Bad Buchau mit Kappel

Als Besonderheit verfügte die Synagoge in Buchau über einen kleinen Glockenturm. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 trotz des Eingreifens nichtjüdischer Einwohner durch Inbrandsetzung und anschließende Sprengung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 32]
Als Besonderheit verfügte die Synagoge in Buchau über einen kleinen Glockenturm. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 trotz des Eingreifens nichtjüdischer Einwohner durch Inbrandsetzung und anschließende Sprengung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 32]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Nach einem 1577 zwischen der Stadt und dem Stift Buchau geschlossenen Vertrag lebten damals in der kleinen Reichsstadt Juden, die wohl kurz zuvor für eine bestimmte Zeit aufgenommen worden waren. Der Überlieferung nach sollen sie aus Grundsheim gekommen sein. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt nahezu entvölkert. Über das Schicksal der jüdischen Einwohner schweigen die Quellen. Erst 1659 ist wieder von ihnen die Rede, als Moyses Israel und Abraham, Juden aus Aulendorf und Buchau, im Auftrag ihrer beiden Gemeinden sowie der Juden in Mittelbiberach mit der Stadt Buchau, der Gemeinde Kappel und dem Stift Buchau wegen des Kaufs eines Gemeinplätzchens in dem Kutzenwinkel der Insel bei Kappel zur Erweiterung ihres Friedhofs verhandelten. Der Friedhof hinter Kappel ist der Begräbnisplatz der Buchauer Juden bis ins 20. Jahrhundert geblieben. Der letzte Vorstand der jüdischen Gemeinde, der 1961 in Amerika verstorbene Konditormeister Moritz Vierfelder, hat durch Grabungen in den zwanziger und dreißiger Jahren nachweisen können, dass einzelne Grabplätze wiederholt belegt worden waren (Beisetzungen in mehreren Schichten übereinander): Da den Juden aus religiösen Gründen verboten war, ihre Toten wieder auszugraben, und der Friedhof bald zu klein wurde, verfielen sie auf diesen eigenartigen Ausweg. Vierfelder fand auch Grabsteine, die möglicherweise bis in die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg zurückreichen. Sie sind heute noch vorhanden und haben an einem gesonderten Ort unter Haselgesträuch einen Ehrenplatz erhalten.

Die jüdische Gemeinde Buchau muss 1659 schon so groß gewesen sein, dass die Juden in Aulendorf (ausgewiesen 1693) und Mittelbiberach (Schicksal unbekannt) ihre Vorrangstellung anerkannten und die Toten hier beisetzten. 1665 fand Baruch Moses Ainstein aus Wangen am Untersee Aufnahme in die Reichsstadt . Das Ratsprotokoll vom 16. März jenes Jahres legte fest, zu welchen Bedingungen er den städtischen Schutz erhielt: Er hatte jährlich 12 Gulden Schutzgeld zu entrichten, durfte nach den Vorschriften seiner Religion leben, soweit diese dem Rat nicht zum Nachteil gereichten, mit Pferden und Krämerwaren handeln, für seine Haushaltung in der städtischen „Metzg" nach jüdisch-ritueller Weise schächten. Für gestohlene Waren, die er unwissentlich gekauft hatte, musste ihm der Eigentümer den Kaufpreis ersetzen. Der Rat behielt sich vor, Baruch Mosis jederzeit wieder „abzuschaffen und auszubieten". Dazu kam es aber nie. Die Familie Einstein wurde in Buchau bodenständig und blieb es. Ihr entstammt der berühmte Physiker Albert Einstein, der Entdecker der Relativitätstheorie , der am 14. März 1879 in Ulm geboren wurde; dorthin war sein Großvater Abraham Ruppert Einstein 1868 übergesiedelt. Ein Vetter von Albert Einstein, Siegbert Einstein, der die Verfolgungszeit 1933 bis 1945 überlebte, war nach dem Zweiten Weltkrieg Bürgermeister von Buchau.

