Hans Glatzle zur Entstehungsgeschichte der „Glatzle-Datenbank“

Dieser Beitrag stammt von der Webseite www.auswanderer-bw.de, die 2002 vom Landesarchiv Baden-Württemberg eingerichtet wurde. Die Datenbanksuche und weitere Informationen zur Auswanderung wurden nach LEO-BW überführt.

Wie kam es zu dem Begriff „Auswandererdokumentation Hans Glatzle im Hauptstaatsarchiv Stuttgart“ (Bestand J 493)

Eine Einführung

von Hans Glatzle

Die Entstehung reicht ins Jahr 1974 zurück. Als gelernter Buchhändler, bis 1975 Verkaufsdirektor einer großen Sondermaschinenfabrik im Raum Stuttgart, erbot ich mich damals auf Bitte eines in den USA ansässigen Geschäftsfreundes, bei dessen Suche nach dem aus Württemberg stammenden Vorfahr seiner Ehefrau behilflich zu sein.

Das nach jahrelangen Recherchen nahezu zweifelsfreie Ergebnis dieser Gefälligkeitssuche ist in meinem Kurzbericht zu lesen: „Jacob Roller aus Kuppingen, Stammvater einer großen Sippe in den USA", im Juni 1988 abgedruckt in Süddeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde Bd. 19, Heft 2, S. 68 ff. Beachtenswert ist das Echo, das diese erste Publikation bei der ihren Vorfahren suchenden Mrs. Gene B. Mozley aus Sidney/Ohio auslöste. In ihrem Dankbrief vom 18. Juli 1988 hebt sie unter anderem besonders hervor: „You should be very proud of your accomplishment in finding these once unfamous people (i. e. the couple Jacob Roller and Maria Agnes Hammer) and putting the whole story together. I understand how difficult it was and appreciate all your efforts more than I can say. Again, congratulations on the publication of your fine article“.

Nicht nur dieser aktuelle Anlass, sondern schon die von Kindheit an erlebten wiederholten Besuche überseeischer Verwandter und der erhalten gebliebene Jahrzehnte währende regelmäßige Briefwechsel bewegten mich nach meinem Abschied aus dem Erwerbsleben, das sich zuletzt auf weltweite Geschäftsreisen mit vielen nachhaltigen Freundschaften konzentriert hatte, mich trotz mancherlei Behinderungen nun ganz intensiv dem Auswandererthema zu widmen.

Den entscheidenden Antrieb gaben aber folgende beim Literaturstudium gefundenen Vermerke:

  • Max Miller, Ursachen und Ziele der schwäbischen Auswanderung, in Württ. Vierteljahreshefte für Landesgeschichte 42 (1936) S. 187, wo es in Anm. 6 heißt: „Die Auswanderung aus Altwürttemberg im 18. Jahrhundert (1709-1806) soll im Zusammenhang mit einer Übersicht über das hierzu vorhandene archivalische Material später eingehender behandelt werden“. Dieses Vorhaben wurde nicht verwirklicht.
  • Wolfgang von Hippel, Auswanderung aus Südwestdeutschland, Stuttgart 1984 (Industrielle Welt 36), wo auf S. 21 in Anm. 20 von dem „Desiderat einer umfassenden Studie über württembergische Auswanderer“ zu lesen ist.

Das Jacob Roller-Thema hatte mir diese beiden Vermerke zentral nahe gebracht.

Als Archivbenutzer fand ich persönlichen Kontakt zur Leitung des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart, zunächst zu Prof. Dr. Paul Sauer, dem nachmaligen Chef des Stadtarchivs Stuttgart, der mich seinerzeit bei Direktor Prof. Dr. Eberhard Gönner einführte. Das tiefschürfende Gespräch mit diesen Experten führte zu dem Anstoß, die jüngst gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Roller-Recherchen in landesweite Forschungen einzubringen. So kam es zu einem unentgeltlichen Arbeitseinsatz im Hauptstaatsarchiv durch Werkvertrag vom 2. Mai 1979, der bis Mitte 1998 regelmäßig verlängert wurde. Es ging um die systematische Erschließung der in den unterschiedlichsten Beständen des HStAS verzeichneten Auswanderungsfälle, vorerst aus den dort verwahrten Akten des Innenministeriums. Später wurde es notwendig, auch einzelne Bestände aus den Oberamtsakten der Staatsarchive Ludwigsburg und Sigmaringen heranzuziehen.

Der jahrzehntelange berufliche Umgang mit elektromechanischer Datenerfassung im Hollerith-Verfahren trieben mich von Anfang an zu Überlegungen, wie das bisher praktizierte Sammeln der Auswandererdaten in Karteiform zu überbrücken wäre. Die angestrebte direkte („online“-)Eingabe der Daten in die EDV gelang aber erst mit dem Erreichen des „technischen Standes“ PC, im vorliegenden Falle seit November 1985.

