Saline Wilhelmshall

Anlage und Geschichte

Betriebsgebäude und Kuppel eines Solereservoirs - Quelle:Tilo Wütherich
Betriebsgebäude und Kuppel eines Solereservoirs - Quelle:Tilo Wütherich

Südwestlich von Rottweil, am Unterlauf des Flüsschens Prim, befindet sich eine eigentümliche Gebäudegruppe: ein langgestrecktes Fachwerkhaus mit zwei kleineren Gebäuden, aus denen geschlossene Holztürme in die Höhe ragen, daneben eine mit Holzschindeln gedeckte Kuppel, die ohne Fundament auf dem Boden aufsitzt. Es sind die ehemaligen Betriebsgebäude der Saline Wilhelmshall, das Untere Bohrhaus und die Kuppel eines Solereservoires. Die Gebäude gehören heute zum Salinenmuseum und haben eine wechselvolle Geschichte erlebt.

Im vorindustriellen Zeitalter stellte Salz ein kostbares Gut dar. Im Binnenland gab es nur wenige Vorkommen und sowohl Erschließung als auch Transport waren ohne moderne technische Hilfsmittel mühsam und teuer. Salzgewinnung und Salzhandel waren daher bedeutende Wirtschaftsfaktoren. Die Salzgewinnung im südwestdeutschen Raum lässt sich bis in die Keltenzeit zurückverfolgen; dabei wurden natürliche, salzhaltige Quellen genutzt. Anfang der 1820er Jahre begann in Bad Dürrheim nach der Entdeckung von Salzvorkommen deren Erschließung mit einer Saline. Mithilfe der gerade im Entstehen begriffenen Wissenschaft Geologie wurde deutlich, dass die entsprechenden Gesteinsschichten auch im Untergrund nahe Rottweil anzutreffen sind.

1824 erhielt der Bergrat Friedrich August von Alberti den Auftrag, mit der Bohrung und Einrichtung einer Saline bei Rottweil zu beginnen, die zu Ehren des württembergischen Königs den Namen Wilhelmshall bekam. Nicht weit entfernt am Stallberg war zuvor ein von Alberti geleiteter Versuch, das Steinsalz bergmännisch abzubauen, gescheitert.

Entstehung der Salzschicht

Die durch die Saline erschlossenen salzführenden Schichten gehören zum mittleren Muschelkalk. Der Muschelkalk ist eine marine Ablagerung, die vor etwa 215-205 Millionen Jahren gebildet wurde. Während oberer und unterer Muschelkalk als gebankte Kalke ausgebildet sind – aus den Überresten der Skelette und Schalen der damaligen Meeresbewohner – besteht der mittlere Muschelkalk aus einer Abfolge salinarer Schichten. Diese entstanden in einem trocken-heißen Klima, wobei ein Meeresbecken durch eine Landschwelle vom Weltmeer zeitweise abgetrennt wurde (marines Randbecken). In diesem ganz oder teilweise abgetrennten Bereich überwog die Verdunstung den Zustrom frischen Meer- oder Flusswassers, so dass eine Aufkonzentration und schließlich Ausfällung der gelösten Stoffe, darunter Steinsalz, stattfand. Im Bereich von Wilhelmshall beträgt die Mächtigkeit der Salzschicht 10 bis knapp 20 Meter.

Anlage der Saline, Solegewinnung

Unteres Bohrhaus und Tretrad zum Betrieb der Bohrgestänge -Quelle: Tilo Wütherich
Unteres Bohrhaus und Tretrad zum Betrieb der Bohrgestänge - Quelle: Tilo Wütherich

Die Saline bestand aus zwei Standorten: dem Unteren Bohrhaus mit den Bohrtürmen in der Talaue der Prim und dem auf einem flachen Bergsporn zwischen Prim und Neckar gelegenen Gebäudekomplex mit Siede- und Wohnhäusern, Torflager, Verwaltungsgebäude und Solebehältern. Dieser Komplex erstreckte sich über mehrere Hektar. Eine Ansicht aus den 1820er Jahren vermittelt einen guten Eindruck der Anlage.

Bohrgerät: Flachmeißel und Hilfswerkzeuge - Quelle: Tilo Wütherich
Bohrgerät: Flachmeißel und Hilfswerkzeuge - Quelle: Tilo Wütherich

Die Salzgewinnung begann mit dem Niederbringen von Bohrungen bis in eine Tiefe von etwa 120 Metern. Das Bohrgerät umfasste u.a. einen Flachmeißel und ein Auflastgewicht von 10 Zentnern (500kg), mit deren Hilfe das Gestein im Bohrloch zertrümmert wurde. Diese Bohrgerätschaften und die Hilfswerkzeuge, wie Zangen oder Haken zum Einfangen abgebrochener Bohrer und Pumpen, wurden in einer Schmiede im Bohrhaus selbst hergestellt. Das Auf- und Niederbringen der Bohrgestänge erfolgte über hölzerne Laufräder, die von zwei Männern angetrieben wurden. Eine mächtige Balkenbremse erforderte weitere zwei Männer und gewährleistete unter anderem, dass die Arbeiter im Tretrad sicher ein- und aussteigen konnten.

