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Herzogtum Württemberg

von Amelie Bieg

 

Karte des Herzogtums Württemberg von Gerhard Mercator, um 1630 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS N 100 Nr. 280]
Karte des Herzogtums Württemberg von Gerhard Mercator, um 1630 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS N 100 Nr. 280]. Zum Vergrößern bitte klicken.

Im Februar 1608 trat in Württemberg mit Johann Friedrich (1582-1628) ein neuer Herzog seine Regierung in krisenhaften Zeiten an. Nach der Sprengung des Reichstags von Regensburg wenige Monate später kam es unter der Beteiligung zahlreicher protestantischer Reichsstände zur Gründung der Union von Auhausen. Der württembergische Herzog gehörte neben den beiden Markgrafen von Baden-Durlach und Brandenburg-Ansbach „zur besonders aktiven Kerngruppe der Unionsfürsten“[1], wobei er stets auf die Treue zum Reich und die Pflicht zum Frieden pochte und sich damit im Gegensatz zu den calvinistischen Unionsmitgliedern befand, die einen Krieg für unvermeidlich hielten.

Unter der Mitarbeit des württembergischen Rates Benjamin Bouwinghausen (1571-1635) kam es zum Abschluss dreier Allianzverträge der Union mit Frankreich, England und den niederländischen Generalstaaten, um sich auf den Kriegsfall vorzubereiten. Dennoch bemühte sich der württembergische Herzog auf diplomatischem Wege vor allem in Wien weiter um die Vermeidung eines Krieges. „Die Wahl des Pfälzers [Friedrich V.] zum böhmischen König wurde in Stuttgart als gefährlich angesehen, schließlich aber doch als Gottes Wille begrüßt“[2] , die Regierung unterstützte Friedrich mit Subsidien. Diese Hilfen wurden jedoch eingestellt, nachdem 1619 Fürst Christian von Anhalt-Bernburg ohne Absprache Truppen der Union, darunter auch württembergische Soldaten, nach Böhmen führte und 1620 der württembergische Rat Bouwinghausen in Den Haag, London und Paris keine Unterstützung für die Sache der Union erwirken konnte.

Das Bemühen der württembergischen Regierung um eine Vermeidung des Krieges mündete schließlich im Ulmer Vertrag zwischen der Protestantischen Union und der Katholischen Liga am 23. Juni 1620. Darin verpflichtete sich die Union auf ein Neutralitätsabkommen, das jedoch nicht für Böhmen und die habsburgischen Erblande galt. Damit rückte Württemberg von einer Unterstützung des Pfalzgrafen Friedrich V. in Böhmen wieder ab, der isolierte calvinistische Flügel der Protestantischen Union wurde in der Schlacht am Weißen Berg 1620 von kaiserlichen und ligistischen Truppen vernichtend geschlagen. 1621 löste sich die Protestantische Union auf.

Das Herzogtum Württemberg allerdings gewährte im September 1620 der pfälzischen Kurfürstinmutter Luise Juliane und ihren Enkeln Karl Ludwig und Elisabeth, den Kindern Friedrichs V., zunächst auf der Festung Hohenasperg, dann im Wasserschloss in Großsachsenheim bis April 1621 und nach einer kurzen Rückkehr in die Pfalz von September 1621 bis August 1622 in der Festung Schorndorf Zuflucht. Politisch bemühte sich der württembergische Herzog von nun an um eine Neutralitätspolitik. Dadurch wurde das Herzogtum zwar von größeren kriegerischen Auseinandersetzungen, jedoch nicht von Truppendurchzügen, verschont.

Am 6. Mai 1622 fiel in der Schlacht bei Wimpfen mit Herzog Magnus (1594-1622) der Bruder Johann Friedrichs; mit der Verschiebung des Krieges von Norden nach Süden verlegte Albrecht von Wallenstein ab 1628 kaiserliche Truppen auch ins württembergische Territorium. Der katholische Siegeszug machte die Bemühungen des Herzogs um Neutralität endgültig zunichte, das Herzogtum war in dieser Situation „nicht mehr geschätzter Mittler zwischen den Fronten, sondern ‚nur‘ noch ein Territorium mit vielen ehemaligen Klöstern, die als attraktive Siegestrophäen winkten.“[3]

In dieser für Württemberg bedrohlichen Lage starb Johann Friedrich am 28. Juli 1628. Da sein Sohn Eberhard (1614-1674) erst dreizehn Jahre alt war, übernahmen die jüngeren Brüder des Herzogs, Ludwig Friedrich (1586-1631) und nach dessen Tod Julius Friedrich (1588-1635), zusammen mit der Mutter Barbara Sophie von Brandenburg (1584-1636) die Vormundschaft und die Regentschaft des Landes, dessen Lage immer schwieriger wurde. Das kaiserliche Restitutionsedikt vom 6. März 1629 traf Württemberg besonders hart, da sein Territorium zu nahezu einem Drittel aus infolge der Reformation säkularisiertem Klostergut bestand.

