Lehrensteinsfeld

Bereich der bis heute so bezeichneten Judengasse in Lehrensteinsfeld auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LX 18 von 1834. Unweit davon befand sich an der heutigen Lehrener Str. 41 die Synagoge. Die nur noch aus wenigen Mitgliedern bestehende Gemeinde verkaufte 1938 das als baufällig beschriebene Gebäude, das in den 1950er Jahren abgebrochen wurde. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5091]
Bereich der bis heute so bezeichneten Judengasse in Lehrensteinsfeld auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LX 18 von 1834. Unweit davon befand sich an der heutigen Lehrener Str. 41 die Synagoge. Die nur noch aus wenigen Mitgliedern bestehende Gemeinde verkaufte 1938 das als baufällig beschriebene Gebäude, das in den 1950er Jahren abgebrochen wurde. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 5091]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

In dem bis 1805 reichsritterschaftlichen Weiler Lehren, heute Teil des Dorfes Lehrensteinsfeld, erlaubten die Freiherren von Gemmingen Juden bereits im 17. Jahrhundert die Niederlassung. 1652 lebten hier drei Schutzjudenfamilien. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen Einwohner auf 100 ange­wachsen. Sie bildeten rund ein Drittel der Gesamteinwohnerschaft von Lehren und besaßen eine eigene Synagoge. Am 3. April 1800 ließ sich der aus Lehren stammende Dr. med. Simon Josef Buchard in Heilbronn taufen.

Bei der Organisation der kirchlichen Verhältnisse der israelitischen Religionsge­meinschaft in Württemberg im Jahr 1832 wurde Lehren Sitz eines Rabbinats, das neben der Gemeinde Lehren die Religionsgemeinden Affaltrach, Eschenau, Kochen­dorf (mit den Juden in Neckarsulm, Ödheim und Gundelsheim), Sontheim (mit den Juden in Horkheim und Talheim) und Massenbachhausen (mit den Juden in Massenbach und Bonfeld) umfasste. Als Rabbiner bzw. Rabbinatsverweser wirkten hier bis zur Verlegung des Rabbinats 1864/67 nach Heilbronn Dr. Naphtali Frankfurter (1834-35), Seligmann Grünewald (1835-44), Maier Hirsch Löwengart (1844-58), Marx Kallmann (1858-61) und Dr. Moses Engelbert (1862-64). Eben­falls im Jahr 1832 erhielt der Ort eine israelitische Volksschule, die bis 1905 bestand. 1861 zählte die im Synagogengebäude untergebrachte Schule 20 Schüler. Der israeli­tische Lehrer war zugleich der Vorsänger der Gemeinde. Im Jahr 1861 betätigten sich die meisten jüdischen Einwohner im Viehhandel, doch trieben auch einige Land­wirtschaft und Viehzucht. In jüdischem Besitz befand sich damals auch eine Schild­wirtschaft. 1807 waren 102 Juden ansässig, 1831 108, 1843 124, 1854 122, 1869 84, 1886 80, 1900 64, 1910 39 und 1933 11. Die israelitische Gemeinde wurde im Juli 1939 aufgelöst. Der letzte Gottesdienst in der alten Synagoge hatte am 26. Juni 1938 stattgefunden. Unter den Lehrensteinsfelder Gefallenen des Ersten Weltkriegs befanden sich Josef Henle und Hirsch Hirschheimer. Leutnant Max Thal­heimer kehrte mit hohen Auszeichnungen (Eisernes Kreuz I. Kl., Württembergische Goldene Verdienstmedaille, Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienst­ordens) aus dem Krieg zurück.

Die wenigen 1933 noch hier wohnhaften Juden waren Viehhändler, besaßen aber meist auch Grundbesitz. Leopold Henle unterhielt eine Gastwirtschaft. Wolf Hirschheimer betrieb neben seinem Viehhandel eine 22 Morgen große Landwirtschaft, die seine Frau leitete. In den Jahren 1935/36 bestand ein jüdisches landwirtschaftliches Lehrgut, auf dem zahlreiche junge Juden ihre Ausbildung erhielten. In der Kristall­nacht kam es, wie schon kurz zuvor, zu schlimmen Ausschreitungen: Jüdische Einwohner wurden misshandelt und ihre Wohnungen demoliert. Von den 11 jüdischen Bürgern, die 1933 noch hier wohnhaft waren, kamen zwei in der Deportation um. Die Synagoge wurde noch 1938 verkauft. Sie wurde umgebaut und dient heute als Lagerschuppen.[1] Einen eigenen Friedhof besaßen die Juden in Lehren nie. Sie setzten ihre Toten stets auf dem jüdischen Friedhof in Affaltrach bei.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Weinsberg, 1861.
  • Bild von der Synagoge (Innenraum), in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 97.
  • Franke, Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn, in: Veröffentlichung des Archivs der Stadt Heilbronn, Heft 11, Heilbronn 1963.

Anmerkungen

[1] Tatsächlich wurde das Gebäude der ehemalige Synagoge um 1950 abgerissen.

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Lehrensteinsfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Angerbauer, Wolfram/Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Heilbronn 1986, S. 138-145.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
Suche