Die Juden mussten bis 1822 in der ihnen zugewiesenen Judengasse wohnen. Sie durften mit ihrem Vieh die städtische Weide benutzen. Damit aber die Bürger und andere Gemeindsleute ihres Triebs und Tratts halber nicht beschwert wurden, durfte nach einer Vereinbarung zwischen Stadt und Stift von 1705 eine jede jüdische Familie nur ein Ross, eine Kuh und eine Geiß auf die Weide treiben. 1751 wurde die Aufnahmegebühr je Familie von zeitweise 75 Gulden wieder auf 100 Gulden erhöht. Nach den damaligen Bestimmungen sollten höchstens 44 bis 45 Familien in den Schutz aufgenommen werden. Als jährliches Schutzgeld hatte jede Familie 20, später 16 und schließlich 12 Gulden zu bezahlen. Für die Benützung des Friedhofs musste die jüdische Gemeinde eine jährliche Abgabe von insgesamt 3 Gulden teils an die Stadt, teils an die Gemeinde Kappel (seit 1787 an die Stadt allein) entrichten. Für die Beerdigung eines Erwachsenen erhoben die Stadt und die Gemeinde Kappel außerdem je 1½ Gulden, für ein Kind 1 Gulden.

Der Schutz, den die Stadt den Juden gewährte, war ein persönlicher und unvererblicher. Die Kinder eines Schutzjuden hatten keinen Anspruch auf Aufnahme in den Schutz der Reichsstadt. Der Handel der Juden, der auf bestimmte Distrikte in der Umgebung beschränkt war, wurde von der Stadt überwacht. Auf der anderen Seite ließen die auswärtigen Herrschaften die Handelstätigkeit der Buchauer Juden nur gegen jährliche Abgaben zu: Biberach erhob 20 Gulden und gestattete dafür, dass sich die Juden einen Tag von morgens bis abends, jedoch nicht während der Nacht in der Stadt aufhielten; Wolfegg verlangte ebenfalls 20 Gulden Schuldverschreibungen und Kaufverträge mit Christen mussten mit Ausnahme von Grundstückskontrakten vor dem Oberamt geschlossen werden. Die Buchauer Judengemeinde hat bis herein ins 19. Jahrhundert infolge der hohen Abgaben an die Stadt in großer Armut gelebt. Bezeichnenderweise hatte sie sich „in solidum" im Jahr 1794 für ein Darlehen von nur 30 Gulden zu verbürgen. 1807 besaßen von den 70 Familien 8 keine eigene Behausung, die übrigen 62 aber meist bloß die Hälfte, ein Drittel oder gar nur ein Fünftel eines Hauses. Noch 1808 betrieb hier kein Jude ein Gewerbe. Die kleine Reichsstadt hatte ein vorwiegend finanzielles Interesse an ihren jüdischen Einwohnern. 1803 waren die Juden beispielsweise mit 1.377 Gulden an den städtischen Gesamteinnahmen von 5.490 Gulden beteiligt.

In Fragen der Religion und des Kultus hatte die Stadt der jüdischen Gemeinde schon im 18. Jahrhundert weitgehend freie Hand gelassen. Die Gemeinde durfte ihren Rabbiner und ihre beiden Vorsteher (Parnosse) frei wählen und hatte nur bei der Stadt um die Bestätigung der Gewählten nachzusuchen. Der Rabbiner konnte ohne schwerwiegende Gründe seines Amtes nicht entsetzt werden. Er entschied (zum Teil unter Mitwirkung der Parnosse) in religiösen und zeremoniellen Angelegenheiten, verhängte Strafen und sprach den Bannfluch aus; er war für alle Ehescheidungssachen seiner Gemeinde zuständig. Er schlichtete zusammen mit den Parnossen die Rechtsstreitigkeiten unter den Juden, übte die freiwillige Gerichtsbarkeit aus, setzte Vormundschaften und Pflegschaften ein. Den städtischen Gerichten war die Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Christen und Juden sowie in Schuld- und Konkursfällen, in Polizei- und Strafsachen der Juden vorbehalten. Aus den Jahren 1765 und 1785 stammen die sogenannten Judenartikel, vom 1. Januar 1794 die „Schutzartikel und Verwaltungsbriefe für die Reichsstadt Buchauische Judenschaft".

Bis 1760 war die jüdische Gemeinde zur Abhaltung ihrer jüdischen Gottesdienste in Betstuben zusammengekommen. Eine davon befand sich im Giebeldach eines Privathauses. Im Jahr 1760 erlaubte die Stadt die Errichtung einer kleinen Synagoge. 1731 stellte die Gemeinde in der Person des Rabbiners Hirsch von Deggingen im Ries ihren ersten Rabbiner an. In einem ausführlichen Vertrag wurden seine Rechte und Pflichten festgelegt. Einen Befähigungsnachweis zum Rabbineramt musste er vom Rabbinat Öttingen beibringen. Rabbiner Hirsch hatte außer dem Rabbiner- und Vorsängeramt den Kindern Unterricht zu erteilen und den Schächterdienst zu versehen.

