Tigerfeld
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
Das Dorf Tigerfeld, in dem nie eine jüdische Gemeinde bestanden hatte, war für eine Anzahl württembergischer Juden während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit die letzte Durchgangsstation auf dem Weg in die Deportation und damit in den Tod. Von März bis August 1942 mussten 45 ältere jüdische Bürger aus Stuttgart (30), Heilbronn (3), Schwäbisch Hall, Esslingen, Laupheim, Reutlingen, Ulm (je 2), Bonfeld und Zaberfeld (je 1) in dem vom Kloster Zwiefalten im 18. Jahrhundert erbauten Gemeindearmenhaus auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei/ Staatspolizeileitstelle Stuttgart ihren Zwangsaufenthalt nehmen. Die Leitung des sogenannten jüdischen Altersheims Tigerfeld lag in den Händen von Frau Alice Straßburger. Die Juden gewannen teilweise guten Kontakt zu den von der nationalsozialistischen Hasspropaganda wenig infizierten Dorfbewohnern, die ihnen Lebensmittel und Tabak zusteckten. Während sich die Heiminsassen ziemlich frei auf der nahegelegenen Heide und im Wald bewegen durften, benötigten sie zu Reisen nach auswärts besondere Erlaubnisscheine. Ein jüdischer Bürger starb in Tigerfeld. Am 19. August 1942 wurde das Heim geräumt: Die 44 Insassen kamen nach kurzem Zwischenaufenthalt im Sammellager auf dem Killesberg in Stuttgart in das Konzentrationslager Theresienstadt (Tschechoslowakei). Ein Teil der alten Leute starb dort schon in den ersten Wochen oder Monaten. Die anderen wurden meist später nach Polen gebracht und in den Vernichtungslagern Maly Trostinec und Auschwitz ermordet.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Franke, Hans, Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn, Heilbronn 1963.
- Keil, Heinz, Dokumentation über die Verfolgung der jüdischen Bürger von Ulm, Ulm 1962.
- Zelzer, Maria, Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden, Stuttgart 1964.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Tigerfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022