Becherglas Form " A 3100/3", Farbe "goldtopas" 

Datierung :
  • 1953 [Herstellung]
  • 1955 [Herstellung]
Autor/Urheber:
  • Gral-Glas Werkstätten [Hersteller]
  • Hans Theo Baumann [Entwerfer]
Ortsbezüge (Werk):
Objekttyp: Becher
Weitere Angaben zum Werk: Kristallglas [Material], Überfangglas [Technik], geblasen [Technik], Durchmesser: 7.0 cm, Höhe: 7.2 cm
Kurzbeschreibung:

Den hier präsentierten Glasbecher „Form 3100“ entwarf Hans Theo Baumann 1953. Es handelt sich um einen der ersten Entwürfe Baumanns für diese Firma. Im Nachtrag zum Produktkatalog von 1954 bewarb die Firma Gralglas den Becher wie folgt: „Von H. Th. Baumann gestaltet, sind diese mundgerecht verschmolzenen farbigen Becher ein Beispiel unseres Bemühens um wirklich zeitgemäße neue Formen, besonders geeignet für Cocktails und Fruchtsäfte.“ Der Becher wurde gemäß der Angaben im Produktprospekt in zwei verschiedenen Größen - Modell 3100/3 mit 7,2 cm Höhe sowie Modell 3100/1 mit 9,6 cm Höhe - sowie in sechs verschiedenen Farben angeboten: „goldtopas, grün, blau, citron, violett, goldrubin (rosalin)“.

Das Glas befand sich vormals in der Sammlung des Landesgewerbeamtes Baden-Württemberg. Nach Auflösung dieser Sammlung wurde ein umfangreiches Konvolut in den Bestand des Badischen Landesmuseums überführt. Das Landesgewerbeamt hatte das Glas 1955 direkt vom Hersteller erworben.

Als zeitgemäßes Beispiel für vorbildhafte Gestaltung fanden Exemplare der Becher „Form 3100“ sowie des ebenfalls von Baumann entworfenen Bechers „Form 3101“ Eingang in das Projekt der sogenannten „Schulkisten“. Diese Lehrmittelkisten hatte die seit 1955 dem Badischen Landesmuseum angegliederte „Geschäftsstelle für die Ergänzung des Kunstunterrichts an den Schulen“ konzipiert und wahlweise an interessierte Schulen für die Benutzung im Unterricht verliehen. Die in den Kisten enthaltenen Objekte dienten als Beispiele vorbildhafter Gestaltung zu Themen wie beispielsweise „Der Frühstückstisch“, „Schalen und Teller“, „Das Gießgefäß“ oder „Das Essbesteck“. Die Objekte sowie ein beigefügtes Textbuch unterstützten die Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht anschaulich bei der Vermittlung der den damaligen Vorstellungen entsprechenden „vorbildhaften“ Gestaltung. Beide Becher „Form 3100“ sowie „Form 3101“ gehörten zur Anschauungsgruppe „G 1 Der Becher“. In dieser wurden insgesamt 33 Bechergefäße vorgestellt. Bei 17 davon handelte es sich um Beispiele für historische Becher, welche der Sendung als Fotos zum Aufhängen beigefügt waren. Bei den restlichen 16 Bechern handelte es sich um „ausschließlich moderne Erzeugnisse“, welche „der Sendung im Original beigegeben“ waren. Die Kiste wurde ab September 1956 auf Wunsch leihweise an die Schulen verschickt.

Hans-Theo Baumann wurde 1924 in Basel als Sohn eines Glasmalers geboren und wuchs in Weil am Rhein auf. Ab 1946 studierte er in Basel an der dortigen Kunstgewerbeschule Malerei, Grafik, Architektur, Innenarchitektur und Stadtplanung; daneben erlernte er in der Glaswerkstatt von Otto Staiger die Grundlagen künstlerischer Glasverarbeitung. 1947 erfolgte der Umzug nach Schopfheim. Nach ersten Aufträgen als Glasmaler erlangte Baumann 1953 mit den Glasfenstern der von Egon Eiermann gebauten Matthäus-Kirche in Pforzheim und der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche in Berlin internationale Bekanntheit.

