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Des Aufsagens zweiter Teil – die Schantle von Oberndorf am Neckar

Schantle, Polizeischantle und Narro auf einer historischen Fotografie, Quelle Oberndorf am Neckar
Schantle, Polizeischantle und Narro auf einer historischen Fotografie, Quelle Oberndorf am Neckar

Eine der wichtigsten Fasnetsfiguren von Oberndorf am Neckar ist der Schantle, den es sonst nur in Rottweil gibt. Er trägt ein Fleckenhäs sowie ein etwas grimmiges Lächeln zur Schau, die Maske ziert eine grobzinkige Nase, auf der die eine oder andere Warze sprießt. Ein weiteres Charakteristikum ist der hinkende Gang. Eine seiner Hauptaufgaben besteht im Aufsagen, das gleich nach Dreikönig beginnt, wenn die aktive närrische Phase eingeläutet wird. Die Oberndorfer Schantle haben einen eigenen Sonntag, wenige Wochen vor der Fastnacht, an dem sie durch Straßen und Gasthäuser ziehen. Am Fastnachtssonntag oder -montag widmet sich der Schantle den Kindern, die Sprüche aufsagen und mit kleinen Gaben belohnt werden. Trotz seiner äußeren Erscheinung hat der Schantle ein weiches Herz.

Großes Wohlwollen genießt der nicht weniger wichtige Oberndorfer Narro. Das wundert nicht, denn fester Bestandteil der gleichfalls historischen Figur ist seine einmalige Brezelstange. Derlei Transportmittel wurden im Zeitalter vor dem Verpackungs-Wahnsinn vom Bretzenbäck verwendet, um das druckempfindliche Gebäck in der Öffentlichkeit zu verkaufen. Einen Kollegen hat der Oberndorfer Narro in Villingen, denn wie dieser trägt er Schellen über bunt bemalter weißer Hose und Kittel, dazu eine überaus freundliche Maske. Ihren Höhepunkt erreicht die Oberndorfer Fastnacht beim Narrensprung am Fastnachtsdienstag. Erst dann dürfen Narro und Hansele zusammen mit den Schantle in die Öffentlichkeit und mischen sich in das bunte Treiben der Ober- und Unterstadt.

Die hier vom Schantle verteilten Orangen haben einen historischen Hintergrund. Nach einem Auftrag aus der Türkei für die heimische Waffenindustrie kamen um 1887 Gesandte aus dem damaligen Konstantinopel in die Stadt, die sich vom Fastnachtsfieber sowie der für Oberndorf bekannten Fröhlichkeit anstecken es sich nicht nehmen ließen, beim Narrensprung mitzumachen. Neben dem sonst üblichen Dörrobst regnete es Orangen und Feigen. Die Schantle nahmen das begeistert in ihr Repertoire auf. Dazu findet sich ein eigener Absatz im Oberndorfer Narrenkodex der besagt, beim Werfen mit den recht großen Früchten die nötige Sorgfalt walten zu lassen. Das Narrentreiben am Dienstag währt nur kurz, denn der besagte Kodex hat strenge Vorschriften. Bei Einbruch der Dunkelheit, wenn es Betzeit läutet, müssen alle Maskenträger nach Hause gehen und ihr Kostüm ablegen.

Weitere Infos bei der Narrenzunft Oberndorf 

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