Diplomatische Bemühungen des württembergischen Vizekanzlers Jakob Löffler (1582-1638) um eine Abmilderung des Edikts scheiterten, 1630 wurde die Wiederbesiedlung mit Mönchen der alten Orden unter dem Schutz von Wallensteins Truppen durchgeführt. Herzog Julius Friedrich gab infolge des Restitutionsedikts den Neutralitätskurs auf, schloss sich dem Leipziger Bund der protestantischen Stände an und begann Söldner zu rekrutieren. Als jedoch ein großes kaiserliches Heer aus Italien heranrückte, zog der württembergische Herzog seine Truppen zurück, weshalb der sog. Kirschenkrieg im Frühsommer 1631 unblutig ausging. Die im Land liegenden kaiserlichen Truppen musste der Herzog infolgedessen dulden.

„Im Frühjahr 1632 standen Schwedens Truppen an den Rändern des Herzogtums, in Neuenstadt, Weinsberg und Heilbronn; die kaiserlichen Truppen hielten immer noch die Kernlandschaften des württembergischen Herzogtums besetzt.“[4] Um die politische Lage des Herzogtums zu verbessern, trat Württemberg 1633 dem Heilbronner Bund unter der Führung Schwedens bei. Die Schlacht bei Nördlingen im September 1634 hatte verheerende Folgen für das Herzogtum Württemberg. Der vom Kaiser vorzeitig für volljährig erklärte und seit 1633 selbstständig regierende Herzog Eberhard III. floh nach Straßburg, wo er eine Exilregierung aufbaute; der Kaiser sah Württemberg als verwirktes Reichslehen an, es wurde militärisch besetzt, von einem kaiserlichen Statthalter regiert und teilweise zur Belohnung hoher kaiserlicher Militärs und Beamter aufgeteilt, die Klöster wurden nach 1629 ein zweites Mal rekatholisiert. Truppendurchzüge führten zu Plünderungen und Einquartierungen, 1635 brach zusätzlich die Pest in Württemberg aus. Vom Prager Frieden 1635 wurde Württemberg aufgrund seiner engen Kollaboration mit Schweden im Heilbronner Bund – ähnlich wie der Markgraf von Baden-Durlach – von Kaiser Ferdinand II. ausgeschlossen, der Heilbronner Bund wurde aufgelöst.

Erst 1638, nach vier Jahren im Exil und langen Verhandlungen, kehrte Herzog Eberhard III. in sein verkleinertes und verschuldetes Herzogtum zurück, das durch den Kriegseintritt Frankreichs zum Aufmarschgebiet wurde. „Seit 1642/43 wurde der Krieg auch wieder in das Herzogtum getragen, die französischen Generäle Erlach, Guébriant, Rantzau, Turenne, Rosen, Ludwig Condé und auf der Gegenseite Mercy, von Werth, Herzog von Lothringen, Gallas operierten gegeneinander, und mehrere versuchten sich am Hohentwiel.“[5]

Ab 1640 bemühte sich Eberhard III. um die Aufnahme in den Prager Frieden und dessen Amnestieregelung, doch trotz zunehmender Kompromissbereitschaft des Kaisers und der katholischen Reichsstände auf dem Kurfürstentag 1640 und dem Regensburger Reichstag 1640/41 kam es zu keinem nennenswerten Erfolg, die Bedingungen einer schließlich 1645 vom Kaiser gewährten Amnestie konnte das Herzogtum nicht akzeptieren. Zu den 1644 in Münster und Osnabrück begonnenen Friedensverhandlungen entsandte der württembergische Herzog den Geheimen Rat Dr. Johann Konrad Varnbühler und Vizekanzler Andreas Burckhardt. Mit großem Verhandlungsgeschick erreichten die beiden die vollständige Restitution des Herzogtums. 1649 gingen die okkupierten Klöster und Ämter wieder in württembergischen Besitz über und 1650 hatten alle fremden Truppen Mömpelgard verlassen.