Buchau war die einzige schwäbische Reichsstadt, in der vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des alten Reiches ununterbrochen Juden ansässig waren. Im Gebiet des benachbarten Reichsstifts durften sich dagegen erst im Jahr 1793 auf Bitten der sehr bedrückten Buchauer Judengemeinde 12 Familien niederlassen. Zuvor hatte das Stift immer wieder die Buchauer Juden, die sein Territorium passierten oder hier Handel trieben, zu Abgaben herangezogen bzw. heranzuziehen gesucht (zum Beispiel 1705 Streit zwischen Stift und Stadt wegen eines sogenannten Konduktgeldes der Juden zu „deren besserer Sekurität"). Die Aufnahme von Juden begründete die Fürstäbtissin im Geist der Aufklärung damit, dass das Stift an der „sittlichen und politischen Verbesserung einer bereits in allen christlichen Ländern mehr als ehemals tolerierten Nation" mitwirken wolle. Jede Familie musste dem Stift ein jährliches Schutzgeld von 12 Gulden entrichten. Der Gemeinde Kappel bezahlten die Juden für Fronen und Abgaben insgesamt 12 Gulden, der Landschaftskasse des Stifts 30 Gulden, wofür sie vom Militärdienst, von Einquartierung und Vorspann befreit waren. Sie kauften Bauplätze in Ziegelgarten und errichteten 1802 auf dem Burren eine Synagoge. Ihre Toten begruben sie auf dem Buchauer Judenfriedhof, jedoch bis 1850 in einem abgesonderten Teil.

Mit dem Ende der Reichsstadt besserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse. Bereits 1813 konnten die Juden in Buchau und Kappel eine Spende von 40 Gulden für verwundete Soldaten übergeben. Nach 1820 entstanden die ersten Kaufläden; 1841 waren es bereits 11. 1822 ließen sich trotz des Protests der Bürgerschaft zwei Juden in der Hauptstraße nieder. Der Hausierhandel zu Fuß in der Umgebung trat hinter dem Handel en gros mit Tuch, Ellenwaren, Leder-, Seidenwaren, mit Pferden und Vieh zurück. Immer größere Bedeutung erlangte auch der Güter- und Immobilienhandel. Jüdische Unternehmer gründeten die ersten Industriebetriebe vornehmlich in der Textilbranche. Die bedeutendste Firma war die 1840 entstandene Hermann Moos AG, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bereits mehrere hundert Personen beschäftigte. Sie wurde wie die anderen jüdischen Betriebe in der Zeit des Nationalsozialismus „arisiert". Die Juden waren bis ins 20. Jahrhundert mit die wichtigsten Steuerzahler der Stadt.

1838 errichtete die jüdische Gemeinde Buchau eine neue geräumige Synagoge für rund 23.000 Gulden, wozu König Wilhelm von Württemberg 800 Gulden und Fürst Maximilian von Thurn und Taxis 300 Gulden beisteuerten.

Von 1770 bis 1803 durften die jüdischen Kinder die Normalschule des Stifts besuchen, seit 1803 die Stadtschule. Den Unterricht in Hebräisch erteilte ein Privatlehrer. 1826 konnte dank der Bemühungen der Gemeindevorsteher eine israelitische Elementarschule eröffnet werden, die 1840 öffentliche Anstalt wurde. Zum Lehrer wurde Leopold Lammfromm aus Oberdorf berufen, der als erster Jude das Esslinger Lehrerseminar absolviert hatte; während seiner Ausbildung hatte er aus der Privatschatulle König Wilhelms ein Stipendium von 75 Gulden erhalten. Bereits 1826 erbaute die jüdische Gemeinde ein eigenes Schulhaus. 1860 besuchten die inzwischen zweiklassige Schule 112 Kinder. Seit 1882 wieder einklassig, wurde sie 1924 - die Schülerzahl war auf 10 zurückgegangen - als öffentliche Anstalt aufgehoben, aber bis 1938 als freiwillige israelitische Konfessions- beziehungsweise Privatschule weitergeführt. Zwischen 1835 und 1867 besaß auch Kappel eine eigene israelitische Schule.

Die Gemeinde nahm in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungemein rasch zu und war zeitweise die zweitgrößte jüdische Gemeinde Württembergs. 1807 lebten in Buchau 345 Juden, 1824 504, 1831 580, 1843 625, 1854 724. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat eine rückläufige Bewegung ein: 1869 677, 1886 373, 1900 290, 1910 242, 1933 162 Juden. In Kappel wohnten 1807 52 Juden, 1824 108, 1831 113, 1843 155, 1869 63, 1886 23; um 1910 waren alle Juden abgewandert. 1873 wurde die israelitische Gemeinde Kappel mit Buchau vereinigt, 1882 ihre Synagoge abgebrochen.

