Späth, Carl Julius 

Andere Namensformen:
  • Späth, Karl Julius
Geburtsdatum/-ort: 12.04.1838;  Steinmauern
Sterbedatum/-ort: 02.04.1919;  Steinmauern
Beruf/Funktion:
  • Uhrmacher
Kurzbiografie: 1844–1852 Volksschule in Steinmauern
1852 Weberlehre
1859–1861 Militärdienst in Konstanz, Karlsruhe u. Mannheim
1864 Weber in Steinmauern
1865 Übergang zum Uhrmacherhandwerk
1878 II 5 „Allerhöchste wohlwollende Anerkennung“ durch Großherzog Friedrich I.
1884 „Allerhöchste Anerkennung“ durch Kaiser Wilhelm I.
1895–1896 Zwangseinweisung als Geisteskranker in Heidelberg, Karlsruhe u. Illenau
1898 V 21 Vollendung d. Astronomischen Kalenderuhr
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Karl-Späth-Straße (1971), Gedenkstein (1992) u. mehrere Gedenktafeln, Gedenkraum (1999) im Flößerei-Museum sowie Karl-Späth-Schule (2007), alles in Steinmauern.
Verheiratet: 1865 Theresia, geb. Klein (1840–1914)
Eltern: Vater: Mathias, Weber (geboren 1811)
Mutter: Maria Anna, geb. Nold, Näherin
Geschwister: 5
Kinder: 12;
Hubert (geboren 1866),
Theodor (1867–1868),
Heinrich (geboren 1868),
Maria Anna (geboren 1870),
Stefan (geboren 1872),
Vinzenz (geboren 1875),
Augustin (geboren 1876),
Magdalena (1877–1878),
Ludwig (geboren 1878),
Nikolaus (1879–1916),
Wendelin (geboren 1881),
Justina (geboren 1885)
GND-ID: GND/132865335

