Aufgaben eines Landesrabbiners

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 19. Januar 2023 in der Synagoge in Lörrach

Herr Flomenmann, Sie sind seit 2012 Landesrabbiner von Baden. Mich würde erst mal interessieren, was Ihre Aufgaben in dieser Funktion sind. Was macht ein Landesrabbiner?

Moshe Flomenmann: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Ein Landesrabbiner hat einen sehr vielfältigen Aufgabenbereich. Zunächst mal suche ich gemeinsam mit den Vorständen der jeweiligen Gemeinden - davon gibt es in Baden zehn - und mit dem Vorstand des Oberrats[1] nach den besten Lösungen, um die Gemeinden gut zu betreuen. Außerdem gibt es repräsentative Tätigkeiten, die ein Landesrabbiner wahrnehmen soll. In unserer heutigen Zeit ist es auch wichtig, moderne Methoden anzuwenden, um mehr Menschen in die Gemeinden zu bekommen, und nach neuen Ideen zu suchen. Denn die Gemeinden sind stets im Wandel. Es ist auch wichtig, dass man neue Konzepte erarbeitet, dass man gemeinsam mit den Vorständen und meinen Kollegen, den Rabbinern in Baden, nach guten Lösungen sucht, damit jüdisches Leben weiter gestärkt werden kann.

Was ist für Sie das Schöne an dieser Funktion? Gibt es Tätigkeiten, die Ihnen eine besondere Freude bereiten, die Sie mit besonders viel Herzblut ausführen?

Moshe Flomenmann: Alle Tätigkeiten bereiten mir große Freude. Sonst würde ich es auch nicht machen. Was mir am meisten Freude bereitet, ist mit Menschen zusammenzutreffen, so wie Sie heute hier sind. Neue Menschen kennenzulernen, interessante Sachen zu sehen und gemeinsam auch zu sehen, dass man etwas bewirken kann, was das jüdische Leben stärker macht. Das alles macht mir eine außerordentlich große Freude und das mache ich seit über zehn Jahren, wie Sie richtig gesagt haben. Ich mache das mit demselben Enthusiasmus wie am ersten Tag.

Sie kümmern sich gemeinsam mit den Rabbinern in den Gemeinden darum, das jüdische Leben zu stärken. Welche anderen Schwerpunkte sehen Sie gerade auch für die nächsten Jahre?

Moshe Flomenmann: Für die nächsten Jahre sehe ich folgende Schwerpunkte: Einmal die Digitalisierung in den Gemeinden. Ich glaube, Corona hat uns gezeigt, dass sehr schnell von heute auf morgen, von heute auf heute, etwas passieren kann. Die Gemeinden können wegen einer Pandemie oder wegen anderen Gefährdungssituationen plötzlich geschlossen werden. Dann ist es wichtig, mit den Gemeindemitgliedern weiterhin Kontakt zu pflegen. Ich glaube, wir haben das bestens gemeistert, wenn ich das so sagen darf. Wir haben Videokonferenzen vor dem Schabbat veranstaltet – am Schabbat darf man keinen Computer und andere Geräte benutzen.

Ich habe zum Beispiel Videokonferenzen mit Gottesdiensten gestreamt. Ich habe Vorträge über Facebook und über andere Kanäle organisiert und gehalten. Wir haben Menschen Pakete nach Hause geliefert. Das heißt, es ist wichtig, dass die Menschen mitbekommen, auch in dieser schwierigen Zeit kümmert sich die Gemeinde um uns. Es ist wichtig, jetzt eine richtige Strategie zu erarbeiten, damit, wenn so ein Fall nochmal auftreten sollte, die Gemeinden sicher sein können, dass sie weiterhin gut betreut werden.

Die Digitalisierung spielt also schon eine herausragende Rolle. Aber auch der Krieg. Wir sehen viele Flüchtlinge, jüdische Menschen, die aus der Ukraine kommen. Diese Menschen zu integrieren, das ist auch keine leichte Aufgabe. Außerdem glaube ich, ist es auch wichtig, die jungen Menschen an die Gemeinden zu binden. Es wird viel gemacht, viel unternommen und es gibt schon viele junge Leute, die in die Gemeinden kommen.

Es ist auch mein Anliegen, die Menschen mittleren Alters in die Gemeinden zu integrieren. Man kümmert sich in den jüdischen Gemeinden deutschlandweit oft um Kinder, Jugendliche und Senioren. Aber die Altersgruppe der 30-jährigen bis 60-jährigen – Familien, junge Familien – wird irgendwie außer Acht gelassen. Von daher ist es mein Anliegen, auch diese Menschen in die Gemeinden zu bringen. Auch sie sollen sich in der Gemeinde wohlfühlen. Man muss sich auch die Frage stellen, was kann eine Gemeinde für Menschen dieser Altersgruppe bieten? Was kann man Interessantes anbieten? Das können wir gemeinsam mit den Kollegen und mit den Vorständen erarbeiten.

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Moshe Flomenmann ist seit 2012 Landesrabbiner der IRG Baden und seit 2021 Polizeirabbiner des Landes Baden-Württemberg mit Zuständigkeit für den badischen Landesteil.

Anmerkungen

[1] Der Oberrat ist das oberste Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG Baden).

Zitierhinweis: Moshe Flomenmann/Eva Rincke, Interview mit dem Landesrabbiner der IRG Baden, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 15.05.2023.

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