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Spielen und Lernen

Quartettspiel aus dem 19. Jahrhundert

Kartenspiel: Obst- und Gemüsequartett um 1900 [Quelle: Landesmuseum Württemberg]

Das Spielen ist eine elementare Kulturtechnik. War das gemeinsame Spiel in frühneuzeitlichen und mittelalterlichen Lebensformen fest in den Alltag integriert, veränderte sich ab dem 19. Jahrhundert die Bewertung des Gesellschaftsspiels, was vor allem mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der beiden Sozialsphären Arbeit und Freizeit zusammenhing. Die bildende Funktion des Spiels trat in den Vordergrund und das Spielen erschien nur dann als gerechtfertigt, wenn es der Erziehung oder Wissensvermittlung diente. Insbesondere das Quartettspiel widmete sich dem spielerischen Lernen. So gab es beispielsweise Quartette mit Motiven zu Themengebieten wie Geographie, Kunst, Geschichte oder naturkundlichen Themen, wie es das hier gezeigte Obst- und Gemüsequartett aus dem Jahr 1900 darstellt. Gilt das Quartett heute als Spiel für Kinder, so war es zu seinen Anfangszeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst an erwachsene Spieler gerichtet und fand vor allen Dingen in den Salons des Bildungsbürgertums Verbreitung.
Dass Spiele immer auch eine gesellschaftspolitische Dimension haben und ein Spiegel der jeweiligen Zeitumstände sind, wird besonders deutlich an Geografie- und Reisespielen, die bereits ab dem 17. Jahrhundert nachweisbar sind. Häufig wurde hier das Motiv der Eroberung verarbeitet und  Ideen des Kolonialismus propagiert. Nicht selten dienten sie aber auch als spielerischer Ersatz für das Reisen selbst, wie dieses jüngere Beispiel aus den 1920er Jahren zeigt. Das Spiel ist eine Form praktisch angewandter Heimatkunde, wofür schon die Spielfiguren sprechen. Sie stellen typisierte Personen in Trachten vor, deren Gewänder erklärt werden: die Gutachterin, den Peterstäler, den Glottertäler, den Hotzenwälder etc. Das Spiel beabsichtigte eine nachhaltige spielerische Verfestigung badischer bzw. Schwarzwälder Stereotypen, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert ausbildeten und zum regionalen Selbstverständnis wurden, wie man sie noch heute in touristischen Prospekten findet.

 

Reisespiel aus den 1920er Jahren zum Thema Schwarzwald

Brettspiel: "Die Reise durch den Schwarzwald" [Copyright: Badisches Landesmuseum Karlsruhe]

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