Ellwangen
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
Die bis Anfang des 13. Jahrhunderts aus dem Zusammenschluss der Klostersiedlung und des Dorfes Ellwangen allmählich entstandene Stadt (1229 erstmals als civitas bezeichnet) war der Mittelpunkt der bedeutenden Reichsabtei, die 1460 in ein von einem Fürstpropst geleitetes weltliches Chorherrenstift umgewandelt wurde. 1802 wurde die Fürstpropstei Ellwangen von Württemberg säkularisiert, die Stadt zunächst Sitz der Regierung für die neuwürttembergischen Lande (1803-05) und später Sitz der württembergischen Regierung für den Jagstkreis (1817-1924).
Bei dem durch den fränkischen Edelmann Rindfleisch im Jahr 1298 ausgelösten Progrom wurden nach dem Nürnberger Memorbuch in Ellwangen 15 Juden erschlagen. Bereits 1349 kam es hier im Gefolge des Schwarzen Todes zu einer neuen Judenverfolgung. Auch im 15. Jahrhundert müssen in der Stadt Juden gewohnt haben: 1428 und 1443 wurden Ellwanger Juden in Nördlingen bestattet. 1646 erhielten sechs jüdische Familien die Erlaubnis, im Gebiet der Fürstpropstei Handel zu treiben. Um 1800 waren keine Juden in der Stadt ansässig. Erst im Lauf des 19. Jahrhunderts zogen wieder jüdische Bürger in größerer Zahl aus der Umgebung zu: 1854 lebten in Ellwangen 18, 1863 20, 1886 99 Juden. 1870 wurde eine eigene jüdische Gemeinde gegründet. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts setzte die Abwanderung in die größeren Städte ein, die schließlich 1935 zur Auflösung der Gemeinde führte: 1892 67, 1910 32, 1925 17 und 1936 13 jüdische Bürger.
Seit 1901 besaß die jüdische Gemeinde einen eigenen Friedhof (ältester Grabstein von 1902). Zuvor hatte sie ihre Toten auf dem Friedhof in Aufhausen beerdigt. Dort liegt auch der bekannte Buchhändler und Antiquar Isaak Heß (geb. 1789 in Lauchheim, gest. 1866 in Ellwangen) begraben, der sich um das jüdische Schul- und Armenwesen in Württemberg große Verdienste erwarb und nach seiner Übersiedlung nach Ellwangen im Jahre 1823 ein Pensionat für jüdische Theologen gründete.
Am 5. Dezember 1926 fand die Einweihung eines neuen Bethauses der jüdischen Gemeinde statt, an der der gesamte Gemeinderat sowie Vertreter der beiden Kirchen teilnahmen.
Von den 15 jüdischen Bürgern, die 1933 noch in Ellwangen lebten, starben zwei am Wohnort, einer in Laupheim, während neun nach den USA auswanderten und drei bereits 1933 nach Gera in Thüringen, Plauen im Vogtland und Nördlingen verzogen (über das weitere Schicksal dieser drei Juden ist nichts bekannt).
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Beschreibung des Oberamts Ellwangen, 1886.
- Bild vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 74.
- Mehring, G., Miszelle, in: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte. Neue Folge VII, 1899, S. 225 f.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Ellwangen, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
- Burr, Isolde, Der jüdische Friedhof in Ellwangen. Notizen zur Geschichte der Juden in dieser Stadt, in: Ellwanger Jahrbuch 1983-84.
- Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 297.
- Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
- Wierlemann, Sabine/Kenntner, Nina, Steine der Erinnerung. Der jüdische Friedhof in Ellwangen. Arbeit der 13. Klasse des Peutinger Gymnasiums Ellwangen im Rahmen des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte 1992/93.
- Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 42-43.