Pläne für die Zukunft

Ein Interview von Eva Rincke, durchgeführt am 23. Dezember 2022 in der Synagoge in Baden-Baden

 Chanukka-Leuchter vor der Synagoge in Baden-Baden im Dezember 2022 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Foto: Eva Rincke]  
Chanukka-Leuchter vor der Synagoge in Baden-Baden im Dezember 2022 [Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Foto: Eva Rincke]

Jetzt hatten sie aber auch erwähnt, dass 2018 ein neues Gelände gekauft wurde. Ist es geplant, eine neue Synagoge zu bauen?

Irina Grinberg: Für unsere Aktivitäten haben wir in Baden – Baden erstens die Synagoge und dann 100 Meter weiter das Gemeindezentrum. Dort besuchen die Gemeindemitglieder verschiedene Kurse und dort arbeiten wir sehr aktiv für unsere Gemeindemitglieder. Wir haben nichts Eigenes und hoffen sehr, dass irgendwann wird für uns gebaut. Deswegen wurde im Jahr 2018 das Areal gekauft, aber leider wird noch nichts gebaut. Leider. Denn natürlich wünscht die Gemeinde sich ein eigenes Zuhause. Das ist wichtig.

Rabbiner Surovtsev: Die Synagoge ist auch vom Gemeindezentrum getrennt. Wenn wir hier Gottesdienst haben und uns für eine Feier versammeln wollen, dann müssen wir laufen.

Irina Grinberg: Das spielt auch in Bezug auf die Sicherheit eine große Rolle. Sobald ein Gebet durchgeführt wird, soll die Polizei immer dabei sein. Wir informieren vorab, wann die Spielgruppe da ist oder das Gebet sein soll.

Wenn ein Gebet stattfindet, ist ein Teil davon das Kiddusch, das ist eine Mahlzeit. Das gehört dazu. Das können wir aber nicht hier in der Synagoge machen, sondern das findet dann in einem großen Saal statt. Dann sollen alle Gemeindemitglieder von hier zur Sophienstraße 2 spazieren, also auch Kinder.

Der Rabbiner hat vor einem Jahr gesagt, dass Baden-Baden so eine ruhige Stadt ist und dass hier nie irgendetwas Schlimmes passiert, dass Juden beleidigt wurden, nichts dergleichen. Aber zwei Wochen nachdem er das gesagt hat, ist hier eine israelische Fahne einfach zerstört worden. Und unsere Chanukkija, der große Chanukka-Leuchter, ist umgekippt worden. Total peinlich. Ja, das sollte nicht sein.

Deswegen hätten wir gern ein eigenes Zuhause. Mehr Sicherheit. Und natürlich Frieden. Ja, das ist so wichtig. Nicht nur für die Juden, sondern für alle Leute. Das ist ganz normal. Die Eltern wollen, dass die Kinder in Sicherheit leben, wachsen, spielen, ja sogar träumen. Das ist ganz normal für alle Familien.

Wenn wir über die Beziehungen zu anderen Religionsgemeinschaften sprechen, sind wir gerne dabei. Wir sind oft an verschiedenen Friedensgebeten in Rastatt, Baden-Baden, Gernsbach und Bühl mit anderen Religionen beteiligt. Der Rabbiner und unsere Gemeinde beteiligt sich sehr gerne am Trialog. Wir machen viel und wir zeigen unseren Friedenswunsch. Auch mit verschiedenen Gebeten. Das ist für uns sehr, sehr wichtig. Das ist ein Teil unseres Lebens.

Wo setzen Sie jetzt für die nächsten Jahre denn den Schwerpunkt in der Gemeindearbeit? Was ist Ihnen neben dem Frieden auch noch besonders wichtig?

Rabbiner Surovtsev: In den nächsten Jahren werden wir einen Generationswechsel sehen. Ja, so ist unsere Realität. Ich glaube, wir sollen bei diesem Generationswechsel unsere Gemeinde so gut wie sie jetzt ist beibehalten. Und alle Kulturangebote für den Nachwuchs, die es schon gibt, erweitern. Ich engagiere mich persönlich besonders für die jüdische traditionelle Erziehung, den Religionsunterricht für kleine Kinder, weil diese Kinder unsere zukünftigen Gemeindemitglieder sind.

Irina Grinberg: Wir wollen, dass unsere Gemeinde für Kinder, Jugendliche und mittlere Generationen attraktiv wird. Wir machen auch sehr viel im sozialen Bereich. Ja, für ältere Leute natürlich. Wir helfen bei verschiedenen Besuchen auf dem Amt, Arztbesuchen, das Formular auszufüllen… Wir unterstützen, wenn möglich, mit Auskunft und Information. Wir unterstützen sehr gern in verschiedenen Bereichen des Lebens.

Unser Einzugsbereich ist übrigens Bühl, Baden-Baden, Rastatt, dann sind da noch kleine Städte wie Gernsbach und Gaggenau.

Wie viele Mitglieder hat die Gemeinde insgesamt?

Irina Grinberg: Halachisch jüdisch sind 509 Personen. Halachisch jüdisch, das bedeutet, dass die Mutter eine Jüdin ist…

Rabbiner Surovtsev: …oder dass die Menschen zum Judentum konvertiert sind. Dazu haben wir noch Familienmitglieder und so genannte assoziierte Mitglieder oder Menschen mit assoziierter Mitgliedschaft.

Irina Grinberg: Assoziierte Mitglieder haben kein Stimmrecht bei der Vollversammlung. Ansonsten nehmen sie bei verschiedenen Veranstaltungen teil und können natürlich auch zum Gebet kommen. Auch assoziierte Mitglieder werden von uns sozial betreut und unterstützt. Insgesamt betreuen wir also bis zu 700 Personen, wenn wir die Familienmitglieder und assoziierten Mitglieder dazuzählen.

Ja, wir freuen uns sehr. Wir wollen, dass die Gemeinde wächst. Wir geben uns viel Mühe, damit die Gemeinde für die Gemeindemitglieder attraktiv wird. Das ist sehr wichtig. Wir arbeiten eng zusammen mit verschiedenen Organisationen. Wir stellen viele Anträge, damit wir ein bisschen finanzielle Unterstützung kriegen, weil wir mehr Aktivitäten durchführen wollen.

Dann wünsche ich Ihnen auf jeden Fall auch für die nächsten Jahre, dass Sie da weiterhin Erfolg haben. Und ich danke ganz herzlich für Ihre Zeit und auch für diesen Einblick, den Sie uns gewährt haben.

Daniel Naftoli Surovtsev ist Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden und Irina Grinberg ist Büroleiterin und Assistentin des Vorstands.

Zitierhinweis: Irina Grinberg/Eva Rincke/Daniel Naftoli Surovtsev, Interview in der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

Suche