Stift St. Pelagius Reichenau/Mittelzell 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1209 [um 1209]
Zerstörung/Aufhebung: 1500 [um 1500]
Beschreibung: Die Pelagiuskapelle auf der Reichenau besaß eine weitaus ältere Tradition als das "Stift" St. Pelagius. Schon unter dem Abt der Reichenauer Benediktinerabtei Hatto III. (888 -913) als Kapelle fassbar und in unmittelbarer Nähe der Abtei errichtet, wurde das Pelagius-Oratorium um 995 unter Abt Witigowo umfassend renoviert. Als Chorherrenstift dagegen wurde St. Pelagius vom 13. bis zum 15. Jh. bezeichnet. Allerdings sind Größe und Ausmaß des Stifts in den Quellen nur fragmentarisch zu erkennen. Im 12. Jh. förderte Frideloh von Heidegg, ebenfalls Abt der Benediktinerabtei auf der Reichenau, die Feierlichkeiten um das Pelagiusfest. Zu Beginn des 13. Jh. wurde die Kapelle durch die Einrichtung von drei Kanonikaten aufgewertet. Am 4. Juli 1209 bestätigte Abt Heinrich die Stiftung zweier Kanonikate bei St. Pelagius durch den Konstanzer Domherrn und Leutpriester bei St. Georg in Oberzell, Werner. Dotierung der Pfründe, Einsetzung und rechtliche Stellung der beiden Kanoniker sowie deren Aufgaben zeigen die Zweckgebundenheit und die enge Verflechtung mit dem Reichenauer Kloster. Im Chor und im Refektorium des Klosters sollten beide Platz finden bei den Kanonikern von St. Johann und beide hatten spezielle Aufgaben in der Totenliturgie für verstorbene Mönche zu leisten. Wenig später, am 14. März 1210, wurde von einem Scholaren Gerung ("Gervngvs scolaris augiensis insulanus") ein drittes Kanonikat errichtet, und zwar aus seinem der Kirche St. Pelagius gestifteten väterlichen Erbe. Auf dieses Kanonikat wurde Gerung selbst vom Abt berufen und auch er erfuhr eine Gleichstellung mit den Kanonikern von St. Johann Konstanz. Gerung bezog eine eigene Kurie im Klosterbezirk der Abtei, (neben dem Brunnen der Pfalz). Gerungs Stellung als Scholar wird durch zwei Sondervereinbarungen deutlich: Er durfte zu keiner strengen Regelauslegung gezwungen werden und konnte einen Stellvertreter für seine liturgischen Verpflichtungen einsetzen. In der Folgezeit liegen nur spärliche Nachrichten über das Stift vor. Einzelne Kanoniker sind namentlich genannt, ohne dass damit genauere Angaben zum Stift selbst verbunden wären. 1242 hören wir von der Weihe einer "ecclesia sancti Pelagii martiris"; vermutlich stand die Baumaßnahme im Zusammenhang mit dem Klosterbrand von 1235. Die enge Verbundenheit zur Abtei blieb bestehen: Mehrfach tauchen Dignitäre des Klosters als Pröpste von St. Pelagius auf. Ende des 14. Jh. sind aus einem Einkünfteverzeichnis Präbenden für vier Kanoniker zu erschließen, 1477 dagegen ist nur noch eine Präbende aufgeführt. Spätestens zu Beginn des 16. Jh. existierte das Stift nicht mehr. Wenig wissen wir über die Baugeschichte: Unter Abt Witigowo wurde die Pelagiuskapelle renoviert oder sogar neu gebaut, 1242 berichten die Quellen von einer Neuweihe der ecclesia sancti Pelagii martiris. Baumaßnahmen aus der Neuzeit sind nicht bekannt, 1838 wurde die Kirche abgebrochen. Auf dem Münstergemälde von 1624 wird auch St. Pelagius dargestellt, möglicherweise in dem baulichen Zustand, den Abt Witigowos Renovierung 995 hergestellt hatte.
Autor: ERWIN FRAUENKNECHT
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • .
  • Chorherren, weltliche um 1209-um 1500
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=482

Adresse Reichenau

Literatur:
  • Die Kunstdenkmäler des Kreises Konstanz. Beschreibende Statistik. Bearb. v. F. X. Kraus (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden Bd. I). Freiburg i. B. 1887., 328.K. BEYERLE u. A. MANSER: Aus dem liturgischen Leben der Reichenau. In: K. Beyerle (Hg.): Die Kultur der Abtei Reichenau. Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724 - 1924. München 1925 (Nachdruck Aalen 1970), 1. Halbband, 316 - 437.W. ERDMANN: Zur archäologischen und baugeschichtlichen Erforschung der Pfalzen im Bodenseegebiet. Bodman, Konstanz, Reichenau, Zürich. In: Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 11,3). Göttingen 1979, 136 – 210.| J. PETERSOHN: Ein Bericht über die Reichenau aus dem Jahre 1417. Hochmittelalterliche Voraussetzungen spätmittelalterlicher Befunde. In: P. HEINIG, H. Joachim SCHMIDT, R. Chr. SCHWINGES, S. WEFERS: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw (Historische Forschungen 67). Berlin 2000, 653 - 673.G. RUCK: Die Kunstdenkmäler der Reichenau. In: Matthias UNTERMANN (Bearb.): Klosterinsel Reichenau im Bodensee. UNESCO-Weltkulturerbe (Arbeitsheft 8. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 2001), 9 - 41.A. ZETTLER: Die frühen Klosterbauten der Reichenau. Ausgrabungen – Schriftquellen – St. Galler Klosterplan (Archäologie und Geschichte 3). Sigmaringen 1988.| Ders.: Klösterliche Kirchen, Cellae und Stifte auf der Insel Reichenau. In: S. LORENZ und Th. ZOTZ: Frühformen von Stiftskirchen in Europa. Funktion und Wandel religiöser Gemeinschaften vom 6. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 54). Leinfelden-Echterdingen 2005, 357 – 376.Th. KREUTZER: Verblichener Glanz. Adel und Reform in der Abtei Reichenau im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B168). Stuttgart 2008.
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