Herzog Wilhelm von Urach (1810–1869)

Romantiker auf dem Lichtenstein

Schloss Lichtenstein, Aufriss der Südostfassade, kolorierte Federzeichnung, o. D. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS GU 97 Nr. 2
Schloss Lichtenstein, Aufriss der Südostfassade, kolorierte Federzeichnung, o. D. Quelle: Landesarchiv BW, HStAS GU 97 Nr. 2

Wilhelm kam 1810 in Stuttgart als Sohn Herzog Wilhelms von Württemberg und seiner Frau Wilhelmine geborene Freiin von Tunderfeld-Rhodis zur Welt. Da diese eheliche Verbindung nach den Hausgesetzen nicht standesgemäß war, musste der Vater für sich und seine Nachkommen auf die Thronfolge verzichten und begründete eine Nebenlinie des Hauses Württemberg. Nach seiner Schulausbildung unter anderem in Hofwyl bei Bern schlug Wilhelm die Militärlaufbahn ein. Er stieg im württembergischen Heer in höchste Führungspositionen auf: 1841 erlangte er den Rang eines Generalmajors, 1855 wurde Wilhelm zum Generalleutnant und beim Ausscheiden aus dem Heeresdienst im Jahr 1867 zum General der Infanterie befördert. Von 1857 bis 1867 bekleidete er das Amt des Gouverneurs der Bundesfestung Ulm.

Graf Wilhelm zeichneten weit gespannte gesellschaftliche, literarische und wissenschaftliche Interessen aus. So war er politisch aktiv, schrieb Gedichte und Schauspiele und publizierte zu historischen, kunsthistorischen und naturwissenschaftlichen Themen. Als im Juni 1843 der Württembergische Altertumsverein ins Leben gerufen wurde, übernahm Wilhelm den Vorsitz. Von 1844 bis 1854 stand der Graf ferner als erster Präsident dem Verein für vaterländische Naturkunde vor.

Der Altertumsverein setzte sich zum Ziel, geschichtliche Denkmäler, so etwa Zeugnisse der bildenden Kunst, historische Bauwerke und archäologische Funde, zu sichern. In den ersten Jahrzehnten gelang es, eine Vielzahl von Kulturdenkmalen vor dem Verfall oder der Zerstörung zu retten. Darüber hinaus legte der Verein eine beachtliche archäologische und kunsthistorische Sammlung an, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts die größte öffentlich zugängliche Altertumssammlung darstellte und zu einer Keimzelle des heutigen Landesmuseums wurde.

Wilhelms Repräsentationsbedürfnis hatte bereits einige Jahre vor der Gründung des Altertumsvereins einen spektakulären Ausdruck gefunden. In den Jahren 1839 bis 1842 ließ der Graf über der Ruine der mittelalterlichen Burg Lichtenstein bei Reutlingen ein Schloss im historistischen Stil errichten. Diese Baumaßnahme verdeutlicht Wilhelms tiefe Prägung durch das am Mittelalter orientierte Geschichtsbild der Romantik.

1867 wurde Graf Wilhelm, der zweimal verheiratet war, von König Karl zum Herzog von Urach erhoben; im selben Jahr konvertierte er zum katholischen Glauben. Wilhelm starb am 16. Juli 1869 auf Schloss Lichtenstein.

Nicole Bickhoff und Wolfgang Mährle

Quelle: Archivnachrichten 56 (2018), S. 10 und 11.

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