Revolution - Demonstration in Offenburg 1919

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Demonstration vor dem Offenburger Rathaus, 1919, (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK N Geck Nr. 2537, 1, Bild 3)
Demonstration vor dem Offenburger Rathaus, 1919, (Quelle: Landesarchiv BW, GLAK N Geck Nr. 2537, 1, Bild 3)

Einführung

Die Novemberrevolution von 1918/19 führte in der Endphase des Ersten Weltkriegs zum Ausbruch politischer und sozialer Proteste und zum Umsturz des monarchischen Systems. Die Oberste Heeresleitung (OHL) hatte am 29. September 1918 die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen gefordert. Auch in Baden wurden in öffentlichen Protesten Stimmen laut, die eine Demokratisierung des Landes einforderten. Nachdem die Sozialdemokraten im sogenannten Ebert-Groener-Pakt ein militärisches Zweckbündnis mit der Reichswehr zur Niederschlagung des Spartakusbundes in Berlin geschlossen und der parlamentarischen Demokratie in Deutschland damit den Weg bereitet hatten, waren die Vertreter eines Rätemodells im Februar 1919 weitestgehend besiegt.

Auch im deutschen Südwesten hatten sich die kräftezehrenden Kriegsjahre katastrophal auf die wirtschaftlichen Verhältnisse breiter Bevölkerungsschichten ausgewirkt. Streiks, Unruhen und Proteste hatten badische Betriebe bereits vor der Novemberrevolution 1918/19 ereilt, ohne dass sich der revolutionäre Funke reichsweit entzündet hätte. Es waren vor allem Heimkehrer aus der Marine, die in Baden starken Einfluss auf die kommunistisch gesinnte Rätebewegung ausübten. Im November formierten sich in Baden Arbeiter- und Soldatenräte, etwa in Lahr, Offenburg, Karlsruhe und Mannheim. Doch endeten die kommunistischen Bestrebungen der Rätebewegung in Baden weitestgehend nach den Wahlen zur badischen Nationalversammlung im Januar 1919, bei denen die USPD gerade einmal 15.000 Stimmen erhielt.

Dies bedeutete jedoch keineswegs das Ende revolutionärer Ausbrüche. Insbesondere von Februar bis Mai 1919 folgten weitere kommunistisch organisierte Unruhen, Streiks und Aufstände im gesamten Reich. Diese entzündeten sich an drei Faktoren: Erstens an den im Februar auf Reichsebene betriebenen Ausarbeitungen für ein Verfassungskonzept für eine parlamentarische Demokratie, das im August verabschiedet wurde und das politische System zementierte. Zweitens an der Ausarbeitung des Versailler Friedensvertrages durch die Alliierten und seine Unterzeichnung am 28. Juni durch die deutsche Regierung. Der Vertrag bürdete Deutschland wirtschaftliche und finanzielle Reparationen auf, die vor allem in sozialistischen und kommunistischen Kreisen als eine Art doppelter Bestrafung deutscher Arbeiter angesehen wurden. Denn zum einen waren deutsche Arbeiter für die Ziele des wilhelminischen Kaiserreichs als ‚Kanonenfutter‘ verheizt worden; und nun sollten sie obendrein in Form wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen auch noch die Konsequenzen dieser Weltmachtpolitik tragen. Drittens entzündeten sich kommunistische Aufstände insbesondere an der Niederschlagung der bayerischen Räterepublik im April und der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner im Februar 1919. Wie die Aufstände in Berlin konnte auch die von der USPD Anfang April 1919 proklamierte Münchner Räterepublik nur mit Unterstützung massiver und äußerst brutaler Einsätze von Freikorpsformationen niedergeschlagen werden.

 

Quelle

Die vorliegenden Aufnahmen zeigen am Beispiel Offenburgs eine der in diesem Zeitraum zahlreich stattfindenden kommunistischen Unruhen und Protestkundgebungen. Offenburg lag als Garnisonsstadt besonders nah an Frankreich und hatte daher überdurchschnittlich stark unter den Folgen des Krieges zu leiden. Die Nähe zum Kriegsgebiet hatte das wirtschaftliche Leben Offenburgs stark getroffen, was durch die permanente Anwesenheit des Militärs noch verstärkt worden war. Die Bilder stammen aus dem Nachlass von Adolf Geck (1854-1942), von 1905 bis 1918 sozialdemokratisches Mitglied des Badischen Landtags, 1920 bis 1924 ebenfalls sozialdemokratisches Mitglied des Reichstags und seit 1917 USPD-Mitglied sowie Angehöriger des Offenburger Armenrates. Die Aufnahmen zeigen eine „Demonstration und Volksversammlung vor dem Rathaus in Offenburg 1919, veranstaltet vom Vollzugsausschuß des Arbeiterrats, den vereinigten Gewerkschaften und den sozialistischen Parteien.“ Als langjähriger Verleger und Redakteur der in Offenburg herausgegebenen Zeitung „Der Volksfreund“ hatte sich Geck über Jahrzehnte für die mediale Inszenierung und Presseberichterstattung sozialdemokratischer Protestveranstaltungen eingesetzt. Bildpublizistik und Fotografie gehörten zu den in der Weimarer Republik neu entstehenden Elementen politischer Darstellungsmöglichkeiten. Die Einführung zahlreicher technisch-auditiver und -visueller Weiterentwicklungen erlaubte die massenweise Verbreitung bzw. Verwertung von Fotos, ab 1922 des Tonfilms und schließlich des Radios im selben Zeitraum. Diese stellten die Weichen für die heute bestehende Mediendemokratie. Trotz zahlreicher medialer Inszenierungsbemühungen verloren die Räte jedoch mit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung im August an Bedeutung. Am 18. August 1919 verfügte die 6. Landesversammlung der Arbeiter-, Bauern-, Volks- und Soldatenräte die Abschaffung aller Räte. Damit war die Revolution sozialistischer Prägung, die mit der Niederschlagung des Spartakus-Bundes auf Reichsebene bereits im Februar 1919 zurückgeschlagen worden war, auch in Baden endgültig abgewendet.

GND-Verknüpfung: Revolution [4049680-6]

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