Aufgaben eines Polizeirabbiners

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 19. Januar 2023 in der Synagoge in Lörrach

Sie haben neben Ihrer Aufgabe als Landesrabbiner noch eine weitere Funktion: Sie sind Polizeirabbiner von Baden-Württemberg. Können Sie uns erklären, was Sie in dieser Funktion machen, was da Ihre Aufgaben sind?

Moshe Flomenmann: Ich bin Polizeirabbiner von Baden-Württemberg mit Zuständigkeitsbereich Baden. Wie auch in meiner Funktion als Landesrabbiner geht es dabei weniger um Seelsorge. Es geht mehr um Organisatorisches und um informative Aufgaben. Ich finde es sehr spannend, sehr interessant. Man sieht sofort die Wirkung, nachdem man vor Polizisten gesprochen hat. Wenn man also die Fragen, die sie stellen, beantwortet hat, sieht man ganz andere Gesichter. Das macht mir eine besondere Freude.

Meine Aufgabe als Polizeirabbiner ist eine dreifache Aufgabe. Wichtig wahrzunehmen ist Folgendes: Erstens informativ, das heißt: Mitwirkung bei der Ausbildung von angehenden Polizistinnen und Polizisten. Zweitens Vertrauensperson der Polizei zu sein und drittens Ansprechpartner für die Polizei zu sein für das, was die jüdische Religion betrifft.

Ich kümmere mich nicht um Gebäudesicherung oder um Sicherheitskonzepte. Das ist nicht unbedingt meine Aufgabe. Aber Polizisten stehen vor einer Synagoge, sie bewachen eine Synagoge als Objektschutz. Oft wissen sie selbst nicht, was eine Synagoge ist. Oft werden Synagogen mit Moscheen verwechselt. Oft werden Fragen gestellt, wie: Was muss man beachten? Menschen haben immer Angst, etwas falsch zu machen. Genau dafür bin ich da, um all diese Fragen zu beantworten, um Menschen dieses Unsicherheitsgefühl zu nehmen, damit sie sehen, sie können nichts falsch machen. Und eine Synagoge? Das ist zwar einerseits ein Gotteshaus, wo Menschen beten, aber es ist auch ein Versammlungsort. Das heißt auf Hebräisch „Bet Knesset“, Haus der Versammlung – Synagoge ist ein griechisches Wort – und Menschen kommen für sozialen Austausch hierher, um miteinander zu reden. Wir haben eine Bibliothek, wir machen Konzerte, soziale Betreuung. Von daher ist es wichtig, dass die Polizisten verstehen: In der Synagoge ist nicht nur wie in einer Kirche Gebet, sondern es gibt in der Synagoge jeden Tag viel mehr Leben, verschiedene Clubs, Seniorenclubs, Frauenclub, Kindertreff und so weiter.

Ich war im Dezember 2022 mit Polizisten zu einer Führung in drei verschiedenen Synagogen in Karlsruhe, Mannheim und Freiburg. Die kamen aus der jeweiligen Polizeischule zu mir in die Synagoge und wir haben dort eine Führung gemacht. Es wurden viele Fragen gestellt. Ich bin auch nach Lahr und Bruchsal gereist, zu den zwei Polizeischulen bei uns in Baden. Es ist spannend zu sehen, dass Menschen Fragen stellen. Das ist das Wichtigste: Durch Fragen kann man etwas nachvollziehen und verstehen. Ich sehe, dass die Polizistinnen und Polizisten aus einer Synagoge rausgehen und ein ganz anderes Gesicht haben, weil sie verstehen. Das ist nicht mehr fremd. Genau das ist unser Ziel, dass die Menschen wissen, was eine Synagoge ist. Was findet hinter diesen Mauern statt, vor welchen sie als Objektschutz stehen? Es ist auch wichtig, dass sie mehr von diesem Leben verstehen. Wenn sie mehr verstehen, können sie auch Ihre Arbeit als Polizistinnen und Polizisten besser optimieren.

Wenn ich sehe, dass 400 angehende Polizistinnen und Polizisten durch diese zwei Wochen ihre Meinung geändert haben, beziehungsweise sich überhaupt eine Meinung über das Judentum gebildet haben, dann freut es mich außerordentlich. Ein sofortiges Resultat, eine Wirkung – manche Menschen brauchen jahrelang, um eine Wirkung zu sehen. Hier sehe ich innerhalb von 90 Minuten eine konkrete Wirkung und das freut mich.

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Moshe Flomenmann ist seit 2012 Landesrabbiner der IRG Baden und seit 2021 Polizeirabbiner des Landes Baden-Württemberg mit Zuständigkeit für den badischen Landesteil.

Zitierhinweis: Moshe Flomenmann/Eva Rincke, Interview mit dem Landesrabbiner der IRG Baden, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 15.05.2023.

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