null

Jüdisches Leben in Haigerloch

 Synagoge Haigerloch (Quelle: LABW)
Schnitt der Synagoge zu Haigerloch mit Thoraschrein und Lesepult. [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, StAS Ho 202 T 2 Nr. 1317]

Die Stadt Haigerloch kann in ihrer Geschichte auf etwa 500 Jahre christlich-jüdisches Zusammenleben zurückblicken. Seit der Wende zum 16. Jahrhundert – zu einer Zeit, als viele jüdische Bürger aus Reichsstädten und Territorien ausgewiesen wurden – erfuhr die jüdische Gemeinde des zeitweiligen Residenzstädtchens besonders großen Zuwachs. Gegen Zahlung eines Tributs erhielten Jüdinnen und Juden vom Landesherrn einen Schutzbrief, der ihnen für eine begrenzte Zeit das Wohn- und Handelsrecht einräumte. Allzu umfassend dieser Schutz jedoch nicht: die Zahl der jüdischen Familien war begrenzt, nur jeweils ein Kind durfte heiraten, als Berufszweig war lediglich der Handel erlaubt. Zudem waren die Schutzbriefe befristet und nach Ablauf der Geltungsdauer jeweils neu zu erwerben. Der erste bekannte Schutzbrief stammt vom 6. Oktober 1534 und wurde von Graf Christoph Friedrich von Zollern ausgestellt. 1780 schließlich verfügte Fürst Karl Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen, dass sich die Juden zu Haigerloch in einem gesonderten Stadtviertel – dem sogenannten Haag – dauerhaft anzusiedeln hätten, wo ihnen ein Grundstück zum Bau einer Synagoge und ein Begräbnisplatz zugewiesen wurden. Bislang hatte es für die rund 20 jüdischen Familien nur einen kleinen Betsaal gegeben, der sich in einem Wohnhaus in der Oberstadt befand. Im Haag entstand somit die „Infrastruktur" einer lebendigen jüdischen Gemeinde: 1783 wurde eine Synagoge eingeweiht sowie in deren unmittelbarer Nähe eine Mikwe eingerichtet. 1803 wurde direkt an das Wohnviertel angrenzend ein neuer Friedhof angelegt. Seit 1820 bestand in Haigerloch ein eigenständiges Rabbinat, seit 1823 eine jüdische Elementarschule. 1845 wurde eine neue Mikwe errichtet. Auch eine Metzgerei („Judenmetzig") und eine Mazzenbäckerei waren vorhanden sowie ein jüdisch-geführtes Gasthaus, zuletzt bis 1939 das Gasthaus „Rose".

Schon bald erwies sich die Synagoge als zu klein, besonders nachdem seit 1837 auch die Frauen am Sabbat zur Teilnahme an Predigt und katechetischem Unterricht in der Synagoge verpflichtet waren. Das hatte in erster Linie rechtliche Ursachen. Denn nach dem landesfürstlichen Gesetz über die staatsbürgerlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen vom 9. August 1837 waren nun sowohl verheiratete als auch unverheiratete Frauenspersonen verpflichtet, am Sabbat und an Feiertagen zum Vortrag über die Vorschriften der Religion und der Sittenlehre zur Erbauung der Erwachsenen zu erscheinen. Nach längeren Auseinandersetzungen hierüber innerhalb der Jüdischen Gemeinde und mit der fürstlichen Verwaltung, vor allem wegen der zu erwartenden Kosten, kam es 1839/1840 zum Umbau und zur Erweiterung der Synagoge. Zunächst wurde die Empore um zwei neue Galerien erweitert. Außerdem wurden unterschiedliche Männer-, Frauen- und Kinderstühle angeschafft. Der eigentlich geplante Anbau einer Wohnung für den Vorbeter sowie die Neuanordnung von Thoraschrein, Vorlesepult und der vorgelagerten Bänke wurden jedoch nicht verwirklicht. Nach Abschluss der Erweiterung bot die Synagoge schließlich Platz für 294 Personen.

Während der Novemberpogrome am Morgen des 10. November 1938 wurde die Synagoge so verwüstet, dass ein Gottesdienst nicht mehr möglich war.
Am 65. Jahrestag der Schändung der Synagoge wurde das Gebäude als Ausstellungsstätte für die Geschichte der einst in Hohenzollern lebenden Jüdinnen und Juden und zugleich als Haus der Begegnung und des Dialoges wieder geöffnet. Weitere Informationen zur Synagoge in Haigerloch finden Sie in den aktuellen Archivnachrichten des Landesarchivs Baden-Württemberg sowie auf der Seite der Synagoge Haigerloch. (JH)
00

More Blog Entries

Suche

LEO-BW-Blog

Logo LEO-BW-Blog

Herzlich willkommen auf dem LEO-BW-Blog! Sie finden hier aktuelle Beiträge zu landeskundlichen Themen sowie Infos und Neuigkeiten rund um das Portalangebot. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den einzelnen Posts.

Über den folgenden Link können Sie neue Blog-Beiträge als RSS-Feed abonnieren: 

https://www.leo-bw.de/web/guest/blog/rss