Pflaumloch

Die jüdische Gemeinde Pflaumloch löste sich 1906 auf. Mit Unterstützung des jüdischen Kommerzienrats Alexander von Pflaum wurde die Synagoge in ein öffentliches Gemeindezentrum mit Bibliothek und Kinderpflege umgewandelt. Heute befindet sich hier das Rathaus der Gemeinde Riesbürg. [Quelle: Gemeinde Riesbürg]
Die jüdische Gemeinde Pflaumloch löste sich 1906 auf. Mit Unterstützung des jüdischen Kommerzienrats Alexander von Pflaum wurde die Synagoge in ein öffentliches Gemeindezentrum mit Bibliothek und Kinderpflege umgewandelt. Heute befindet sich hier das Rathaus der Gemeinde Riesbürg. [Quelle: Gemeinde Riesbürg]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die landesherrlichen Rechte über das Dorf Pflaumloch, an dem mehrere Grundherren (die Klöster Kirchheim, Kaisheim, Christgarten, das Stiftskapitel Ellwangen und die Grafen bzw. Fürsten von Oettingen) Anteil hatten, besaß seit dem Spätmittelalter Oettingen. 1806 fiel Pflaumloch an Bayern, 1810 an Württemberg.

Juden waren hier schon 1487 unter dem Schutz der Grafen von Oettingen ansässig. Sie haben in Pflaumloch vielleicht ohne Unterbrechung mehr als 400 Jahre eine kleine Gemeinde gebildet. Die ersten Juden, die sich hier niederließen, waren wohl Flüchtlinge aus der Reichsstadt Nördlingen, die mit Einwilligung von Kaiser Maximilian ihre jüdischen Einwohner im Jahr 1507 endgültig ausgewiesen hatte. Graf Martin von Oettingen-Wallerstein hatte den Vertriebenen trotz des Protestes der Reichsstadt und des vom Nördlinger Rat gegen ihn angestrengten Prozesses in seiner Herrschaft Zuflucht gewährt. 1539 werden in Pflaumloch die Juden Michel und Sander erwähnt, 1573-75 Hirsch und Henlin. Graf Friedrich von Oettingen (gest. 1579) hatte hier sechs schutzverwandte Juden. Aus den Jahren 1587-1600 sind die Namen einer ganzen Anzahl Pflaumlocher Juden bekannt, u. a. Moises, Liebmann, Löw, Henlin, Itzing, Feifelmann, Schmul, Fünferlin, Seligmann, Süss­mann, Moses Schulmeister. 1658 wohnten hier 7 Familien, 1668 waren es 9 Hausbesitzer und 6 Hausgenossen, 1687 15 Haushaltungen in 8 Häusern, 1688 18 Familien ebenfalls in 8 Häusern, 1735 15 Familien, 1779 18 Familien, 1788 15 Familien und 1806 31-34 Familien.

Die von den Grafen und Fürsten von Oettingen gegen besondere Rekogni­tionsgebühren im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder ausgestellten Schutzbriefe legten die Zahl der Familien fest, die den herrschaftlichen Schutz erhielten. Rabbiner, Vorsänger, Schulmeister und Schulklopfer waren in die Zahl der Schutzjudenfamilien nicht eingerechnet. Diese „Brödlinge" oder „Dienstlinge" der Judenschaft waren steuerfrei, mussten aber bis 1806 unverheiratet sein. 1695 und 1719 wurde der Gesamtjudenschaft in Wallerstein, Pflaumloch und Oberdorf gestattet, 2-3 Lehrmeister auf ihre Kosten zu halten. An Abgaben hatten die Juden ein Schutzgeld, das 1806 für eine Familie 8 Gulden betrug, ein Klepper- und ein Gänsegeld als Ersatz für frühere Naturalleistungen zu entrichten. 1671 zahlten die Erlinger und Pflaumlocher Juden ein Kleppergeld von zusammen 40 Talern, 1806 die Pflaumlocher ein Gänsegeld von 3 Gulden. Außerdem war für die von der Herrschaft errichtete Synagoge ein jährlicher Herbstzins oder ein Synagogengeld von 3 Gulden (1806) abzuliefern. Für das Schächten der Tiere wurde ein Schächtgeld beansprucht. In den späteren Schutz­briefen verlangte die Herrschaft den Nachweis eines bestimmten Vermögens: 1806 von Söhnen einheimischer Juden 600 Gulden, von Auswärtigen, die den Schutz begehrten, 1.000 Gulden. Die Vermögensverhältnisse der Juden im 17. und 18. Jahrhundert waren recht unterschiedlich. 1684 hatte David einen Besitz von 5.000 Gulden, das Ver­mögen der 14 anderen Gemeindeglieder war von 400 Gulden abwärts bis 50 Gulden geschätzt. 1687 betätigte sich ein Jude als Geldausleiher, je einer betrieb Vieh- und Unter­handel, 3 hatten „schlechtes Gewerb und Vermögen, 6 geringes Vermögen, 2 etwas besseres". Von ihnen besaßen 2 ein Haus, 7 nur ein Häuslein, 2 teilten sich in ein Haus und 3 andere waren Hausgenossen.

