»Zur Sicherstellung des Gläubigers«

Einblicke ins württembergische Pfandwesen

Pfandbuchunterlagen Bolheim, Gemeinde Herbrechtingen. Quelle: Landesarchiv BW GBZA SGM 16.. Zum Vergrößern bitte klicken.
Pfandbuchunterlagen Bolheim, Gemeinde Herbrechtingen. Quelle: Landesarchiv BW GBZA SGM 16. Zum Vergrößern bitte klicken.

Obwohl oder vielleicht auch gerade weil das 1806 neu gegründete Königreich Württemberg im 19. Jahrhundert an der Schwelle zur Industrialisierung stand, war Geld ein knappes Gut. Allenthalben wurde es geliehen und verliehen. Aus den Pfandunterlagen geht hervor, wofür das Geld benötigt wurde. Etwa um eine Schäferei zu erwerben oder um Schulden auf Haus und Güter zu bezahlen. Manchmal mussten Sicherheiten geleistet werden, damit ein Vater das anerstorbene Gut seiner Kinder beim Tod der Mutter später auch ausbezahlen konnte.

Wo das Geld knapp war, spielte das Pfand- und Leihwesen eine umso größere Rolle. Daher wurde in Württemberg 1825 das aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammende Pfandrecht völlig neu aufgestellt und im gesamten Königreich, inklusive der neuwürttembergischen Landesteile, eingeführt. Eine Hypothek, die durch ein Unterpfand auf eine Immobilie abgesichert wurde, musste zur Sicherstellung des Gläubigers seither im öffentlich zugänglichen Unterpfandsbuch eingetragen werden. Hierfür bedurfte es der Genehmigung der örtlichen Unterpfandsbehörde, die aus Mitgliedern des Gemeinderats und dem Aktuar bestand.

Damit hatten Gläubiger ein hohes Maß an Sicherheit, dass sie im Falle der Zahlungsunfähigkeit dennoch an ihr Geld kamen. Außer einzelne Mitglieder der Unterpfandsbehörde entwickelten kriminelle Energien. Eine Vorstellung über das Verfahren und dessen Nachteile gibt die zeitgenössische Satire Die geprellte Unterpfandsbehörde zu Dummkopfsheim und Schreienshausen.

Aus den an die Unterpfandsbehörde zurückgegebenen Unterpfandsscheinen, die sich in den Unterpfandsbuchbeilagen befinden, erfahren wir, wie der Umgang des jeweiligen Schuldners mit Geld von der örtlichen Unterpfandsbehörde eingeschätzt wurde: ordentlich oder gar gut. Hier findet sich auch das Einverständnis der Ehefrau nötigenfalls in die Gesamtschuld des Ehemannes einzutreten. Wenngleich es jeweils extra vermerkt wurde, scheint es dennoch die Regel gewesen zu sein.

Obwohl die Württembergische Landessparkasse 1818 als Kreditinstitut gegründet wurde, spielten Sparkassen zunächst nur eine untergeordnete Rolle. So erscheint etwa die Spar- & Leihkasse Heidenheim, die eine Löschungs-Urkunde für Johann Georg Staud am 17. November 1854 über 19 Gulden ausstellte, in dessen Pfandunterlagen nur einmal. Es waren Stiftungen und Privatpersonen, wie der Schlossermeister Voith in Heidenheim – Großvater des Firmengründers Friedrich Voith, dessen Nachfolgeunternehmen heute weltweit führend in der Herstellung von Papiermaschinen, Wasserturbinen und Schiffsantrieben ist – die Geld verliehen. Dabei wurde das Geld nicht nur Bürgern der eigenen Gemeinde geborgt, vielmehr entstand ein überörtliches, regionales Netzwerk von Abhängigkeiten, wovon die Pfandscheine unverkennbar Zeugnis ablegen.

Eine weitere Quelle für das Unterpfandwesen sind die Unterpfandsprotokolle. Hierin wurden die Verhandlungen vor der Unterpfandsbehörde entsprechend ihrem Anfall protokolliert. Sie enthalten das Gesuch des Antragstellers sowie den Beschluss der Behörde mit Verweis auf den erfolgten Eintrag im Unterpfandsbuch. Letzteres wurde nach den Namen der Schuldner geführt, jedoch nicht unbedingt in alphabetischer Reihenfolge. Zumeist existieren daher separate, alphabetische Register. In den Akten, den sogenannten Unterpfandsbuchbeilagen, die ebenfalls nach den Namen der Schuldner geführt wurden, befinden sich zurückgegebene Pfandscheine, Quittungen, Auszüge aus dem Unterpfandsbuch und diesbezügliche Korrespondenz.

Michael Aumüller

Quelle: Archivnachrichten 64 (2022), Seite 30-31.

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