Die Schlacht bei Tuttlingen (24./25.11.1643)
von Marius Wieandt
Im letzten Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges ergaben sich aus der schwierigen Versorgungslage in den seit langem vom Krieg betroffenen Gebieten einige Probleme für die Unterhaltung einer größeren Armee. Das strategische Vorgehen hatte sich daher den Anforderungen angepasst: Die Armeen waren vergleichsweise mobil und darauf ausgelegt, während der Bewegung möglichst viel Land abzudecken, aus dem sich die Truppen versorgen konnten. Zugleich wurde versucht, den Gegner von seinem Nachschub und der Möglichkeit zu plündern abzuschneiden, um ihn in eine unvorteilhafte Position zu bringen oder zum Rückzug zu zwingen. Offene Feldschlachten waren vergleichsweise selten geworden, Kämpfe fanden häufiger als Scharmützel zwischen kleineren Truppenkörpern oder als Überfälle statt.
In dieser Situation hatte sich im Spätsommer 1643 eine französische Armee unter dem Comte Jean Baptiste de Guébriant über den Rhein bis an die Grenze Bayerns vorgewagt. Dort wurden die Franzosen jedoch von einer bayerisch-ligistischen Armee unter dem Herzog Karl IV. von Lothringen und Johann von Werth aufgehalten und zum Rückzug über Württemberg bis nach Straßburg gezwungen. In Straßburg schloss de Guébriant sich mit 7.000 Mann unter dem Befehl Josias Rantzaus zusammen, dessen hauptsächlich deutsche Söldner die Überreste der Weimarschen Armee darstellten und wenige Monate zuvor an dem bedeutenden Sieg über die Spanier in der Schlacht bei Rocroi teilgenommen hatten.
Mit dieser Verstärkung, die die Armee auf eine Gesamtstärke von etwa 20.000 Mann brachte, wagte de Guébriant sich Anfang November erneut über den Rhein und begann am 3. November, Rottweil zu belagern. Der Winter 1643 soll besonders kalt gewesen sein, weshalb die Franzosen während der Belagerung schwere Verluste erlitten, bevor Rottweil sich am 19. November ergeben musste. Der Comte de Guébriant selbst wurde während der Kämpfe verwundet und verblieb mit einer Besatzung in Rottweil, wo er am 24. November verstarb, während Rantzau, der nun das Kommando über das französische Heer übernahm, am 20. November nach Tuttlingen zog, um sich dort mit Vorräten zu versorgen.
Das bayerische Heer unterdessen, das nach wie vor in der Nähe des Rheins bei Durlach lag, folgte den Franzosen nach Südosten und setzte am 23. November bei Sigmaringen über die Donau. Durch Kundschafter und gefangene Soldaten des Gegners hatte man Kenntnis davon, dass die Franzosen das bayerische Heer weiter im Osten in Bayern vermuteten und das in Tuttlingen lagernde Heer mehr mit der Beschaffung von Vorräten als der Auskundschaftung der Umgebung beschäftigt war. Zudem rechnete man zu dieser Jahreszeit nicht mehr mit intensiven Kämpfen. Es entstand daher der Plan, sich unbemerkt Tuttlingen anzunähern und die Franzosen in ihrem Lager zu überfallen. Bis zum Nachmittag des 24. November war es der bayerischen Armee gelungen, die 30 Kilometer zwischen Sigmaringen und Tuttlingen zu überwinden. Dass es den Tag über stark geschneit hatte, half den Bayern, bei ihren Truppenbewegungen unentdeckt zu bleiben.
Die französische Armee hatte sich inzwischen in der Umgebung Tuttlingens verteilt. Die meisten Regimenter waren in umliegende Dörfer gelegt worden, der Generalstab hielt sich mit wenigen Regimentern in der Stadt auf. Die französischen Geschütze waren auf einem Friedhof am östlichen Stadtrand Tuttlingens untergebracht und wurden nur von wenigen Soldaten bewacht. Als Johann von Werth am 24. November gegen 16 Uhr mit einer Vorhut von 1.000 Dragonern angriff, gelang es ihm, den Friedhof mit den Geschützen zu erobern, ehe sich eine Verteidigung formieren konnte. Die Geschütze ließ er sofort auf die Stadt und die nahegelegene Festung Honberg richten und begann den Beschuss der französischen Truppen. Die französischen Regimenter in der Umgebung Tuttlingens wurden rasch in den Dörfern eingeschlossen und zur Aufgabe gezwungen, lediglich Teilen der Reiterei gelang die Flucht.
Während der Nacht leisteten die eingeschlossenen Franzosen in Tuttlingen noch Widerstand, ergaben sich jedoch am nächsten Morgen. Alles in allem hatten die Franzosen während der Schlacht 2.000 bis 3.000 Mann verloren, die Bayern machten am 25. November etwa 6.000 bis 7.000 Gefangene, darunter neben General Rantzau mehrere Feldmarschälle, hohe Adelige und zahlreiche Offiziere. Sie erbeuteten alle Geschütze, die Armeekasse und den gesamten französischen Nachschub. Demgegenüber hatten die Bayern kaum Verluste in der Schlacht erlitten. Bevor sich die Bayern in ihr Winterquartier zurückzogen, marschierten sie nach Rottweil, das am 3. Dezember per Akkord übergeben wurde und damit zum zweiten Mal in einem Monat den Besitzer wechselte.
In der Schlacht bei Tuttlingen verlor Frankreich beinahe eine ganze Armee, darunter den größten Teil der kampferfahrenen Weimarer Söldner, die seit Frankreichs Kriegseintritt einen der bedeutendsten französischen Truppenkörper bildeten. Um die Rheingrenze zu sichern, war es nun nötig, General Henri Turenne aus dem Piemont ins Elsass zu beordern. Bereits im Folgejahr ging erneut eine französische Armee über den Rhein, um die schwere Niederlage bei Tuttlingen wettzumachen. So war Tuttlingen zwar ein großer Erfolg für die bayerische Armee, führte aber wie so viele andere Schlachten des Krieges keine endgültige Entscheidung herbei.
Quellen in Auswahl
- Streng, Hermann (Hg.), Sonderdruck Schlacht von Tuttlingen 1643, Tuttlinger Heimatblätter, hg. von Hermann Streng, Tuttlingen 1964.
Literatur in Auswahl
- Ebert, Jens Florian, Die Schlacht von Tuttlingen am 24. November 1643. Ursachen, Vorgeschichte und Verlauf, in: Tuttlinger Heimatblätter 74 (2011), S. 43-80.
Zitierhinweis: Marius Wieandt, Schlacht bei Tuttlingen, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 10.08.2022