Als Mitbegründer des Verbandes Deutscher Industrie-Designer 1959 und als dessen langjähriger Präsident und Geschäftsführer gehörte Baumann seit den späten 1950er Jahren zu den Leitfiguren der deutschen Design-Szene. Seine von hoher Produktivität zeugenden Arbeiten prägten über ein halbes Jahrhundert lang maßgeblich das deutsche Design. Seit 1983 lehrte Baumann an der Hochschule der Künste Berlin.

Baumanns facettenreiches Œuvre umfasst Serienprodukte aus Porzellan, Glas, Metall, Kunststoff und Holz sowie Beleuchtungskörper, Möbel und Textilien. Seine bedeutendsten Entwürfe sind diejenigen für Tafelgerät aus Porzellan und Glas für die Firmen Rosenthal, Arzberg, Hutschenreuther und Schönwald sowie für die Glashütten Gral-Glas, Rheinkristall und Süssmuth. Neben den weit verbreiteten Serienprodukten entstehen freikünstlerische Unikat-Arbeiten wie Skulpturen und Gemälde.

Baumanns streng-geometrische, zylindrische oder konische Formensprache der 1950er/60er Jahre lösen in den 1970er Jahren eher gerundete Formen und vegetabile, starkfarbige Dekore ab. Als besonders innovativ gelten die Entwürfe für Stapelgeschirre wie die drei für die Lufthansa gestalteten Bordgeschirrservice.

Seiner Heimatstadt Schopfheim blieb Baumann zeitlebens verbunden. Hier gründete er 1955 sein Designstudio und rief 1987 den Kunstverein Schopfheim ins Leben. 2014 ernannte die Stadt den international berühmten Designer zum Ehrenbürger. 2016 verstarb H. Th. Baumann in Schopfheim.

Bereits 1993 stellte Hans Theo Baumann dem Badischen Landesmuseum ein umfangreiches Konvolut seiner Arbeiten aus seinem eigenen Besitz als Dauerleihgabe zur Verfügung. 2021 gingen diese Stücke dank der Großzügigkeit der Familie Baumann als „Schenkung Baumann“ in den Besitz des Badischen Landesmuseums über.

Lit.: Gralglas. Deutsches Design 1930-1981, Ausst. Kat. Museum Kunstpalast Düsseldorf 2011, München 2011; H. Th. Baumann. Design 1950-1990, Ausst. Kat. Museum der Deutschen Porzellanindustrie Hohenberg an der Eger, Hohenberg a. d. Eger 1989 (= Schriften und Kataloge des Deutschen Museums der Porzellanindustrie Bd. 18); Peter Schmitt: Die „Schulkisten“ des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. Ein Beitrag zur Behandlung des Themenfelds Gestaltete Umwelt im Kunstunterricht, in: "Wie wohnen. Von Lust und Qual der richtigen Wahl. Ästhetische Bildung in der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Beate Manske im Auftrag der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung Bremen, Ostfildern 2004, S. 111-120; Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.): Kunstunterricht und Umweltgestaltung. Programm und Bericht über die vom Badischen Landesmuseum durchgeführte Ergänzung des Kunstunterrichts an den Schulen in Baden-Württemberg (=Bildhefte des Badischen Landesmuseums Karlsruhe), Karlsruhe 1961.

Quelle/Sammlung: Kunst- & Kulturgeschichte - Glas
Identifikatoren/​Sonstige Nummern: LGA 1671 a [Inv.Nr.]
Weiter im Partnersystem: https://katalog.landesmuseum.de/object/F37C8E4C320D4585AC0C449CB9C9E339

Schlagwörter: Ess- und Trinksitte, Design, Design, Schulkiste
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)