Wenkheim

Die ehemalige Synagoge in Wenkheim. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt. Das Gebäude ging in den Besitz der Gemeinde Wenkheim über. Nach Renovierung in den 1990er Jahren Nutzung als Kultur- und Dokumentationszentrum. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]
Die ehemalige Synagoge in Wenkheim. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt. Das Gebäude ging in den Besitz der Gemeinde Wenkheim über. Nach Renovierung in den 1990er Jahren Nutzung als Kultur- und Dokumentationszentrum. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das Dorf Wenkheim gehörte den Grafen und Fürsten von Löwenstein-Wertheim. 1806 fiel es an Baden.

Außer in Wertheim, Dertingen und Urphar saßen in der Grafschaft Wertheim seit dem 14./15. Jahrhundert auch in Wenkheim Juden. In den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges hatten die Wenkheimer Juden manches zu erdulden. Junge Burschen drangen zur Nachtzeit in ihre Häuser ein und stahlen ihre Lebensmittel oder was sie sonst fanden. 1631 bat eine Wenkheimer Witwe um Nachlass des Schutzgeldes, da ihr Mann von den schwedischen Bagageknechten bei Tauberbischofsheim niedergehauen worden war.

Aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind uns keine Einzelheiten aus dem Leben der Juden in Wenkheim überliefert. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war ihre Gemeinschaft so stark angewachsen, dass sie sich eine eigene Synagoge mit einem Frauenbad erbauen konnte. Seit 1827 gehörte die jüdische Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Wertheim. Die Zahl der jüdischen Einwohner betrug 1825 105, 1875 160 (17,2 Prozent von 930 Einwohnern), 1900 92, 1925 62 und 1933 46. Im Ersten Weltkrieg starb Max Maier Lehmann den Soldatentod. Die vorangegangenen Geschlechter ruhen auf einem uralten Waldfriedhof weit außerhalb des Dorfes. Vermutlich wurde er im 17. Jahrhundert angelegt. Er kann jedoch auch älter sein.

Die Juden von Wenkheim lebten seit jeher vom Handel mit Vieh, Landesprodukten und den Bedarfsartikeln des bäuerlichen Haushalts. 1933 gab es drei Textilwarengeschäfte sowie das Kolonial- und Eisenwarengeschäft von Jakob Schuster. Sigmund Lehmann betrieb noch eine Mazzenbäckerei und außerdem Handel mit Getreide, Mühlenfabrikaten, Düngemitteln und Sämereien. Bernhard Grünebaum, Samuel Levi Grünebaum und Lippmann Karpf waren Viehhändler, Louis und Simon Grünebaum Metzger und Viehhändler.

Spätestens seit der Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert waren sie in Wenkheim geachtete Mitbürger. Nach dem Ersten Weltkrieg betätigten sich die ehemaligen jüdischen Soldaten im Wenkheimer Kriegerverein. Jakob Schuster war während der Weimarer Republik Mitglied des Gemeinderats. Ihm hat es die Gemeinde mit zu verdanken, dass 1921 eine Wasserleitung gebaut wurde. Sehr beliebt war auch der sparsame und außergewöhnlich fleißige Altmaterialhändler Samuel Grünebaum IV.

Das freundschaftliche Verhältnis zwischen jüdischen und christlichen Ortsbewohnern konnten auch die nationalsozialistischen Machthaber nicht von heute auf morgen zerstören. So blieben in Wenkheim die Juden nach 1933 zunächst ziemlich unbehelligt. Erst 1937/38, als im ganzen Land der künstlich geschürte Hass gegen sie immer zügellosere Formen annahm, sahen sie sich zur Preisgabe ihrer alteingeführten Geschäfte gezwungen. 22 wanderten nach den USA, 8 nach Palästina, 1 nach einem nicht bekannten Land aus und 1 starb in Wenkheim. In der Kristallnacht im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge und die Kultgegenstände demoliert. Zu Misshandlungen jüdischer Bürger kam es nicht. Die letzten 11 jüdischen Einwohner - darunter eine nach 1933 zugezogene Jüdin - mussten am 22. Oktober 1940 den Weg nach Gurs antreten. Sie waren vorher alle in das Haus des Wolf Bravmann einquartiert worden. In Gurs starb 1942 Samuel Grünebaum IV. Manfred Bravmann, Hermann und Marianne Schartenberg entkamen aus dem Lager. Käthe und Wolf Bravmann, Helene, Renate, Samuel (II) und Simon Grünebaum verloren ihr Leben nach unmenschlichen Leiden im Todeslager Auschwitz. Von den 4 aus Wenkheim verzogenen Juden kam eine Frau nach Gurs. Sie überlebte in Frankreich.

In der ehemaligen Synagoge befinden sich heute Wohnungen. Eine Gedenkstätte besitzt die alte, nun zerstreute jüdische Gemeinde Wenkheim in ihrem ehrwürdigen Friedhof.

Ergänzung 2023:

Nach umfangreichen Renovierungsmaßnahmen 1991 bis 1992 beherbergt das Gebäude der ehemaligen Synagoge heute ein Kultur- und Dokumentationszentrum sowie eine Dauerausstelung zum jüdischen Leben.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Wenkheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd.3, 2. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1995, S. 1583.
  • Hahn, Joachim, Synagogen in Baden-Württemberg, 1987, S. 81ff.
  • Weiss, Elmar, Zeugnisse jüdischer Existenz in Wenkheim, 1992.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Weiss, Elmar, Die Juden in Wenkheim, in: Wenkheim. Ein fränkisches Dorf im Laufe seiner Geschichte, Osterburken 2009, S. 441-452.
  • Weiss, Elmar, Der jüdische Friedhof, in: Wenkheim. Ein fränkisches Dorf im Laufe seiner Geschichte, Osterburken 2009, S. 453-462.
  • Weiss, Elmar, Die Synagoge, in: Wenkheim. Ein fränkisches Dorf im Laufe seiner Geschichte, Osterburken 2009, S. 463-468.
  • Weiss, Elmar, Die jüdische Suche nach den Wurzeln, in: Wenkheim. Ein fränkisches Dorf im Laufe seiner Geschichte,Osterburken 2009, S. 471-474.
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