Biografie: Johannes Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 550-552

Auf einer seiner sogenannten Sommerfahrten kehrte Heinrich Hansjakob, der berühmte Pfarrer und Volksschriftsteller, auch noch einmal in Durmersheim ein und wollte eben „einsteigen zur Weiterfahrt, als ein blasser, älterer Mann raschen Schrittes auf mich zukam. – Es war der einzige, wahrhaftige und echte Geniemensch von Gottes Gnaden, den ich im Leben kennengelernt, der Uhrenmacher Karl Späth von Steinmauern bei Rastatt“ (Hansjakob, 1904, S. 81).
Und dabei hatte sich Späth die Kenntnisse, die ihn berühmt machten, erst allmählich und aus eigenem Antrieb angeeignet. Sein Vater war Weber, sein Großvater väterlicherseits, der aus Ottenau im Murgtal stammte, Strumpfweber. Dem schon früh auffallenden, aufgeweckten Jungen blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls das angestammte Handwerk zu erlernen. Nun neigten die Weber, die allein in ihrem Stübchen saßen und denen die Arbeit fast von selbst von der Hand ging, schon immer zum Grübeln, zum Sinnieren und Spintisieren, Späth scheint keine Ausnahme gemacht zu haben. Und worüber dachte er wohl nach? Über die Bücher, die ihm der Pfarrer lieh und die er eifrig las; und über die Uhren, die der Vater nebenher reinigte und reparierte. Vollends war es um ihn geschehen, als der Soldat Späth einem Offizier zugeteilt wurde, der eine kleine astronomische Uhr besaß, die überdies mehrere Melodien spielen konnte und die ihn derart begeisterte, „dass er sich feierlich zuschwur: Wenn ich einmal Herr meines Lebens bin, werde ich alles aufbieten, was in meinen Kräften steht, um auch einmal so etwas, ein ähnliches Werk, herzustellen“ (Späth, 1906, S. 15).
Nach seiner Rückkehr ins zivile Leben in Steinmauern setzte er sich zwar wieder an den Webstuhl, wandte sich aber immer mehr den Uhren zu, die man ihm brachte, und baute schließlich selber eine, die 1868, und eine zweite, größere, die 1877 fertig wurde. Beide Werke zeigten kalendarische Daten an, ließen bewegliche Figuren sehen und, durch ein Glockenspiel, Melodien hören. Sie fanden Bewunderer und Käufer; so bestellte ein Kommerzienrat Busch in Berlin eine Uhr, die 1883 vollendet war.
Durch diese Erfolge ermutigt machte Späth sich noch einmal an die Arbeit. Er brauchte einen langen Atem für eine neue Uhr, die alle bisher bekannten, nicht zuletzt die berühmte im Straßburger Münster, in den Schatten stellen sollte. Fünf Jahre lang musste er rechnen, ein Jahr lang zeichnen, malen und schnitzen; dreizehn Jahre verwandte er auf das eigentliche Werk mit seinen 2200 Teilen und den zu ihrer Anfertigung erforderlichen Werkzeugen. Am 21. Mai 1898 stand die Uhr dann so da, wie er sie sich vorgestellt hatte und in einem rund 40 Strophen umfassenden Gedicht sich beschreiben ließ. Sie zeigte eine Vielzahl von astronomischen und kalendarischen Daten, auch die Stellung der Gestirne und die beweglichen Feste. Je nach Jahreszeit ließen sich ein Kuckuck, eine Wachtel, ein Löwe und ein Stier vernehmen. Es gab u.a. einen Hahn, der krähte und mit den Flügeln flatterte, einen Mönch, der die Glocke läutete, und drei Engel, die an eine Glocke schlugen, in eine Posaune bliesen und eine Sanduhr umwendeten, was alles mehrmals täglich geschah. Um die Mittagszeit zogen die Apostel sich verneigend an dem sie segnenden Jesus vorbei. „Weitere Deutung meiner Bilder/ Uberlass ich jedem gern;/ Mag mein Anblick dich erfreuen!/ Und erbauen nah und fern!“ (Späth, 1906, S. 7). Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin erstattete 1901 ein höchst positives Gutachten über diese Uhr, und schon vorher hatten ihm Großherzog Friedrich I. eine „Allerhöchste wohlwollende Anerkennung“ und Kaiser Wilhelm I. eine „Allerhöchste Anerkennung“ ausgesprochen.
Aber bis es so weit war, hatte Späth noch viele Hindernisse überwinden müssen. Seine Mitbürger hielten ihn für verrückt, und seine Frau, mit der er sich oft stritt, wohl auch. Von einem Oberamtsrichter gar hatte er sich sagen lassen müssen, dass ihm „e Rädel im Kopf g’sprungen“ sei (Späth, 1906, S. 26). Er wurde angeblich für närrisch erklärt, sollte 1895 in Heidelberg untersucht werden, floh in die Schweiz, wurde bei der Rückkehr in Straßburg verhaftet, nach Heidelberg verbracht, dann nach Karlsruhe, schließlich in die Landesirrenanstalt Illenau eingeliefert. Nach 159 Tagen kam er endlich frei.
Späth erlebte noch, dass Zehntausende nach Steinmauern kamen, um seine Uhr zu bewundern, viele auch, um über sie und ihn zu berichten. Er selber verfasste seinen Lebensbericht und ließ ihn 1906 in Achern drucken. Überhaupt griff er oft und gern zur Feder, vor allem, um in langen, meist unveröffentlicht gebliebenen Gedichten seine Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen festzuhalten.
Seine Uhr steht jetzt im Stadtmuseum in Rastatt. Obwohl ihr Werk bis zum Jahr 3199 berechnet war, geht sie nicht mehr. 1970 war sie in der Fachhochschule Furtwangen mühsam wieder in Gang gebracht worden, blieb aber schon 1979 wieder stehen. Der Erfolg einer neuerlichen Reparatur wäre so aufwendig wie ungewiss. Aber die Straße und die Schule, die nach ihm benannt sind, und ein Denkmal mit einer Sonnenuhr, die die Ortszeit von Steinmauern zeigt, erinnern an den „armen Mann, den Gott zum Genie geschaffen hat, den die Menschen aber nicht verstanden, verkannt und verfolgt haben, wie die meisten seinesgleichen“ (Hansjakob, 1904, S. 84).
Quellen: PrivatA Udo Götz, Steinmauern.
Werke: Wahrheitsgetreue Lebensbeschreibung eines Mannes, den man wegen Erbauung einer großartigen Astronomischen Kalenderuhr amtlich närrisch erklärt, seiner bürgerlichen Ehrenrechte entkleidet u. 159 Tage ins Irrenhaus gesperrt hat, 1906; Gedichte in: Hansjakob, 1904, 90-98, 101 u. 103f.; Kraemer, 1926, 154 u. 187f. (vgl. Literatur).
Nachweis: Bildnachweise: Gemälde, um 1900, Maler unbek., in: Stadtmuseum Rastatt; Curt Liebich, in: Hansjakob, 1904, 83; Walter, 2005, 99 u. 101; Werner, 2011, 123 (vgl. Literatur).

Literatur: Heinrich Hansjakob, Sommerfahrten. Tagebuchblätter, 1904; N.N., Die astronomische Kunstuhr u. deren Erbauer Karl Julius Späth von d. Landgemeinde Steinmauern (Amt Rastatt), o. J. [ca. 1920]; Hermann Kraemer, Steinmauern. Geschichte eines Flößerdorfes, 1926; Werner Natterer, Uhrmacher Karl Julius Späth aus Steinmauern, in: Heimatbuch Landkreis Rastatt Bd. 6, 1979, 141-145; Alfred Haamann, Die Astronomische Kunstuhr des Karl Julius Späth aus dem Jahre 1898, in: Uhren Bd. 17, 1994, 12-19; Martin Walter, Karl Julius Späth – ein verkanntes Genie?, in: Heimatbuch Landkreis Rastatt Bd.44, 2005, 99-108; Gottfried Zurbrügg, Eine Uhr für die Ewigkeit. Carl Julius Späth, Uhrmacher u. Genie, 2006; Johannes Werner, Steinmauern. Dorf an Murg u. Rhein, 2011.
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