Damit war die Voraussetzung geschaffen, die Auswanderungen aus einzelnen Herkunftsbezirken und/oder Herkunftsorten, aber auch die Ziele und andere Kriterien abzurufen und auszudrucken. Dies ist durch die Herren Dr. Volker Trugenberger und Udo Herkert in der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg zu Beginn des Jahres 1986 unter dem Arbeitstitel „Auswandererkartei Glatzle im Hauptstaatsarchiv Stuttgart“ (sic!) erstmals für das ehemalige Oberamt Herrenberg in Angriff genommen worden. Schließlich umfasste diese erste exemplarische Darbietung eine Reihe von 11 Heften „Herrenberg“ (Bd. 111 der online-Reihe).

In diesem Zusammenhang ist in dem Beitrag „Mikrocomputer im Archiv“ von Volker Trugenberger (Der Archivar Jg. 42, 1989, H. 2 / Mai, Spalte 197 ff) mehrmals die Rede von der „Auswandererdokumentation Glatzle im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (AUWIHSTA)“, was dem qualitativen Inhalt näher kommt als der Begriff „Kartei“.

Nun war also die ersehnte Zeit der „online“-Eingabe neu erschlossener Auswanderungsfälle angebrochen. Es galt aber ebenso dringend, die bis dahin im Bestand J 493 angelegten rund 45.000 Karteikarten der im Aufbau begriffenen Datenbank einzuverleiben, um einen ständigen sinnvollen Zugriff zu den gespeicherten Daten endlich zu erreichen. Die hierfür nacheinander immer nur für kurze Sonderaktionen verfügbaren Hilfskräfte (auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) kamen nur sehr schleppend voran. Erst durch die tatkräftige Initiative von Herrn Dr. Stephan Molitor kam es im Jahr 1992 dazu, den Werkstudenten Rainer Klett für diese zeitaufwendige Computerarbeit zu gewinnen, der diese im Herbst 1997, rechtzeitig vor seiner Übersiedlung nach den USA, abschloss.

Meine Auswandererforschung wohlgemerkt im Ein-Mann-Betrieb wurde regelmäßig im „Jahresbericht des Hauptstaatsarchivs“, erstmals für 1979 und zuletzt für 1997 gewürdigt. Ihre Krönung erhielt sie im Jahr 1992, als ich anlässlich des 40jährigen Bestehens von Baden-Württemberg die Verdienstmedaille des Landes aus der Hand des Ministerpräsidenten Erwin Teufel verliehen bekam.

Bis zu Beginn des Jahres 1999 hatte ich mehr als 50.000 Auswanderungsfälle aus dem früheren Herzogtum/Königreich Württemberg für den Zeitraum von circa Anfang des 18. bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts (in Einzelfällen bis ins 20. Jahrhundert hinein) erfasst, wie es die Akten eben hergaben. Das Ergebnis dieser bald fünfundzwanzigjährigen Sucharbeit wird hiermit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Als inzwischen Dreiundachtzigjähriger bin ich mir im Klaren darüber, dass dieser nach meinem Wissen erste bescheidene Versuch einer exemplarischen Darreichung landesweit gesammelter Daten ständiger Ergänzung und Erweiterung bedarf, meine Datei also ständig in Bewegung bleiben wird. Da mir sicherlich nicht mehr viel Zeit bleibt, mich in Zweifelsfällen selbst zu rechtfertigen, bitte ich die geneigten Benutzer bei aller erwünschten Kritik und Korrektur, sich dieser Gegebenheit bewusst zu sein und selbst Geist aufzuwenden und Hand anzulegen für jedwede Verbesserung.

Meine umfangreichen Handakten zum Thema „Jacob Roller“ (darunter allein 4 Leitzordner Korrespondenz vorwiegend in englischer Sprache) werde ich zu gegebener Zeit dem HStAS als Depositum überlassen. Ich bin auch bereit, weitere zwei Leitzordner meiner Korrespondenz über die zu Mitte des 19. Jahrhunderts von Württemberg nach Australien gezogenen Auswanderer mit vielen bisher übersehenen Informationen und Abhandlungen über die gegenseitigen Beziehungen beider Länder ins Depot des HStAS zu geben.[1]

Göppingen, den 11. Januar 1999

Anmerkung

[1]Die Korrespondenzordner des Herrn Hans Glatzle sind nicht in die Bestände des Hauptstaatsarchivs übergegangen (Stand: 29.10.2014)

Zitierhinweis: Hans Glatzle zur Entstehungsgeschichte der „Glatzle-Datenbank", in: Auswanderung aus Südwestdeutschland, URL: …, Stand: 20.11.2023.

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