Anschläge auf das Gemeindezentrum 2021

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 29. September 2022

Gibt es ein Erlebnis in Ihrer Zeit als Vorsitzende, das sich besonders eingeprägt hat?

Rita Althausen: Ein einschneidendes Erlebnis waren natürlich die Anschläge auf das Gemeindezentrum. Das hatten wir in den ganzen dreißig Jahren nicht. Das Gemeindezentrum ist jetzt 35 Jahre alt, aber im 34. Jahr erfolgten drei Anschläge. Das fand ich entsetzlich. Das hätte ich nie gedacht. Antisemitismus gibt es in dieser Gesellschaft, er tritt verstärkt auf und ist inzwischen salonfähig und in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Diese drei Anschläge waren offensichtlich – oder für mich ganz eindeutig – antisemitisch. Denn keiner kann mir sagen, dass diejenigen, die das verübt haben, nicht wussten, dass es sich um ein jüdisches Gemeindezentrum handelt. Wir haben viele Sympathiebekundungen und Solidarität erfahren. Von den religiösen Gemeinschaften, von den Muslimen, von den christlichen Kirchen. Dafür sind wir wirklich dankbar. Alle fanden diesen Anschlag abscheulich, verwerflich – da fehlen einem förmlich die Worte. Die Täter sind bis heute nicht ermittelt. Leider. Wir hoffen, dass das nie mehr geschehen wird. Das war in meiner Zeit als Vorstand ein Ereignis, das ich nie mehr vergessen werde.

Zum Glück ist kein Mensch zu Schaden gekommen, wofür wir dankbar sind. Am Gebäudekomplex entstanden Schäden. Die Angriffe sind durchaus als Zeichen zu werten, die jüdische Gemeinschaft hier zu treffen. Das war ein Einschnitt, den ich mir nicht in den schlimmsten Albträumen hätte vorstellen können. Aber ich muss auch sagen: Unsere Mitglieder sind damit vernünftig umgegangen. Sie haben sich nicht abschrecken lassen. Sie nahmen weiterhin am Gemeindeleben teil. Natürlich waren sie sich auch der Tragweite bewusst. Es wurden Gespräche mit Vertretern aus der Politik geführt. Mit Bundestags-, Landtagsabgeordneten, mit dem Oberbürgermeister, mit verschiedenen Stadträten. Unsere Mitglieder nahmen die Anschläge natürlich schon als sehr bedrückend wahr. Aber sie zeigen weiterhin ihr Gesicht. Das ist wichtig. Man muss deutlich machen, dass man wieder da ist. Wenn man sich zurückzieht, dann haben die anderen gewonnen. Und das wollen wir nicht.

Rita Althausen war zwischen 2019 und 2022 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mannheim. Sie ist seit vielen Jahren Delegierte im Oberrat der IRG Baden und aktuell Beisitzerin im Vorstand der IRG Baden.

Zitierhinweis: Rita Althausen/Eva Rincke, Interview mit Rita Althausen, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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