Eschenau
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
In dem reichsritterschaftlichen Ort, der 1805 von Württemberg mediatisiert wurde, nahmen die Herren von Killinger im 18. Jahrhundert Juden auf (1762 Juden erwähnt). Im Jahr 1797 erbauten sich die Juden eine kleine Synagoge.
1807 zählte Eschenau 55 jüdische Einwohner, 1831 84, 1843 112, 1854 101, 1869 81, 1886 45, 1900 19, 1910 11, 1933 7. Die Eschenauer Juden gehörten von 1832 bis 1939 zur israelitischen Religionsgemeinde Affaltrach, unterhielten aber ihre eigene Synagoge bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1861 bestand eine israelitische Schule, die von 13 Schülern besucht, bald darauf aber aufgelöst wurde. Der israelitische Lehrer war zugleich Vorsänger in der Synagoge. Die jüdischen Einwohner betrieben in der Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich Viehhandel. Ein Teil von ihnen hatte es damals zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Im Ersten Weltkrieg fiel Vizefeldwebel Hugo Rothschild, Träger des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse sowie der Württembergischen Goldenen Verdienstmedaille. Von den sieben Juden, die 1933 noch in Eschenau lebten, wanderte die fünfköpfige Familie Dames 1936 über Osterreich nach Palästina aus, Julie Rothschild (geb. 1857) verstarb hier im November 1934 und Hedwig Weißburger wurde am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert, von wo sie nicht mehr zurückkehrte.
Ende 1941/Anfang 1942 wurden mindestens 110 ältere Juden hauptsächlich aus Stuttgart in dem als sogenanntes Altersheim eingerichteten Schloss in Eschenau untergebracht. 11 von ihnen starben hier und fanden auf dem jüdischen Friedhof in Affaltrach ihre letzte Ruhestätte. Die anderen wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im August 1942 nach Theresienstadt zwangsverschleppt und kamen dort oder in den Vernichtungslagern des Ostens (Auschwitz usw.) um.
Die zweckentfremdete Synagoge ist noch erhalten. Eine hebräische Inschrift erinnert an ihre frühere Bestimmung.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
-
Beschreibung des Oberamts Weinsberg, 1861.
-
Bild von der Inschrift an der ehemaligen Synagoge, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 73.
Ergänzung 2023:
Die ehemalige Synagoge wird heute als Wohnhaus genutzt. Die hebräische Inschrift zur Erinnerung daran, dass sich in dem Haus früher eine Synagoge befand, wurde vermutlich im Zuge eines Umbaus entfernt.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Eschenau, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
- Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 67-72.
- Das jüdische Zwangsaltenheim Eschenau und seine Bewohner, hg. von Martin Ulmer/Martin Ritter, Horb.
- Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
- Noller, Heinrich, Heimatbuch Eschenau, 1984, S. 330-347.
- Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 46-48 (innerhalb des Abschnittes zu Affaltrach).