Aufhausen

Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Lauchheimer Str. 21 auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO XXXIV 82 von 1829. Während der Pogrome Ende 1938 wurde das Gebäude, schon der Gemeinde Aufhausen unterstellt, schwer beschädigt, anschließend nochmals verkauft und großenteils abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 2948]
Bereich um den Standort der Synagoge in der heutigen Lauchheimer Str. 21 auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO XXXIV 82 von 1829. Während der Pogrome Ende 1938 wurde das Gebäude, schon der Gemeinde Aufhausen unterstellt, schwer beschädigt, anschließend nochmals verkauft und großenteils abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 2948]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf gehörte bis Ende des 16. Jahrhunderts den Schenken von Schenkenstein, einem Zweig der oettingischen Schenken von Ehringen. Deren Erben, die Herren von Gundelsheim, verkauften Aufhausen 1613 an die Grafen von Oettingen, die auch die ansbachischen und ellwangischen Lehensrechte im Dorf an sich brachten. 1806 fiel Aufhausen an Bayern, 1810 an Württemberg.

Bereits die Schenken von Schenkenstein nahmen hier Juden auf. 1560 ist in einem Rechtshandel ein Jude Abraham erwähnt. Aus den Nördlinger Meßgeleitbüchern sind die Namen einer Reihe von Juden bekannt, die zwischen 1587 und 1600 in Aufhausen wohnhaft waren: unter anderem Koppel, Ihelin-Jhele, Jemondlin, Götz, Hirsch, Lazarus, Salomon, Gütlin, Blemli-Blümlin, Bela, Hindlin - Händelin, Reichlin - Rehlin, Magdalena. Mit der Erwerbung des Dorfes durch Oettingen kamen die Juden unter oettingischen Schirm, der ihnen in der Folge nur einmal entzogen wurde: 1659 wies die Gräfin-Witwe Isabelle Eleonore von Oettingen(-Baldern) die hier und in Oberdorf ansässigen jüdischen Schirmverwandten aus. Seit 1686 lassen sich wieder Juden in Aufhausen nachweisen.

Die jüdische Gemeinde errichtete 1730 eine Synagoge, die sie 1777 durch einen Neubau ersetzte. Sie hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen eigenen Rabbiner, unterstand dann vorübergehend dem Rabbiner des Deutschordens-Städtchens Lauch­heim, bis dieses Verhältnis auf herrschaftlichen Befehl gelöst werden musste. 1753 erhielt der Oettinger Rabbiner Benjamin Levi die Erlaubnis, die Aufhauser Ge­meinde mitzuversehen. 1730 wurde die hiesige Judenschaft als sehr arm bezeichnet. Die Schutzbriefe in der letzten Zeit der oettingischen Herrschaft verlangten daher den Nachweis eines bestimmten Vermögens: 1806 von den Söhnen einheimischer Juden 600 Gulden, von Auswärtigen, die den Schutz begehrten, 1.000 Gulden.

An Abgaben beanspruchte die Herrschaft ein jährliches Schutz- oder Herbergs­geld, das 1806 pro Familie 8 Gulden betrug, außerdem ein Kleppergeld und ein Gänse­geld in Höhe von insgesamt 25 Gulden beziehungsweise 3 Gulden (1806). Statt des Kleppergelds und des Gänsegelds hatten die Juden ursprünglich eines oder mehrere Reitpferde sowie eine Anzahl Martinigänse liefern müssen. Zusätzliche Einnahmen verschafften sich die Grafen beziehungsweise Fürsten von Oettingen durch die Erneuerung der Schutzbriefe, die jeweils nur wenige Jahre Gültigkeit hatten. Für die Ausstellung beziehungsweise die Neuaus­fertigung eines Schutzbriefes hatten die Juden erhebliche Summen als sogenannte Schutzlosungskonsensgelder aufzubringen. Sie beliefen sich Ende des 18. Jahrhunderts auf eine Familie umgerechnet im Jahr durchschnittlich auf 1 Gulden 40 Kreutzer. Der Schutz war auf eine bestimmte Zahl von Familien beschränkt. Die Herrschaft erlaubte aber gelegentlich dem Vorsteher, einige „Supernumerarii" über die schutzbriefmäßige oder Matrikelzahl hinaus anzunehmen. Die „Supernumerarii" waren häufig ver­heiratete Söhne und Töchter von Schutzverwandten, die nach dem Tod des Vaters oder dem Absterben einer Familie in die Matrikelzahl einrückten. Für die Begrün­dung eines Hauswesens und die Aufnahme in den Schutz war ein Konsensgeld zu entrichten.

