Überblick

von Alexander Staib

Ausschnitt aus einem Panorama der Stadt Prag von 1606, hg. vom Prager städtischen Museum, um 1890 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS M 703 R2N1]
Ausschnitt aus einem Panorama der Stadt Prag von 1606, hg. vom Prager städtischen Museum, um 1890 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS M 703 R2N1]

Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war „ein europäischer Krieg, der vorwiegend auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches [Deutscher Nation] stattfand“, [1] aber auch auf Schauplätzen außerhalb des Alten Reichs konkurrierten die europäischen Mächte miteinander. Bei näherer Betrachtung des Dreißigjährigen Krieges zerfällt er in mehrere Teilkonflikte; dabei lassen sich vier grobe Kriegsphasen identifizieren, die jeweils nach den Gegnern des Kaisers benannt sind. Im Einzelnen sind dies (1) der Böhmisch-Pfälzische Krieg von 1618 bis 1623, (2) der Niedersächsisch-Dänische Krieg von 1625 bis 1629, (3) der Schwedische Krieg von 1630 bis 1635 und schließlich (4) der Schwedisch-Französische Krieg, der von 1635 bis zum Westfälischen Frieden 1648 andauerte. Kriegsphase (1) und (2) lassen sich dabei als „deutscher Krieg“, (3) und (4) als „europäischer Krieg“ verstehen.

Am Anfang des dreißig Jahre währenden Konflikts stand der (Zweite) Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 – dem waren Auseinandersetzungen zwischen den mehrheitlich protestantischen Ständen Böhmens und dem katholischen Kaiser vorausgegangen. Die evangelischen Stände sahen sowohl ihre Konfession als auch ihre politischen Rechte und Freiheiten bedroht. Angesichts dessen liegt es nahe, den Dreißigjährigen Krieg ausschließlich als einen Religions- bzw. Konfessionskrieg zu verstehen – diese Interpretation wird jedoch spätestens mit der vierten Kriegsphase, in der die katholischen Franzosen zusammen mit den protestantischen Schweden gegen den Kaiser kämpften, hinfällig. Dieser militärischen Allianz gegen den Kaiser ging eine Annäherungsphase voran, die die These des durchgängigen Konfessionskonflikts bereits früher erodieren lässt: Schon in der dritten Kriegsphase unterstützte Frankreich Schweden finanziell; in der zweiten vermittelte Kardinal Richelieu einen Frieden zwischen Polen und Schweden. Frankreich ermöglichte so erst den schwedischen Kriegseintritt. Der These widerspricht zudem der Befund, dass weder Sachsen, die protestantische Hauptmacht im Alten Reich, noch der Kaiser den konfessionellen Bündnissen (Liga und Union) beitraten. Zudem gab es eine gemäßigte lutherische Mittelgruppe, die das eine Mal zur calvinistischen Partei, das andere Mal zur kaiserlichen tendierte.

Aus einer anderen Perspektive wird der Dreißigjährig Krieg als europäischer Mächtekrieg gedeutet – lange vor dem Eingreifen Schwedens und Frankreichs.[2] So unterstützte Spanien bereits zu Beginn des Konflikts den Kaiser. Von Anfang an handelte es sich daher um einen europäischen Konflikt, dessen hauptsächlicher Schauplatz das Alte Reich war. Das Geschehen im Reich verband sich mit europäischen Schlüsselkonflikten – dem Achtzigjährigen Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden, dem anhaltenden Gegensatz zwischen Frankreich und Spanien, dem Kampf um die Vorherrschaft an und über die Ostsee zwischen Schweden und Dänen sowie dem „langen Türkenkrieg“ im europäischen Südosten. Unter dem Blickwinkel des europäischen Konflikts franst der Dreißigjährige Krieg an Anfang und Ende aus. Im Jahr 1618 begann kein europaweiter Konflikt – schon jahrelang gab es Krieg in Europa. 1648 wiederum brachte keinen europäischen Frieden: Der Konflikt zwischen Frankreich und Spanien ging weiter; er endet erst 1659 mit dem Pyrenäenfrieden. Diese Unschärfen führen zur Frage, weshalb dann von einem „Dreißigjährigen“ Krieg gesprochen wird?

Die Thesen eines Konfessionskonflikts und eines europäischen Mächtekriegs lassen sich – in Ansätzen – zusammenbringen: Der Dreißigjährige Krieg begann mit einem starken konfessionellen Moment in Böhmen und entwickelte sich zunehmend zum europäischen Mächtekrieg. Neben diesen beiden Ansätzen existiert eine weitere Interpretationslinie: Beim Dreißigjährigen Krieg handle es sich um einen Staatsbildungs- beziehungsweise Staatenbildungskonflikt.[3] Staatsbildung beschreibt hierbei einen innerterritorialen Prozess; Staatenbildung verweist auf die Entstehung und Anerkennung zwischenstaatlicher Verhältnisse – Ausdruck hiervon ist der Westfälische Friede von 1648: Die beteiligten Mächte rückten in den unterzeichneten Verträgen von ihren Maximalzielen ab und erkannten sich als gleichrangig an.

Der Dreißigjährige Krieg war ein einschneidender Konflikt – sowohl für das gesamte Alte Reich als auch für die südwestdeutschen Territorien. Um die Auswirkungen und Folgen des „großen Krieges“ zu verstehen, helfen Blicke auf die zentralen Ereignisse, auf die Friedensschlüsse und politischen Bündnisse und die daran beteiligten Persönlichkeiten. Zum besseren Verständnis des Konflikts lohnt die Betrachtung der militärischen Strukturen und der Umwelt der Zeitgenossen. Eine Zusammenschau über wichtige Quellengattungen rundet das Bild ab.

Anmerkungen

[1] Arndt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 18642), Stuttgart 2017, S. 12
[2] vgl. Kampmann, Christoph, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart 2013, S. 1
[3] vgl. Burkhardt, Johannes, Das größte Friedenswerk der Neuzeit. Der Westfälische Frieden in neuer Perspektive, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998), S. 594f; Burkhardt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt a. M. 2015 [ND 1992], S. 26

Literatur in Auswahl

  • Arndt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 18642), Stuttgart 2017.
  • Burkhardt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt a. M. 2015 [ND 1992].
  • Burkhardt, Johannes, Das größte Friedenswerk der Neuzeit. Der Westfälische Frieden in neuer Perspektive, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998), S. 592-612.
  • Kampmann, Christoph, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart 2013.

 

Zitierhinweis: Alexander Staib, Überblick, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 08.08.2022

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