Wankheim 

Der jüdische Friedhof in Wankheim. Eine im 19. Jh. erbaute Synagoge wurde in den 1880er Jahren nach der Eröffnung der Synagoge in Tübingen aufgegeben und später abgebrochen. [Quelle: Bildarchiv Theobald Nebel, veröffentlicht in: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Abb. 127]
Der jüdische Friedhof in Wankheim. Eine im 19. Jh. erbaute Synagoge wurde in den 1880er Jahren nach der Eröffnung der Synagoge in Tübingen aufgegeben und später abgebrochen. [Quelle: Bildarchiv Theobald Nebel, veröffentlicht in: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Abb. 127]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

In dem reichsritterschaftlichen, seit 1805 württembergischen Dorf Wankheim nahmen die Herren von Saint-Andre als Ortsherrschaft im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Juden auf. Als erster erhielt im Jahr 1776 David Dessauer aus Nordstetten die Erlaubnis zur Niederlassung. Weitere Familien aus Deufstetten [wahrscheinlich Unterdeufstetten], Braunsbach und Haigerloch folgten. Die Herrschaft erhob ein jährliches Schutzgeld von 12 Gulden je Familie. Sie stellte gegen eine Bestattungsgebühr von 2 Gulden für einen Erwachsenen und von 1 Gulden für ein Kind einen Begräbnisplatz zur Verfügung, den die jüdische Gemeinde erst 1845 zu vollem Eigentum erwarb. Die hauptsächlich mit Trödelwaren handelnden Juden lebten anfänglich in armseligen Verhältnissen. Sie bewohnten kleine unansehnliche Häuser, die sie erst im Lauf des 19. Jahrhunderts, als sie durch den Handel mit Vieh, mit Hopfenstangen usw. allmählich zu Wohlstand gelangten, gegen größere, städtisch wirkende Behausungen vertauschten. Einige jüdische Einwohner betrieben wohl auch schon früh kleinere Landwirtschaften. 1806 zogen mehrere Familien nach Esslingen und begründeten die dortige jüdische Gemeinde.

Seit 1832 unterstand die israelitische Religionsgemeinde, die auch die Juden in Tübingen und Reutlingen mitumfasste, dem Rabbinat Mühringen. 1833/35 erbaute die Gemeinde unter erheblichen Opfern eine einfache Synagoge, nachdem sie sich viele Jahre mit einem gemieteten Betsaal begnügt hatte. Den Gottesdienst leitete seit dem 18. Jahrhundert ein Vorsänger, der bis zur Errichtung einer israelitischen Volksschule im Jahr 1827 den Kindern auch Religionsunterricht erteilt hatte. Die Juden lebten mit den christlichen Einwohnern in gutem Einvernehmen und schlossen sich ihnen in Sitte und Brauchtum weitgehend an. Sie erhielten schon bald Anteil an den Bürgernutzungen. Zeitweise betrieben sie die beiden Wirtschaften des Dorfes.

1821 waren in Wankheim 58 Juden ansässig, 1831 86, 1843 109, 1854 111. Seit der Jahrhundertmitte zogen die jüdischen Bürger aber rasch aus dem verkehrsungünstigen Ort in die Städte, vornehmlich nach Tübingen: 1869 lebten hier noch 40 Juden, 1886 1 Jude. 1882 wurde die israelitische Gemeinde Wankheim aufgelöst und an ihrer Stelle die Gemeinde Tübingen begründet. Am 8. April jenes Jahres hielt Bezirksrabbiner Dr. M. Silberstein den feierlichen Abschiedsgottesdienst in der Synagoge, die kurz darauf abgerissen wurde. Der jüdische Friedhof, der 1900 noch erweitert wurde, blieb bis in die Zeit des Dritten Reiches die Begräbnisstätte der Tübinger und Reutlinger Juden. Hier befindet sich auch der Gedenkstein für die durch den Nationalsozialismus ermordeten jüdischen Bürger der Stadt Tübingen.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Beschreibung des Oberamts Tübingen, 1867.
  • Bild vom Friedhof, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe, 1932, S. 132.
  • Breitmeier, O. [?], Die Juden in Wankheim, Abschrift eines Zeitungsaufsatzes im Besitz der Dokumentationsstelle.
  • Schweizer, Abraham, Beiträge zur Geschichte der Juden in Tübingen, in: Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs, Jg. 2, Nr. 2, 15. April 1925, S. 32 f.

Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Wankheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Hüttenmeister, Frowald Gil, Der jüdische Friedhof Wankheim, in: Beiträge zur Tübinger Geschichte, Bd. 7, 1995.
  • Schlott, Adelheid, Zur Erinnerung an die Synagoge in Tübingen Gartenstraße 33 (1882-1938). Zeugnisse und Dokumente, in: Schriftenreihe des Fördervereins für Jüdische Kultur in Tübingen e.V., Bd. 1, Tübingen 2016.
  • Zapf, Lilli, Die Tübinger Juden, Tübingen 1978.
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