Freudenberg

Grundrisse zum Wiederaufbau der 1891 abgebrannten Synagoge, heute Ecke Maingasse - Hauptstraße 139. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus ist bis heute erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 540]
Grundrisse zum Wiederaufbau der 1891 abgebrannten Synagoge, heute Ecke Maingasse - Hauptstraße 139. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus ist bis heute erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 540]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Freudenberg, 1333 zur Stadt erhoben, gehörte zum Territorium der Bischöfe von Würzburg, die den Ort an die Grafen von Wertheim verliehen. Nach dem Aussterben der Grafen zog Würzburg das erledigte Lehen 1612 ein. Vor dem Anfall an Baden 1806 gehörte die Stadt vorübergehend den Grafen von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg.

Die ersten nachweisbaren Juden in Freudenberg fielen 1298 den Verfolgungen des Ritters Rindfleisch zum Opfer. Die Würzburger Bischöfe verfolgten im allgemeinen eine judenfeindliche Politik. Erst im Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der Juden im Hochstift zu. 1634 bat die Stadt den Bischof um Ausweisung der Juden, die angeblich schwere Krankheiten verbreiteten und auch in ihrer Geschäftsführung Anlass zu Beschwerden boten. 1655 hatte Freudenberg zwei, 1664 drei und 1699 vier jüdische Haushaltungen. 1678 hatte sich der Pfarrer über sie beschwert, weil sie die christlichen Feiertage und die Sonntage missachteten. 1767 wird erstmals ein Judenschulmeister genannt.

Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der Juden zu. 1825 wohnten bereits 64, 1865 81 Israeliten in der 1827 dem Rabbinatsbezirk Wertheim zugeteilten Gemeinde. Die erste Synagoge an der Ecke Maingasse/Hauptstraße wurde 1891 bei einem Großbrand zerstört. Trotz sinkender Seelenzahl richtete die Gemeinde, die 1900 35, 1925 nur noch 13 Juden umfasste, im zweiten Stock eines an der gleichen Stelle erbauten Hauses eine neue Synagoge ein. Ihre Toten bestattete sie auf dem Wertheimer Friedhof.

Aufriss zum Wiederaufbau der 1891 abgebrannten Synagoge, heute Ecke Maingasse - Hauptstraße 139. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus ist bis heute erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 536]
Aufriss zum Wiederaufbau der 1891 abgebrannten Synagoge, heute Ecke Maingasse - Hauptstraße 139. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 zerstört, das Haus ist bis heute erhalten. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 536]

Bis zum Beginn der nationalsozialistischen Maßnahmen gegen die Juden und darüber hinaus war das Verhältnis der Juden zu ihren Mitbürgern gut. Bis zur Kristallnacht kam es zu keinerlei Übergriffen. Die drei jüdischen Textilwarengeschäfte verschafften den Inhabern bis 1938 noch erträgliche Lebensbedingungen. Nach der Schließung der Geschäfte mussten die Männer Wegbauarbeiten verrichten. Geringe Einnahmen erzielten sie durch den heimlichen Verkauf von Restwaren.

Freudenberg ist eine der wenigen Gemeinden Baden-Württembergs, aus denen kein Jude während des Dritten Reiches ausgewandert ist. 1933 wohnten 15 Angehörige der jüdischen Konfession in der Stadt. 1939 heiratete noch eine Jüdin nach Freudenberg. Von diesen 16 Personen starben 3 in der Heimat, 4 wollten 1939 über Köln auswandern, wurden dort festgehalten und sind verschollen. 8 Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Von ihnen starben 4 in den Lagern Nexon, Portet und Noe, 2 in Auschwitz. 2 Kinder überlebten den Krieg in Frankreich und wanderten 1946 nach den USA aus. Ilse Levy wurde in Halle an der Saale von der Gestapo gefasst. Dann verliert sich ihre Spur.

Nichts erinnert heute mehr an die jüdische Gemeinde Freudenberg. Die Synagoge war 1938 nur demoliert worden und konnte so später als Wohnung Verwendung finden.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Mai, Eugen, Geschichte der Stadt Freudenberg am Main, 1908.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Freudenberg, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd. 3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 405.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Lauf, Helmuth, Das Schicksal jüdischer Gemeinden im Main-Spessart-Tauber-Gebiet, in: Spessart 11 (1992), S. 1-23.
  • Linduschka, Heinz, „Den Opfern die Ehre, den Tätern die Stirn“, Spessart 3 (2015), S. 3-15.
  • Mai, Eugen, Geschichte der Stadt Freudenberg am Main, Freudenberg 1908, Nachdruck 1985.
  • Maier, Joachim, Die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Freudenberg am Main. Ein Gedenkbuch, hg. von der Stadt Freudenberg am Main, 2014.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 431-432.
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