Pumpzylinder, Kolbenpumpe und Herstellung der Deichelleitung - Quelle: Tilo Wütherich
Pumpzylinder, Kolbenpumpe und Herstellung der Deichelleitung - Quelle: Tilo Wütherich

War eine Bohrung bis in die Salzschicht niedergebracht, wurde ein Förderrohr hinabgelassen. Dieses bestand aus einem Innenrohr, in dem sich ein Pumpzylinder mit eingebauten Ventilen langsam auf und ab bewegte. Das Innenrohr war von einem äußeren Rohr umgeben. Im Zwischenraum zwischen den beiden Rohren strömte frisches Wasser durch Öffnungen aus einer der durchbohrten Grundwasserschichten zur weiteren Solegewinnung in die Tiefe. Somit konnte kontinuierlich gefördert werden: mit einem Kolbenhub etwa 10 Liter Sole mit einer Konzentration von etwa 27 Prozent Salz (270g gelöst in einem Liter Wasser). Von den beiden Bohrlöchern floss die gewonnene Sole anschließend in freiem Gefälle in den Pumpensumpf im Bohrhaus. Dort wurde sie mithilfe einer Kolbenpumpe in eine Steigleitung gedrückt, die in den Solebehältern auf dem Berg mündete. Als Kraftquelle für alle drei Pumpen diente ein hölzernes Wasserrad, das über einen Kanal aus der Prim versorgt wurde. Praktisch alle Gerätschaften, die für den Betrieb vonnöten waren, wurden in der eigenen Werkstatt hergestellt. Dazu gehörte auch die Steigleitung aus Holz (Deichelleitung), die mit großen Stangenbohrern in Handarbeit aus Baumstämmen entstand.

Das Salzsieden

Modell der Siedepfannen und Salzdörren, Walze zum Zerkleinern und Schubkarre für den Torftransport - Quelle: Tilo Wütherich
Modell der Siedepfannen und Salzdörren, Walze zum Zerkleinern und Schubkarre für den Torftransport - Quelle: Tilo Wütherich
Die Solebehälter dienten als Zwischenspeicher, damit die Siedepfannen gleichmäßig und ohne Unterbrechungen betrieben werden konnten, beispielsweise bei technischen Störungen der Pumpen. In jedem Siedehaus war eine Siedepfanne installiert, die mit Torf aus einem nahegelegenen Moor befeuert wurde. Die Siedepfannen kochten rund um die Uhr im Zweischichtbetrieb zu jeweils zwölf Stunden. Direkt neben den Siedepfannen befanden sich zwei Salzdörren, um den Wassergehalt des Rohsalzes weiter zu minimieren. Die Produktion eines Siedehauses betrug bis zu drei Tonnen Salz am Tag. Einer zeitgenössischen Abbildung zufolge verfügte die Saline Wilhelmshall über acht Siedehäuser.

Das Salz wurde u.a. in die Schweiz und nach Hohenzollern geliefert. Nachdem in der Schweiz Mitte des 19. Jahrhunderts eine eigene Salzgewinnung entstand und auch die Lieferverträge mit Hohenzollern nicht erneuert wurden, geriet die württembergische Salinenindustrie in eine Krise. Deren Auswirkungen waren der Rückgang der Förderung in Wilhelmshall und die Schließung anderer Salinen. Zur Blütezeit Ende der 1830er Jahre arbeiteten in Wilhelmshall 70 Personen und die Jahresproduktion überstieg 9000 Tonnen. Bis zur Schließung der Saline 1969 sank die Zahl der Beschäftigten auf 40 und die Produktion auf 4000 Tonnen pro Jahr.

Arbeit in der Saline

Abgesehen vom reinen Pumpvorgang der Sole war die Arbeit in der Saline lange Zeit von schwerer, körperlicher Arbeit geprägt. Es gab nur einfache technische Hilfsmittel, die den Einsatz von Muskelkraft erforderten. Der Torf für die Feuerung der Siedepfannen wurde von Hand abgebaut, sein Transport innerhalb der Saline erfolgte mit Schubkarren. Das Salz in den Siedepfannen wurde manuell mittels Kratzen abgezogen und in die Dörren befördert, wo es mit handbetriebenen Walzen zerkleinert wurde. Auch die Konfektionierung in Säcke erfolgte in Handarbeit. Im 19. Jahrhundert wurde in Zwölfstundenschichten gearbeitet. Die Saline stellte einen autarken Mikrokosmos dar: alle anfallenden Wartungs-, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten bewältigten interne Schmiede, Kaminfeger, Zimmerleute und Küfer. Ein Teil des Arbeitslohnes bestand aus Salz. Die Menge richtete sich nach der Stellung der Beschäftigten und der Größe ihrer Familien.

Tilo Wütherich

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