Bonfeld

Bereich um den Standort der Synagoge, in der heutigen Rappenauer Str.4 unweit des alten Rathauses, auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LXVIII 3 von 1834. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge schwer beschädigt, anschließend Verkauf und Abbruch. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5671]
Bereich um den Standort der Synagoge, in der heutigen Rappenauer Str.4 unweit des alten Rathauses, auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LXVIII 3 von 1834. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge schwer beschädigt, anschließend Verkauf und Abbruch. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5671]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlaubten die Herren von Gemmingen Juden in dem reichsritterschaftlichen Ort, der 1805 an Württemberg fiel, die Nie­derlassung. Die jüdische Gemeinde erbaute um 1780 eine kleine Synagoge, die bis 1938 bestand. 1807 lebten in Bonfeld 92 Juden, 1831 waren es 104, 1843 124, 1854 129, 1869 37 (?), 1886 53, 1900 44, 1910 43, 1933 40. Bei der Organisation der kirchlichen Verhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft in Württem­berg in den Jahren 1828/32 wurde die israelitische Gemeinde Bonfeld zunächst Filiale der Religionsgemeinde Massenbach, später aber selbständig. Sie gehörte bis 1864 zum Rabbinat Lehrensteinsfeld und von da an bis zu ihrer Auflösung im Juli 1939 zum Rabbinat Heilbronn. Im 19. Jahrhundert bestand in Bonfeld zeit­weise eine israelitische Volksschule. Die hier ansässigen jüdischen Familien hießen u. a. Flehinger, Hertz, Ladenburger, Ottenheimer, Schlesinger und Zion. Auf dem Bonfelder Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs ist auch der Name von Josef Zion (gefallen 1916) eingemeißelt. Jüdische Bürger gehörten vor 1933 dem örtlichen Turn- und Gesangverein an. Albert Ottenheimer, Köln, machte seiner Heimatgemeinde am 4. September 1929 anlässlich des 80. Geburtstags seines Vaters eine Stiftung in Höhe von 10.000 Reichsmark, deren Zinsen alljährlich an Weih­nachten an alte und bedürftige Einwohner verteilt wurden.

Im wirtschaftlichen Leben des Dorfes nahmen die Juden vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, trotz Abwanderungen, aber auch noch in der Zeit der Weimarer Republik einen wichtigen Platz ein. Im Jahr 1933 unterhielt Max Flehin­ger eine Manufakturwarenhandlung (Ladengeschäft und Handel in der Umgebung). Die Brüder Julius und Sigmund Zion besaßen damals ein gutgehendes Manufaktur­warengeschäft, Sophie und Moritz Schlesinger einen Kolonial- und Manufakturwarenladen. Mathilde Schlesinger betrieb zusammen mit ihrem Sohn Albert ein Lebensmittelgeschäft. Im Viehhandel waren Karl Ladenburger, der auch eine Metzgerei innehatte, sowie Ferdinand und Hermann Ottenheimer tätig. Ferdinand Hirsch handelte mit Vieh, Getreide und Futtermitteln, Leopold Schlesinger mit Landesprodukten und mit Schuhen.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten begann der Boykott der jüdischen Geschäfte, der unter dem Druck örtlicher Parteifunktionäre im Lauf der Jahre immer schärfere Formen annahm. Während der sogenannten Kristallnacht 1938 wurde vornehmlich durch auswärtige SA-Leute die Inneneinrichtung der Synagoge demo­liert, einige Juden wurden misshandelt. Hugo Heinrich Hertz erlitt schwere innere Verletzungen, an deren Folgen er zwei Jahre später starb. Mehrere jüdische Bürger wurden ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert und dort mehrere Wochen festgehalten. Die letzten jüdischen Geschäfte mussten schließen. Nur die Hälfte der jüdischen Einwohner wanderten noch rechtzeitig aus, unter ihnen Sigmund Zion, Inhaber des Eisernen Kreuzes I. Klasse. 20 Juden wurden 1941/42 deportiert und umgebracht, so die Frau und die beiden Kinder des obenerwähnten Hugo Heinrich Hertz, Ferdinand Hirsch mit Frau und zwei Kindern, Julius Zion, Frontoffizier des Ersten Weltkriegs, mit Frau und Sohn. Dem einzigen Bürger jüdischer Abstammung, den seine sogenannte privilegierte Mischehe vor der Zwangsverschleppung rettete, blieb während der Verfolgungszeit kaum eine Demütigung erspart.

Die Synagoge wurde schon bald nach der Kristallnacht abgebrochen.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Heilbronn, 1903.
  • Bild von der Synagoge (Innenraum), in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 59.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Bonfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 101-109.
  • „Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“. Dokumentation der Evangelischen Kirchengemeinde Bonfeld, November 1988.
  • Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 136-137.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Petzold, R./Schneider, Werner, Die Bonfelder Judenschaft, in: Bonfeld. Heimatgeschichtliche Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart eines ehemals reichsritterschaftlichen Dorfes, hg. von der Stadt Bad Rappenau, 2000, S. 446-460.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 63-64.
Suche