Die jüdische Gemeinde Buchau war wegen ihrer in Deutschland einzigartigen Glockensynagoge berühmt. Den Schulklopfer, der in den jüdischen Gemeinden zum Gottesdienst rief, hatte man hier nach dem Vorbild christlicher Gotteshäuser durch ein Glockenspiel und später durch eine Glocke ersetzt. Das religiöse Leben der Gemeinde war überaus rege. Bis in die Zeit des Nationalsozialismus bestanden mehrere Wohltätigkeitsvereine (Armenverein, Privater Wohltätigkeitsverein, Israelitischer Frauenverein) und der Gesangverein Harmonie". Neben dem Centralverein der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens und dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten besaß auch die Zionistische Vereinigung für Deutschland hier schon früh eine Ortsgruppe. Der letzte der 12 Rabbiner, die von 1731 bis 1939 in Buchau amtierten, Dr. Abraham Schlesinger, hatte sich der zionistischen Bewegung angeschlossen und unermüdlich für sie unter den assimilierten württembergischen Juden geworben. Das Rabbinat Buchau umfasste im 19. Jahrhundert Buchau und Kappel, im 20. Jahrhundert Buchau und Buttenhausen. Die jüdische Gemeinde musste im August 1939 aufgelöst werden. Mit ihr fand auch das Rabbinat ein Ende.

Im Ersten Weltkrieg waren fünf Angehörige der jüdischen Gemeinde gefallen, einige mit hohen Auszeichnungen aus dem Feld zurückgekehrt.

Das Verhältnis zwischen jüdischen und christlichen Bürgern war gut. Juden saßen im Gemeinderat und im Vorstand der örtlichen Vereine. Der Nationalsozialismus tat sich anfänglich schwer, die nichtjüdische Bevölkerung zum Rassenhass aufzuputschen. Noch im März 1937 schrieb die nationalsozialistische Zeitschrift „Flammenzeichen": „ ... Das Judendienertum, das wir als Verrat am deutschen Volke bezeichnen müssen, wird vor allem in dem schwunghaften Handel zwischen Juden und Buchauer Volksgenossen sichtbar. Da wird gekauft und verkauft, getauscht und geschachert, und die Freundschaft hat schier keine Grenzen. Da hilft keine Verwarnung, kein Abmahnen, und keine jüdische Beerdigung geht vorbei, ohne dass ein paar Buchauer mit ihren Gattinnen im jüdischen Leichenzuge mit wandeln und vor Trauer über das Ableben einer Jüdin oder eines Juden beinahe den Verstand verlieren... "

In der Nacht zum 10. November 1938 zündeten SA-Leute aus Ochsenhausen auf Weisung des Ulmer SA-Brigadeführers H. die Buchauer Synagoge an. Der Brand wurde jedoch rechtzeitig bemerkt und gemeinsam von Christen und Juden gelöscht. SA-Brigadeführer H. setzte gegen den anfänglichen Widerstand des Kreisleiters in Saulgau durch, dass die Synagoge durch SA-Leute aus Ochsenhausen und Saulgau in der folgenden Nacht nochmals in Brand gesteckt wurde. Sie brannte diesmal bis auf die Grundmauern nieder. Der Buchauer Ortsgruppenleiter Sch., ein fanatischer Judengegner, hatte mit dem Spazierstock den Kandelaber in der Synagoge heruntergeschlagen. Die Umfassungsmauern des Gotteshauses wurden in den folgenden Wochen durch Ulmer Pioniere gesprengt. Die jüdische Gemeinde schenkte den Platz, auf dem die Synagoge gestanden hatte, der Stadt. Diese musste jedoch die Schenkung auf Anordnung des württembergischen Innenministers wieder rückgängig machen, da eine solche Schenkung „mit den rassischen Grundsätzen des nationalsozialistischen Staates unvereinbar" war. In den Jahren 1939 bis 1941 organisierte der Ortsgruppenleiter wiederholt Ausschreitungen durch Parteimitglieder und Hitlerjugend gegen Juden: Fenster wurden eingeworfen, Türen und Dachrinnen an jüdischen Häusern beschädigt, mehr als 100 Grabsteine auf dem Friedhof umgeworfen, Juden auf den Straßen misshandelt. Nach der Aufführung des Films „Jud Süß" im November 1940 errichteten Angehörige der Hitlerjugend auf dem Platz der Synagoge einen Galgen und hängten eine einen Juden darstellende Puppe daran.

