»Zur Beseitigung des Mangels an Zahlungsmitteln«

Die Ausgabe von Notgeld während der Deutschen Inflation 1914–1923

Notgeld der Stadt Mühlhausen in Thüringen. Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 307 Nr. 449, Bild 5.. Zum Vergrößern bitte klicken.
Notgeld der Stadt Mühlhausen in Thüringen. Quelle: Landesarchiv BW, StAF W 307 Nr. 449, Bild 5. Zum Vergrößern bitte klicken.

Das Deutsche Reich finanzierte den Ersten Weltkrieg vor allem mit Hilfe von Kriegsanleihen, die nach Kriegsende durch erwartete Reparationszahlungen der besiegten Länder abgelöst werden sollten. Dieser Plan war jedoch mit der Niederlage des Deutschen Reiches Geschichte. Zur Beschaffung der Mittel für die nun selbst zu leistenden Reparationen brachte die Regierung immer mehr Bargeld in Umlauf, was eine immer stärker ansteigende Entwertung der Mark zur Folge hatte. Gleichzeitig verschärfte sich der schon vor Kriegsende bestehende Kleingeldmangel, denn die Bürgerinnen und Bürger hatten das Vertrauen in den Staat verloren und horteten ihr Geld. Bereits während des Krieges hatten Landesbanken, Städte, Gemeinden und auch private Firmen daher begonnen, Ersatzzahlungsmittel auszugeben, sogenanntes Notgeld, um auf diese Weise den Kleingeldmangel zu bekämpfen.

Die Reichsbank erteilte hierfür – nach Hinterlegung einer Sicherheit in Höhe des Betrages, der als Ersatz ausgegeben werden sollte – die Genehmigungen. Abgewickelt wurde dieses Verfahren überwiegend über die staatlichen Behörden vor Ort (etwa Bezirksämter) und die zuständigen Landesministerien. So hinterlegte die Gemeinde Gengenbach im Amtsbezirk Offenburg etwa ein Sparkassenbüchlein mit dem Betrag von 5.000 Mark – im Gegenzug durfte sie 10.000 Mal 50 Pfennig in Notgeld ausgeben.

Für das Notgeld machte die Reichsbank genaue Vorgaben: Form und Material sollten sich deutlich von den ebenfalls noch im Umlauf befindlichen Reichsbanknoten und Geldstücken unterscheiden. So gab es beispielsweise Notgeld aus Seide, Leinwand oder auch Porzellan. Darüber hinaus mussten die Bezeichnung Notgeld, die Wertangabe in Wort und Schrift, die ausgebende Stelle und das Ausgabedatum sowie der Einlösetermin (i. d. R. hatte Notgeld nur eine begrenzte Umlaufzeit) und die Einlösestelle auf dem Ersatzzahlungsmittel vermerkt sein.

Bei den Motiven waren hingegen keine kreativen Grenzen gesetzt. Die Stadt Mühlhausen in Thüringen veröffentlichte 1921 zum Beispiel eine Archivserie bei den 50-Pfennig-Scheinen. Abgebildet war unter anderem eine Eule mit Federkiel im Schnabel in einem Gewölbe, darunter der Spruch: Stufen führen kellertief zu den Schätzen im Archiv. Auf den Rückseiten dieser Notgeldscheine befanden sich Abbildungen der Unterschriften von Wallenstein, Tilly, Karl V., Luther oder auch Johann Sebastian Bach, mit Verweisen auf Dokumente im Archiv der Stadt. Die meisten Städte und Gemeinden bedruckten die Notgeldscheine mit Motiven von regionalem Bezug.

Mit dem Einsetzen der Hyperinflation 1923 konnte der Bedarf an (Not-)Geld aufgrund des schnellen Wertverlustes kaum noch abgedeckt werden. Die Stadt Müllheim in Baden beauftragte im August 1923 den Druck von 10 Milliarden Mark in Notgeldscheinen – als das Notgeld eintraf, war es quasi schon entwertet, die Stadt musste weitere Beträge herstellen lassen, für die wiederum weitere Sicherheiten hinterlegt werden mussten und geriet dadurch finanziell unter Druck.

Das Landesarchiv BW, Staatsarchiv Freiburg verwahrt im Bestand W 307 Sammlung Karl Fritz Notgeld von über 650 Herstellern aus verschiedenen Regionen. Die Sammlung der Notgeldscheine ist vollständig digitalisiert und im Onlinefindmittelsystem des Landesarchivs einsehbar.

Annika Ludwig

Quelle: Archivnachrichten 64 (2022), Seite 34-35.

Suche