Die israelitische Gemeinde Aufhausen, die 1806 36 Familien umfasste, erlebte ihre Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: 1812 204 Mitglieder, 1824 234, 1831 276, 1843 328, 1854 378. 1822/23 errichtete sie ein neues Gotteshaus. Wenig später begründete sie eine israelitische Volksschule, die noch 1872 bestand. Die jüdischen Bürger lebten im 19. Jahrhundert, wie bereits früher, vornehmlich vom Handel mit Vieh und Getreide sowie mit Rauchwaren und vom Hausier­gewerbe. Während die Vermögensverhältnisse der christlichen Einwohner, von einigen Mühlenbesitzern abgesehen, noch 1870 wenig günstig waren, hatte es ein Teil der Juden zu bescheidenem Wohlstand gebracht.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Ein­wohner durch Abwanderungen in die Städte und durch Auswanderungen nach Amerika rasch zurück: 1869 211, 1886 107, 1900 56 und 1910 15. 1925 wurde die israelitische Gemeinde, die seit 1832 dem Rabbinat Oberdorf unterstellt gewesen war, aufgelöst, die Synagoge geschlossen und verkauft. An ihrer Stelle steht heute ein Bauernhaus. Von den fünf jüdischen Bürgern, die 1933 noch in Aufhausen lebten, sind Alfred Wassermann (geb. 1884), Ida Wassermann (geb. 1893) und Justine Wassermann (geb. 1856) in der Deportation umgekommen, Isaak Wasser­mann (geb. 1892) fiel 1940 den Euthanasiemorden in Grafeneck zum Opfer. Nur Sophie Wassermann (geb. 1903) konnte 1939 noch nach England auswandern.

In Aufhausen wurde 1817 Gabriel Heß geboren, der sich als Industrieller in Paris einen Namen machte. Nach Mitteilung eines früheren jüdischen Bürgers von Oberdorf ist die Großbrauerei „Rheingold" in New York im Besitz der Familie Liebmann, die aus Aufhausen stammt. Oberlehrer Leopold Liebmann (1805-1893) war einer der tüchtigsten israelitischen Pädagogen des 19. Jahrhunderts in Würt­temberg. Er leitete viele Jahre das Jüdische Waisenhaus Esslingen.

Auf dem unterhalb der Ruine Schenkenstein in einem idyllischen Waldtal gele­genen Friedhof haben die Aufhauser Juden seit der zweiten Hälfte des 16. Jahr­hunderts bis herein ins 20. Jahrhundert ihre letzte Ruhestätte gefunden. Als 1658 die Juden aus Baldern vertrieben wurden, nahmen sie die Grabsteine ihrer Toten mit und richteten sie auf dem Aufhauser Friedhof wieder auf. Ein Teil jener damals vertriebenen Juden fand in der Deutschordens-Stadt Lauchheim Aufnahme und begründete dort die bis Anfang des 20. Jahrhunderts blühende Gemeinde. Die Lauchheimer Juden durften seit 1665 ihre Toten gegen eine Gebühr von 1 Gulden für einen Erwachsenen und von ½ Gulden für ein Kind auf dem hiesigen Friedhof bei­ setzen. Im 19. und 20. Jahrhundert haben außer den Lauchheimer auch die Ellwan­ger und etliche Bopfinger Juden den Friedhof zu ihrem „guten Ort" gewählt. So ruhen hier der Philanthrop Isaak Heß (gest. 1866), einer der bekanntesten Anti­quare und Buchhändler des 19. Jahrhunderts (Ellwangen), und der auch heute noch unvergessene Bopfinger Stadtarzt Dr. Benedikt (gest. 1930).

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Neresheim, 1872.
  • Bilder von der Synagoge und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 53-55.
  • Müller, L.,  Aus fünf Jahrhunderten. Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Riess, in: Zeitschrift des Hist. Vereins für Schwaben und Neuburg, 26. Jg., 1899.

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Aufhausen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Laurentzsch, Ursula, Zur Geschichte der Judengemeinde Aufhausen bei Bopfingen. Zulassungsarbeit zur 1. Dienstprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen im Frühjahr 1978 an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, 1978.
  • Sutschek, Felix/Hildebrand, Bernhard, Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis in der ehemaligen Synagoge Bopfingen-Oberdorf, Bopfingen 2004.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 33-34.
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