandschaft des Landkreises Rottweil zu gewinnen, seien hier, geordnet nach Entstehungszeitraum, diejenigen (ehemals) nicht-städtischen Gemeinden und Ortsteile aufgelistet, die eine eigenständige Fasnet vorzuweisen haben.

Geschichte

Erstaunlich ist, dass die Gemeinde Wellendingen und ihr Ortsteil Wilflingen, dessen Fasnet alpine Züge trägt, neben Rottweil die ältesten Fastnachten im Kreisgebiet besitzen; ihre Wurzeln liegen im 17. und 18. Jahrhundert. In Dunningen wurde 1906 eine Narrhalla gegründet. Aus ihr ging später die Holzäpfelzunft hervor, deren Kleider und Larven in den 1960er Jahren vom Bildhauer Erich Hauser gestaltet wurden. Die Narrenzunft Rottweil-Altstadt entstand 1914 als Kabis-Narrenzunft. Zwischen 1918 und dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich Narrenvereine oder Narrenzünfte in Aichhalden, Aistaig, Altoberndorf, Bochingen, Boll, Deißlingen, Epfendorf, Harthausen, Seedorf, Talhausen, Waldmössingen und Zimmern ob Rottweil. Nach 1948 wurden in folgenden Orten Narrenzünfte oder Narrenvereine gegründet: Beffendorf, Bettenhausen, Böhringen, Bösingen, Bühlingen, Dietingen, Fischingen, Fluorn, Glatt, Hardt, Heiligenbronn, Herrenzimmern, Hochmössingen, Irslingen, Lackendorf, Lauffen ob Rottweil, Lauterbach, Lehengericht, Leinstetten, Locherhof, Mariazell, Neufra, Rötenberg, Schenkenzell, Sigmarswangen, Sulzbach, Tennenbronn, Villingendorf, Vöhringen und Zepfenhan.

Zünfte, Vereine und Zusammenschlüsse

Zur Zeit gibt es im Landkreis Rottweil rund 55 Narrenzünfte oder Narrenvereine mit einer unüberschaubaren Fülle von Narrenfiguren. Die Zünfte und Vereine sind überwiegend in Vereinigungen wie dem Narrenfreundschaftsring Schwarzwald-Baar-Heuberg, dem Narrenring Oberer Neckar, der Freien Narrenvereinigung Waldgau oder der Freien Narrenvereinigung Mittlerer Schwarzwald organisiert. Mitglied in der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte, die 1924 angesichts der obrigkeitlichen Fastnachtsverbote gegründet wurde, sind Schramberg, Wellendingen und Wilflingen. Die Narrentreffen dieser Vereinigungen überlagern gelegentlich die örtliche Fastnacht. Deshalb traten die Gründungsmitglieder Rottweil und Oberndorf 1952 bzw. 1958 aus der schwäbisch-alemannischen Vereinigung aus. Zur Fasnet gehören unabdingbar Vermummung, Tanz, Spiel, Lärm, unmäßiges Essen und Trinken und natürlich das Recht des Rügens und Heischens. Früher war der heute so gängige Narrenruf Narri – Narro unbekannt; in den alten Narrenorten wurde Hu-hu-hu, Juhui oder Jui gerufen.

Ursprünge

In Rottweil dürfte die ursprünglichste Fasnetsfigur das Gschell sein, das bis um 1950 schlicht als Narr bezeichnet wurde. Alle anderen Rottweiler Narrentypen führen Eigennamen wie Biss, Schantle, Fransenkleid, Federahannes, Brieler Rössle. Dies gilt auch für die beiden Einzelfiguren Guller und Narrenengel. Die Leinenkleider der schellentragenden Weißnarren Gschell und Biss mit ihren Pluderhosen sind mit Türken- und Tirolerfiguren sowie mit historisierenden Motiven bemalt und entsprechen etwa dem Erscheinungsbild des Baaremer Narro oder Hansel. Die anderen Figuren sind bis ins 19. Jh. nur in Rottweil zu finden. Im weiteren Verlauf haben Oberndorf und Schramberg bei Rottweil und Villingen Anleihen gemacht.

Die übrigen Narrenorte im Landkreis entwickelten ihre Fasnetstypen nach unterschiedlichen Methoden. Als Vorbild diente oft der örtliche Neckname oder auch eine auf den Ort bezogene Sage. Für die jungen Zünfte ist es ein wichtiges Anliegen, eine geordnete und saubere Fasnet aufzubauen, die historisch belegbar sein soll. Vielfach wurde das Rottweiler Narrenkleid in abgewandelter Form übernommen. Weit verbreitet ist auch die erst in den 1920er Jahren aufgekommene Hexenfigur; sie wurde fast zum Synonym für die schwäbisch-alemannische Fasnet. Der örtliche Fasnetsablauf gleicht sich oft dem Rottweiler Geschehen an. Bei den Umzügen werden die Narrenmärsche der Zünfte gespielt; hinzu kommen fastnachtliche Fanfarenzüge und Guggenmusiken. Durch die an der Stadt orientierte Fasnet dürfte in vielen Dörfern eine spontane, meist von einheimischen Originalen getragene Fasnet verdrängt worden sein.

Karl Lambrecht

Veröffentlicht in: Der Landkreis Rottweil. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Rottweil (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2003, Bd. 1, S. 261. 

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