Etwa die Hälfte der 1933 in Buchau wohnhaften Juden wanderte bis 1941 nach den USA, nach Palästina und in andere Staaten aus, 37 verstarben in Buchau. Die Buchauer Juden, die in Amerika Zuflucht gefunden hatten, schufen sich unter Leitung von Moritz Vierfelder eine Vereinigung Buchauer Juden und gaben zeitweise eine Art Zeitung heraus, die Buchauer Nachrichten", Zeugnis ihrer Verbundenheit mit der alten Heimat. 1941 und 1942 traten von Buchau aus 65 Menschen den Weg in die Deportation an, unter ihnen auch eine Anzahl zwangsumgesiedelter Juden aus Stuttgart und Ulm. Von den Deportierten kehrte 1945 als einzige die 1878 geborene Frieda Ullmann aus Theresienstadt zurück. Sie hatte ihren Mann und drei Söhne in den Konzentrationslagern verloren. Als letzte Juden wurden von hier aus im Februar 1945 Siegbert Einstein, den bis dahin seine privilegierte Mischehe geschützt hatte, und Lina Moses geb. Schmal, ein sogenannter Mischling, zwangsverschleppt. Beiden rettete der Zusammenbruch des Dritten Reiches das Leben.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibungen des Oberamts Riedlingen 1827 und 1923.
  • Bilder vom Haus des alten Betsaals, von der Synagoge und vom Friedhof sowie von der Synagoge in Kappel, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 61-65 und 90.
  • Ders., Ortsanwesend Februar 1945: O, in: Vorwärts, 28. August 1963.
  • Ders., Zeugnis stolzer Vergangenheit, in: Stuttgarter Zeitung, 22. Mai 1964.
  • Endrich, Anna, Ende des Buchauer Rabbinats, in: Schwäbische Zeitung Riedlingen, 4. und 5. November 1954.
  • Garbelmann, Hans, Zwischen zwei Ratsprotokollen, in: Stuttgarter Zeitung vom 17. März 1964.
  • Schöttle, Joh. Evang., Geschichte von Stadt und Stift Buchau samt dem stiftischen Dorfe Kappel, Waldsee 1884.
  • Vierfelder/Marx, Zur Geschichte der Juden in Buchau, in: Gemeindezeitung für die isr. Gemeinden Württembergs, Jg. 1, Nr. 7, 15. Oktober 1924.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Bad Buchau, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Bad Buchau

  • Adler, Reinhold, Judenverfolgung in Bad Buchau 1933-1940, in: BC – Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, 1988.
  • Adler, Reinhold, Moritz Vierfelder. Aus dem Emigrantenschicksal des letzten Vorstehers der jüdischen Gemeinde Buchau, in: BC – Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 1 (1982).
  • Garbelmann, Hans, Die Buchauer Synagogenglocke, in: Pessach 5725 (1965), S. 20.
  • Jüdisches Leben in Buchau, Begleitheft zur Ausstellung, hg. von Volkshochschule Bad Buchau, 1998.
  • Krinsky, Carol Herselle, Europas Synagogen. Architektur, Geschichte und Bedeutung, Stuttgart 1988, S. 261-264.
  • Kullen, Siegfried, Spurensuche. Jüdische Gemeinden im nördlichen Oberschwaben, in: Blaubeurer Geographische Hefte 5 (1995).
  • Mayenberger, Charlotte, Moritz Vierfelder. Leben und Schicksal eines Buchauer Juden, 2000.
  • Mayenberger, Charlotte, Von Buchau nach Theresienstadt, Dr. Oskar Moos (1869-1966), in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, Heft 2, (2000).
  • Mohn, Joseph, Der Leidensweg unter dem Hakenkreuz. Aus der Geschichte von Stadt und Stift Buchau, 1970.
  • Schöttle, Joh. Evang., Geschichte von Stadt und Stift Buchau samt dem stiftischen Dorfe Kappel, 1884. (Neuauflage mit Bilderanhang 1977).

Kappel

  • Garbelmann, Hans, Die jüdische Gemeinde in Kappel, in: Rosch Haschana 5728 (1968), S. 26-27.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Mayenberger, Charlotte, Moritz Vierfelder. Leben und Schicksal eines Buchauer Juden, (Landkreis Biberach. Geschichte und Kultur, Bd. 4), Bad Buchau 2000.
  • Mohn, Joseph, Kappel. Das Dorf über dem Federsee, 1971, S. 166-171.
Suche