Schwäbisch Hall-Steinbach

Bereich um den Standort der Synagoge beim Torturm an der Straße nach Schwäbisch-Hall-Unterlimpurg, heute Neustetter Str. 34, auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LVII 45 von 1827. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 4889]
Bereich um den Standort der Synagoge beim Torturm an der Straße nach Schwäbisch-Hall-Unterlimpurg, heute Neustetter Str. 34, auf der Württembergischen Flurkarte, Blatt NO LVII 45 von 1827. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 durch Inbrandsetzung zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, StAL EL 68 VI Nr 4889]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Kloster bzw. Stift Comburg hat in Steinbach vielleicht bereits im 15. Jahrhundert Juden aufgenommen, nachdem diese aus der Reichsstadt Schwäbisch Hall endgültig vertrieben worden waren. Die erste sichere Nachricht über die Steinbacher Judensiedlung datiert aber erst vom 19. April 1639. Damals ermäßigte der Rat der Stadt Hall den Leibzoll für die Steinbacher Juden auf 5 Batzen, obwohl er erst am 22. März jenes Jahres den Judenzoll allgemein auf täglich ½ Gulden festgelegt hatte. 1641 indessen verbot er den Juden das Betreten des Gebiets der Reichsstadt, aufgebracht darüber, dass ihm die Steinbacher Juden nicht einmal 300 Gulden hatten leihen wollen (bzw. können). Doch schon ein paar Jahre später musste der Rat dieses Ausschließungsverbot wieder aufheben. 1677 nahm Hall die Witwe des Juden Lämmlein und ihren verheirateten Sohn, denen der Schutz in Steinbach aufgekündigt worden war, vorübergehend in Unterlimpurg auf.

Die Steinbacher jüdische Gemeinde erlebte ihre Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, entvölkerte sich dann aber rasch vornehmlich durch Abwanderungen in das nahe Hall: 1807 60 Juden, 1824 78, 1831 81, 1843 83, 1847 90, 1854 88, 1869 47, 1886 16, 1910 6, 1924 2. Während 1832 die jüdische Gemeinde Steinbach die in Hall lebenden Juden mitumfasst hatte, war es später umgekehrt. Eine israelitische Schule bestand in Steinbach von 1829 bis 1869. An ihre Stelle trat die 1869 gegründete Israelitische Religionsschule Hall, die im Gebäude der dortigen evangelischen Volksschule untergebracht war.

Erst 1809 hatte die jüdische Gemeinde beim Torturm nach Unterlimpurg eine massive Synagoge erbauen können, die dann bis zur Zerstörung am 10. November 1938 der religiöse Mittelpunkt der Haller und Steinbacher Juden blieb. Den Gottesdienst leitete ein Vorsänger. Zuvor hatten die Steinbacher Juden nur eine Betstube in der Bodenkammer des Hauses von Aron Herz besessen. Im gleichen Jahr legten sie am Fuß der Comburg einen Friedhof an, auf dem im 19. und 20. Jahrhundert auch die Haller Juden beigesetzt wurden. Vor 1809 hatten sie ihre Toten in das weit entfernte Schopfloch überführen müssen. Polnische Juden, die in den Jahren des Zweiten Weltkriegs im Konzentrationslager Hessental verstarben, waren die letzten Toten, die hier bestattet wurden. Der in der Zeit des Nationalsozialismus verwüstete Friedhof ist nach 1945, so gut es ging, wieder in Ordnung gebracht worden. Ein Gedenkstein in seinem oberen Teil mahnt an die Opfer der Verfolgungen von 1933 bis 1945.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Hall, 1847.
  • Bilder von der Synagoge (Innenraum) und vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser, 1932, S. 79 f.
  • Die Juden in Schwäbisch Hall und Steinbach, in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs, Jg. 2, Nr. 8, 15. Juni 1925, S. 199-207.
     

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Schwäbisch Hall-Steinbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germann, Wilhelm, Die Holzsynagoge in Schwäbisch Hall, in: Schwäbisches Heimatbuch 14 (1928), S. 30-35.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Handrock, Ariane, Das Gesamtkunstwerk der Holzsynagoge als kommunikativer Ort. Zeugnis jüdischen Lebens in Osteuropa und Deutschland in der Neuzeit. Dissertationsvorhaben Universität Potsdam, 2009.
  • Jonai, Efraim, Einige Erläuterungen zur Bemalung der Holzsynagoge in Hall, in: Württembergisch Franken. Jahrbuch des Historischen Vereins für Württembergisch Franken, Bd. 68 (1984), S.139-152.
  • Kohring, Heinrich, Der jüdische Friedhof in Schwäbisch Hall-Steinbach, 1996.
  • Maisch, Andreas, Mayer Seligmann, Judt zu Unterlimpurg. Juden in Schwäbisch Hall und Steinbach 1688-1802, hg. vom Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Bd. 14, Schwäbisch Hall 2001.
  • Maisch, Andreas/Stihler, Daniel, Schwäbisch Hall. Geschichte einer Stadt, Künzelsau 2006.
  • Panter, Armin, Die Haller Synagogen des Elieser Sussmann im Kontext der Sammlung des Hällisch-Fränkischen Museums, Künzelsau 2015.
  • Taddey, Gerhard, Kein kleines Jerusalem. Geschichte der Juden im Landkreis Schwäbisch Hall, 1992.
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