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„Semmer Kerle oder koine“ – Das Theaterwunder Lindenhof auf der Schwäbischen Alb

 

Das ländliche Melchingen, ein Ortsteil von Burladingen, im Jahr 1988 [Quelle: Landesmedienzentrum BW]
Das ländliche Melchingen, ein Ortsteil von Burladingen, im Jahr 1988 [Quelle: Landesmedienzentrum BW]

Semmer Kerle oder koine war das erste Stück, das das neu gegründete Theater Lindenhof im 1000-Einwohner-Dorf Melchingen zur Aufführung brachte. Ein Theater, mitten auf der kargen Schwäbischen Alb – noch dazu kein volkstümliches, sondern ein Volkstheater sollte es sein mit dem besonderen Merkmal der Authentizität. Zunächst wurde das Ensemble argwöhnisch beäugt. Mittlerweile sprechen der stete Zulauf und viele Auszeichnungen für sich. In diesem Jahr wird das Theater 40 Jahre alt. Hervorgegangen aus einem linksalternativen Reutlinger Schultheaterprojekt, stand die Idee einer freien, selbstbestimmten Organisation im Mittelpunkt. Keine abgehobenen Experimente, sondern gesellschaftlich-politische und sozial aufrüttelnde Stoffe mit regionalen Bezügen aus Vergangenheit und Gegenwart sollten die Menschen erreichen und auch der Humor durfte nicht zu kurz kommen. Ein wichtiger Aspekt war von Anfang an der Dialekt und die Verbundenheit mit der Schwäbischen Alb. Wichtig und nicht zuletzt wegweisend wurden aber auch die künstlerische Qualität der Aufführungen, die örtliche Begebenheiten und Besonderheiten hervorheben und die unverstellte, eindringliche Erzählkraft und Poesie der Darstellung, die eine Brücke zu schwäbischen Dichtern und Denkern schlägt. Zum weiteren Markenzeichen wurden die sommerlichen Aufführungen an bis dahin ungewöhnlichen Orten. Das Theater schuf so eine Möglichkeit, sich mit Heimat auseinanderzusetzen ohne heimattümelnd zu werden.

Ging vielen autonomen Projekten der 1980er Jahre bereits nach kurzer Zeit die Luft aus, sorgt das Theaterwunder von der Schwäbischen Alb bis heute für Überraschungen. Gegründet als Verein, bildet mittlerweile eine Stiftung die Grundlage. Es bestehen Theaterpartnerschaften mit 21 baden-württembergischen Städten und Kooperationen, so mit dem Zimmer- und dem Landestheater Tübingen. Das Ensemble gastiert an Spielorten im In- und Ausland. Rund zwei Drittel der Aufführungen finden im Lindenhof statt. Zu den frühen Erfolgen zählt das 1984 uraufgeführte Stück Nacht oder Tag oder jetzt, eine zeitlich übergeordnete, politisch-soziale Parabel vor dem Hintergrund frühneuzeitlicher Hexenverfolgung, das mehrmals bei Gastspielen im nicht-deutschsprachigen Ausland gezeigt wurde. Zu den auf bundesebene bedeutenden Auszeichnungen zählen der Monica-Bleibtreu-Preis der Privattheatertage in Hamburg für Homo Faber im Jahr 2014 und der BKM-Preis für kulturelle Bildung im selben Jahr für das Projekt Ein Dorf im Widerstand zum Mössinger Generalstreik 1933. Aufsehen erregten auch die Inszenierungen zum Leben Friedrich Hölderlins und die „Melchinger Winterreise“ von Peter Härtling.

Mit eigenen Stücken sowie einem Kabarett- und Kleinkunstprogrammen ist das Theater Lindenhof stets offen für Experimente und bietet Angebote zum Mitmachen für alle, insbesondere Schulen.

Zum 40-jährigen Jubiläum beschäftigten sich die Masterstudierenden der Empirischen Kulturwissenschaft (EKW) Tübingen mit dem Lindenhof. Im Mittelpunkt stand die historische und gegenwärtige Alltagskultur: Wie arbeiten Menschen, wie organisieren sie ihren Alltag und wie gehen sie miteinander um? Daraus ist unter anderem die (virutelle) Ausstellung Was für ein Theater! entstanden.

Viele weitere Infos zu Konzepten, Geschichte und Projekten auf der Homepage des Theaters Lindenhof

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