Das für Pflaumloch zuständige Rabbinat war Wallerstein. Auf dem dortigen uralten Friedhof, dessen Grabplätze wie in Buchau wiederholt belegt waren, setz­ten auch die Pflaumlocher Juden ihre Toten bei, ehe sie 1830 einen eigenen Friedhof anlegten. Im 18. Jahrhundert amtierte in Pflaumloch zeitweise ein Unterrabbiner (Thalmessinger), der predigte und Unterricht erteilte. 1703 erbaute wohl die Herr­schaft eine Synagoge, die 1770 erneuert wurde. 1807 brannten bei der großen Feuersbrunst das jüdische Gotteshaus und 57 Häuser nieder.

Seitdem Pflaumloch württembergisch war, nahm die Seelenzahl der israelitischen Gemeinde zu. Die Vermögensverhältnisse besserten sich. Die Beschreibung des Oberamts Neresheim von 1872 hebt die in städtischem Stil erbauten Häuser der jüdischen Bürger hervor. 1846 errichtete die Gemeinde, die seit 1832 zum Rabbinat Oberdorf gehörte, mit einem Kostenaufwand von 20.000 Gulden eine neue Synagoge in einfachem Rundbogenstil. 1832 hatte sie bereits ein israelitisches Schulhaus erstellt. Noch 1872 gab es in dem kaum 500 Einwohner zählenden Ort drei Schulen: eine katholische, eine evangelische und eine israelitische. Obwohl die württembergische Regierung bestrebt war, die Juden handwerklichen Berufen zuzuführen, betätigten sich auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die hiesigen Juden hauptsäch­lich im Handel mit Vieh, Pferden, Gütern usw. sowie in Geldgeschäften. 1812 zählte Pflaumloch 112 jüdische Einwohner, 1824 187, 1831 221, 1843 230, 1854 25 (bei insgesamt 558 Einwohnern), 1869 155, 1886 47, 1900 21. Nachdem fast alle Juden abgewandert waren, wurde im Jahr 1910 die Synagoge geschlossen. Die israelitische Gemeinde schenkte ihr Gotteshaus der Ortsgemeinde. Die umgebaute Synagoge dient heute als Rathaus.

Der Friedhof, der durch eine Mauer vom christ­lichen getrennt ist, bewahrt die Erinnerung an die letzten 80 Jahre der Pflaumlocher Judengemeinde. Von Pflaumloch stammt der auf dem Hoppenlaufriedhof in Stuttgart beigesetzte Bankier Elias Pflaum (1810-76), der in der Finanzwelt seiner Zeit einen guten Namen hatte.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Neresheim, 1872.
  • Bilder von der Synagoge (Innenraum) und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 116.
  • Kroner, Hermann, Die Judengemeinde Wallemein im Riess, die Muttergemeinde von Pflaumloch, Oberdorf und Aufhausen, in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs, Jg. 4 Nr. 2, 16. April 1927, S. 41-44.
  • Müller, L., Aus fünf Jahrhunderten. Beiträge zur Geschichte der jüdisdien Gemeinden im Riess, in: Zeitschrift des Hist. Vereins für Schwaben und Neuberg, 26. Jg., 1899.

 

Ergänzung 2023

2007 wurde im Rathaus im Gebäude der ehemaligen Synagoge eine Dauerausstellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde eingerichtet.

 

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Pflaumloch, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd.3, 2. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1995, S. 1106.
  • Stäbler, Eugen, Pflaumloch im Ries. Eine Ortsgeschichte, 1956, S. 59-64.
  • Sutschek, Felix, Zur Geschichte der Juden in Pflaumloch, in: Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben II. Neuere Forschungen und Zeitzeugenberichte, hg. von Peter Fassl, Stuttgart 2000, S. 161-174.
  • Sutschek, Felix, Zur Geschichte der Juden in Pflaumloch, in: Ostalb-Einhorn 30, 2003, S. 15-27.
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