Bad Friedrichshall mit Gundelsheim
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
Den Marktflecken Kochendorf besaßen als Reichslehen die Grecken von Kochendorf, die 1672 einen Teil des Dorfes an Daniel von Saint Andre verkauften. Nach dem Aussterben der Grecken im Jahr 1749 erbten deren Rechte und Besitztitel die Herren von Gemmingen. 1761 erwarb der Ritterkanton Odenwald den Anteil der Herren von Saint Andre. Besitzrechte hatten im Ort außerdem mehrere weltliche und geistliche Herrschaften, insbesondere das Ritterstift Wimpfen. 1806 fiel Kochendorf an Württemberg. Die im Dezember 1933 durch den Zusammenschluss von Kochendorf und Jagstfeld gebildete Gemeinde Jagstfeld-Kochendorf erhielt 1935 den Namen Bad Friedrichshall und wurde 1951 zur Stadt erhoben.
Bereits vor 1597 waren in Kochendorf Juden ansässig, die vielleicht im 17. Jahrhundert wieder abwanderten. Im 18. Jahrhundert nahmen die Grecken Juden auf. 1732 wird eine israelitische Gemeinde erwähnt. Die hiesigen Juden betätigten sich damals zum Teil als Geldausleiher. Ein Erlass der Deutschordens-Regierung von 1739 ordnete an, dass die Kochendorfer Juden an Sonn- und Feiertagen bei den Ordensuntertanen kein Geld einziehen durften, und drohte allen, die diesem Gebot zuwiderhandelten, Arreststrafen an. Dem Juden Jakob Mayer in Kochendorf wurde bei Strafe untersagt, mehr als 5 Prozent Zins zu nehmen. Wiederholt versuchte der Deutschorden auch, zum Vorteil seiner eigenen Schutzjuden den Handel der Kochendorfer Juden in seinem Territorium zu beschränken.
1807 lebten in Kochendorf 78 Gemmingen'sche Schutzjuden. 1824 waren es 92, 1831 113, 1843 132, 1854 155, 1869 121, 1886 56, 1900 40, 1910 30 und 1933 (Juni) 7 jüdische Einwohner. Die jüdische Gemeinde, die zeitweise wohl einen eigenen Rabbiner besaß, errichtete 1806 eine einfache Synagoge. Seit 1832 gehörten zu ihr auch die Juden in Gundelsheim, Neckarsulm und Oedheim. Das zuständige Rabbinat war Lehrensteinsfeld. Oedheim wurde bald von der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde abgetrennt. In Gundelsheim und Neckarsulm hatte der Deutschorden bereits im 16. Jahrhundert Juden die Niederlassung erlaubt. 1823 zählte Gundelsheim 16 jüdische Einwohner, 1933 noch 9. 1870 legte die israelitische Gemeinde Kochendorf einen eigenen Friedhof an; sie hatte bis dahin ihre Toten in Neckarsulm begraben. Im Ersten Weltkrieg hatte sie einen Gefallenen zu beklagen: Richard Rheinganum aus Neckarsulm. Das Eiserne Kreuz I. Klasse hatte Offiziersstellvertreter Wilhelm Weißburger erhalten. 1925 wurde die israelitische Gemeinde aufgelöst, die Synagoge geschlossen und später abgerissen.
Die 1933 noch hier ansässigen jüdischen Bürger betätigten sich im Vieh- und Mehlhandel (Emanuel Herz; Jakob genannt Julius Herz; Julius Jakob Herz). Während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit wanderten vier Juden aus (ebenso eine Familie, die erst 1934 in Kochendorf zugezogen war), einer verstarb am Wohnort und zwei kamen in der Deportation um (Hannchen und Jakob genannt Julius Herz). Der israelitische Friedhof wurde in den Jahren nach 1933 verwüstet. Er befindet sich heute wieder in gutem Zustand.
Die neun jüdischen Bürger, die 1933 in Gundelsheim wohnten, wanderten mit einer Ausnahme bis 1938 nach Amerika aus. Eine Frau, die in sogenannter Mischehe lebte, blieb im ganzen unbehelligt. In Gundelsheim hatte Fritz Levi bis 1937 ein Manufakturwarengeschäft betrieben und Siegfried Strauß eine Viehhandlung.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Beschreibung des Oberamts Neckarsulm, 1881.
- Bilder von der Synagoge und vom Traustein, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 90f.
- Kulb, Oberlehrer, Zur Geschichte der Juden in Neckarsulm Teil 2, in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs Jg. 8 Nr. 10, 6. August 1931.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Bad Friedrichshall, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
- Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 126-133.
- Fieß, Egon, Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Kochendorf, in: Stadtbuch Bad Friedrichshall, 1983, S. 405-436.
- Hantsch, Lothar, Der jüdische Speisewirt Hermann Herz in Jagstfeld, (Heimatgeschichtliche Beilage zum Friedrichshaller Rundblick 79/80), 1985.
- Hantsch, Lothar, Juden in Kochendorf, in: Stadtbuch Bad Friedrichshall, 1983, S. 405-436.
- Hantsch, Lothar, Von den Kochendorfer Juden, (Heimatgeschichtliche Beilage zum Friedrichshaller Rundblick 48), 1982.