„Gruß und Kuß“

Postkarten aus Deutsch-Südwestafrika

„Kaffernfamilie“, Vorlage: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 732
„Kaffernfamilie“ [Quelle: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 732]

Der Nachlass des Kaufmanns Robert Arnaud (1885–1945) im Staatsarchiv Sigmaringen beinhaltet eine umfangreiche Postkartensammlung aus aller Welt. Darunter sind auch elf Postkarten aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, welche Hede, eine Verwandte oder gute Freundin von Arnauds späterer Frau Amelie Dieringer, zwischen 1907 und 1909 schrieb. Aus ihnen werden die unterschiedlichen Lebenswelten von Kolonisten und Kolonialisierten deutlich, sowie die Sichtweise der Kolonialherren auf sich selbst, die Einheimischen und den Herero-Aufstand. Zu dieser Zeit brauchten die Postkarten etwa einen Monat von Windhuk nach Sigmaringen.

Der Begriff Kaffer, mit dem eine der Postkarten betitelt ist, wird heute als rassistisch angesehen, war damals aber eine übliche, wenn auch abwertende Bezeichnung für die Bantu- Völker, die unter anderem auf dem Gebiet des damaligen Deutsch-Südwestafrikas lebten. Auf der Postkarte klar zu erkennen sind die extrem aufgeblähten Bäuche der Kinder, die durch eine Mangelernährung nach dem Stillen entstehen. Im Hintergrund sind die typischen Behausungen der Bantu zu sehen. Auf der Rückseite der Postkarte schreibt Hede, dass sie enttäuscht sei, so wenige Briefe von Amelie Dieringer zu bekommen. Während die Einheimischen also hungern und in einfachen Hütten leben, scheint es Hedes größtes Problem zu sein, nur wenige Briefe aus der Heimat zu bekommen.

„Zur Regenzeit“, Vorlage: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 733
„Zur Regenzeit“ [Quelle: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 733]

Auf einer anderen Postkarte schreibt Hede: Umstehendes Bild ist eine Ansicht von unserer Farm, die wir uns kürzlich erworben haben. 12.780 ha groß. Alles Eigentum, ein wonniges Gefühl, sagen zu können: soweit das Auge reicht, alles ist mein Eigentum! Und eine wunderbare Jagd. Kürzlich habe ich hier eine Riesenschlange gekauft. 6,80 Meter lang. Von der Haut wollen wir uns Gürtel machen lassen. Ich weiß nur vorläufig keinen Fabrikanten in Deutschland dafür. Sonst musst du eben noch warten. Innigen Gruß und Kuß, deine Hede.

Eine weitere Postkarte ist Teil einer Serie, in der mit Gedichten und Liedern die Kämpfe zwischen gut ausgebildeten deutschen Soldaten und den Kriegern der Herero während des Herero-Aufstandes propagandistisch idealisiert wurden. Der Verleger der Postkartenserie Franz Spenker ist selbst Soldat in Deutsch-Südwestafrika gewesen.

„Kriegsbilder – Am Waterberg“, Vorlage: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 735
„Kriegsbilder – Am Waterberg“ [Quelle: Landesarchiv BW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 735]

Die Herero hatten 1904 in einem Aufstand gegen Landenteignungen und rassistische Behandlung durch die Siedler und ihre Institutionen rebelliert. Am Waterberg fand die entscheidende Schlacht statt. Deren Ausgang zwang die Herero, mit ihrem gesamten Volk in eine Wüste zu flüchten, wo ihnen sowohl das Verlassen der Wüste als auch der Zugang zu Wasserstellen innerhalb der Wüste von deutschen Truppen verwehrt wurde. Größtenteils durch Verdursten verloren deshalb etwa 40.000–60.000 Herero und damit bis zu 80 Prozent des Volkes ihr Leben, was heute von Historikern als Völkermord eingestuft wird. Im Gedicht auf der Postkarte wird dennoch eine ehrenhafte Schlacht beschrieben und den Herero Hinterhältigkeit unterstellt sowie der Mut der deutschen Soldaten beschworen.

Laurencius Griener

Quelle: Archivnachrichten 58 (2019), S. 14-15

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