Das Herzogtum selbst befand sich am Ende des Dreißigjährigen Krieges in einem desolaten Zustand. „1655 belief sich der Bevölkerungsstand landesweit nur noch auf 43 Prozent derjenigen aus der Zeit vor der ‚leidigen Landsoccupation‘ [von 1634/35]; die Streubreite nach Ämtern lag zwischen 69 und 23 Prozent“[6], wobei die meisten Menschen nicht aufgrund direkter Kriegshandlungen, sondern vor allem an Seuchen und Hunger starben. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts war der Bevölkerungsverlust wieder ausgeglichen. Dennoch ergaben Erhebungen Wolfgang von Hippels, dass nach dem Krieg die Versorgung der Menschen mit Nahrung aufgrund der großen Bevölkerungsverluste und trotz zahlreicher wüst liegender Felder besser als vor dem Krieg gewährleistet werden konnte. Allerdings fehlte es dem Herzogtum in den Nachkriegsjahren vor allem an Mobilien und Kapital, die Überschuldung des Landes war immens. Herzog Eberhard III. zielte deshalb in der ersten Phase des Wiederaufbaus bis in die Mitte der 1660er-Jahre vor allem auf eine Wiederherstellung der Verwaltung und eine Stärkung der Wirtschaft und Finanzen ab, in der zweiten Phase bis zu seinem Tod bemühte sich der Herzog dann vor allem um einen kulturellen Wiederaufschwung im Land.

Anmerkungen

[1] Gotthard, Norm und Kalkül, S. 47

[2] Mertens, Württemberg, S. 125

[3] Gotthard, Johann Friedrich, S. 145

[4] Schreiner, Katastrophe, S. 42

[5] Mertens, Württemberg, S. 129

[6] Hippel, Region, S. 333

 

Literatur in Auswahl

  • Fischer, Joachim, Art. Eberhard III., in: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon, hg. von Sönke Lorenz/Dieter Mertens/Volker Press, Stuttgart 1997, S.152-155.
  • Gotthard, Axel, Art. Johann Friedrich, in: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon, hg. von Sönke Lorenz/Dieter Mertens/Volker Press, Stuttgart 1997, S. 142-146.
  • Gotthard, Axel, Norm und Kalkül. Über Württemberg, Baden und die Union von Auhausen, in: Union und Liga 1608/09. Konfessionelle Bündnisse im Reich – Weichenstellung zum Religionskrieg?, hg. von Albrecht Ernst/Anton Schindling, Stuttgart 2010, S. 29-61.
  • Günter, Heinrich, Das Restitutionsedikt von 1629 und die katholische Restauration Altwirtembergs, Stuttgart 1901.
  • von Hippel, Wolfgang, Das Herzogtum Württemberg zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges im Spiegel von Steuer- und Kriegsschadensberichten 1629-1655. Materialien zur historischen Statistik Südwestdeutschlands. Sonderveröffentlichung der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart 2009.
  • von Hippel, Wolfgang, Eine südwestdeutsche Region zwischen Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Kriegsfolgen im Herzogtum Württemberg, in: 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. 1, hg. von Klaus Bußmann/Heinz Schilling, München 1998, S. 329-336.
  • Kühlmann, Wilhelm, Die Schlacht bei Wimpfen (1622) und der Reitertod des Herzogs Magnus von Württemberg (1594-1622). Zu Wegen und Formen der Medienresonanz, in: Medienphantasie und Medienreflexion in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Jörg Jochen Berns, hg. von Thomas Rahn/Hole Rößler, Wiesbaden 2018, S. 159-179.
  • Mertens, Dieter, Württemberg, in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 2, hg. von Meinrad Schaab/Hansmartin Schwarzmaier, Stuttgart 1995, S. 1-163.
  • Philippe, Roswitha, Württemberg und der Westfälische Friede, in: Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, Bd. 8, Münster 1976.
  • Schreiner, Klaus, Die Katastrophe von Nördlingen. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Folgen einer Schlacht für Land und Leute des Herzogtums Württemberg, in: Frieden ernährt – Krieg und Unfrieden zerstört. 14 Beiträge zur Schlacht bei Nördlingen, hg. von Dietmar H. Voges, Nördlingen 1985, S. 39-90.
  • Tuchtenhagen, Ralph, Die schwedische Vorherrschaft am Oberrhein 1631-1634, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 162 (2014), S. 231-257.
  • Verwüstet und entvölkert. Der Dreißigjährige Krieg in Württemberg. Katalog zur Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, bearb. von Albrecht Ernst, Stuttgart 1998.

Zitierhinweis: Amelie Bieg, Herzogtum Württemberg, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 21.11.2023.

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