Vom Brunnen in den Wasserhahn

Von Inka Friesen

Dorfbrunnen
Genreszene: Georg Maria Eckert: Am Brunnen, 1870 [Quelle: Badisches Landesmuseum Karlsruhe]

Bis zum Aufbau öffentlicher Versorgungsnetze war Wasser ein qualitativ häufig schlechtes Gut, das für den täglichen Bedarf mühsam herbeigeschafft werden musste. Wasseranschlüsse von Privathäusern waren bis weit ins 19. Jahrhundert noch ein Luxus, den sich Städte teuer bezahlen ließen. Wer nicht über einen eigenen Hausbrunnen verfügte, bezog Trinkwasser aus dem Dorfbrunnen. Verschmutzungen der gemeinsam genutzten Ressource waren ein schweres Vergehen, das hart bestraft wurde. Darüber hinaus war der Brunnen nicht nur Wasserquelle, sondern auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt im dörflichen wie städtischen Leben: Beim Wasserholen oder Wäschewaschen traf man sich, hielt einen Plausch, tauschte Neuigkeiten aus. Viele Bäche und Flüsse führten außerdem bis ins 19. Jahrhundert klares Wasser, das für die häusliche Wäsche, für das Tränken des Viehs oder zum Baden genutzt wurde. Die einfachste Art der Wasserversorgung war das Sammeln von Regenwasser in einer Zisterne. Vor allem in Gebieten mit wenigen Oberflächengewässern oder schwer erreichbaren Grundwasservorkommen wie der Schwäbischen Alb deckten Bewohner ihren Wasserbedarf mittels Zisternen und Hülen.

Solange es noch keine Rohrleitungen gab, die Wasser bis in alle Haushalte lieferten, waren die Küchen mit einer Vielzahl von Gefäßen zum Wasserholen und Bevorraten ausgestattet wie Wassergölten, Kübel und Eimer. Für warmes Wasser sorgten Wasserschiffe auf dem Herd. Abwasser in Haus und Hof wurden einfach nach draußen geschüttet, wo sie versickerten. In den Städten entledigte man sich der Schmutz- und Küchenabwasser in Dolen oder im Rinnstein in den Gassen. Von dort gelangten sie ungeklärt in die Gewässer. Fäkalien landeten – im besten Fall – in Abortgruben, sofern sie denn vorhanden waren.

Hausklärgrube
Sicherung der öffentlichen Gesundheit und Reinlichkeit im Amtsbezirk Lörrach, 1908 [Quelle: Staatsarchiv Freiburg B 719/1 Nr. 7134 ]

Die Abwasserentsorgung und die Versorgung mit sauberem Wasser entwickelten sich im 19. Jahrhundert in den Städten und Gemeinden allmählich zum Problem. Die Bevölkerung wuchs rasant, es wurde mehr und dichter gebaut und in Landwirtschaft, Gewerbe und entstehender Industrie stieg der Wasserbedarf. Ab den 1860er Jahren führten erste Städte in Baden-Württemberg zentrale Wasserversorgungssysteme mit Pumpwerken, Hochbehältern und gusseisernen Druckrohren ein, die das Wasser bis in die Häuser leitete. Eine Besonderheit war die Wasserversorgung auf der Schwäbischen Alb: Bereits 1869 schlossen sich mehrere benachbarte Alb-Gemeinden zu einer Gruppenwasserversorgung zusammen, der erste Verband dieser Art in Europa, dem weitere folgen sollten.

Wie wichtig sauberes Trinkwasser ist, machten Cholera- und Typhus-Epidemien im 19. Jahrhundert deutlich. Vor allem Typhus war im Südwesten überdurchschnittlich stark verbreitet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die eng mit den Namen Max von Pettenkofer und Robert Koch verbunden sind, rückten die hygienischen Verhältnisse und damit auch die schlechte Wasserqualität in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Immer mehr Kommunen erklärten Ende des 19. Jahrhunderts die Trinkwasserversorgung und den Ausbau der Kanalisation zu ihrer Aufgabe, die Kontrolle über die Wasserhygiene wurde Sache der Behörden. Damit entwickelte sich sauberes Wasser zu einem öffentlichen Gut. Um 1900 war der Großteil der städtischen Haushalte an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen – ein Prozess, der sich in ländlichen Regionen bis weit in das 20. Jahrhundert hinzog. Der Wasserzulauf in den Wohnungen befand sich meist in der Küche.

Um die Jahrhundertwende begannen sich Wasserklosetts als geruchlose und hygienische Alternative der Fäkalienentsorgung zu verbreiten. Bis sich Toiletten mit Wasserspülung und Badezimmer in Häusern und Wohnungen allgemein durchsetzten, sollte es noch mehrere Jahrzehnte dauern. Erst seit 1950 gehört das Badezimmer zur Standardausstattung bei Neubauten.

Mit dem Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung ist unser Wasserverbrauch kontinuierlich gestiegen. Nach einem Höhepunkt Anfang der 90er-Jahre (rund 145 Liter pro Einwohner und Tag) ist der Verbrauch seitdem rückläufig. Steigende Wasserpreise sowie Abwassergebühren und wassersparende Technik, aber auch ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit Ressourcen haben dazu beigetragen. Letzteres spiegelt sich zum Beispiel in Konzepten wie dem „virtuellen Wasser“ oder dem „Wasserfußabdruck“ wider. Eine funktionierende Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser gilt heute als Zeichen von zivilisatorischem Fortschritt. In diesem Zusammenhang sind Wasserzugang und Wasserverteilung in Entwicklungsländern in die öffentliche Diskussion gerückt.

Literatur

  • Judith Seifert/Petra Noll, Vom Abort bis Zuber. Hygiene auf dem Land, in: BC – Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 24 (2001), Heft 2. S. 60-72.
  • Mensch und Wasser in der Geschichte. Dokumente zu Umwelt, Technik und Alltag vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, Stuttgart 1989.
     

 

Zitierhinweis: Inka Friesen, Vom Brunnen in den Wasserhahn, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020

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