Hüffenhardt

Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ecke Reisengasse - Bohnengasse, auf der Badischen Gemarkungskarte (1899-1902). Während der Pogrome im November 1938 wurde das Gebäude systematisch und bis auf die Grundmauern zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 842]
Bereich um den Standort der Synagoge, heute Ecke Reisengasse - Bohnengasse, auf der Badischen Gemarkungskarte (1899-1902). Während der Pogrome im November 1938 wurde das Gebäude systematisch und bis auf die Grundmauern zerstört. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 842]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das dem Ritterkanton Kraichgau inkorporierte Dorf Hüffenhardt war bis 1806 im Besitz der Familie von Gemmingen-Guttenberg und fiel dann an Baden.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die ritterschaftliche Familie Schutzjuden in Hüffenhardt auf. Während des 18. Jahrhunderts vermehrte sich ihre Zahl nur mäßig. 1825 betrug sie 19, 1875 33, 1900 28. 1907 hatte die Gemeinde mit 38 den höchsten Stand erreicht. 1925 lebten 21 und 1933 17 Juden in Hüffenhardt. Im Ersten Weltkrieg starb Heinrich Kander den Soldatentod. Kander war neben Eisemann, Hofmann und Grombacher der am häufigsten vorkommende Name. Die Juden lebten vom Handel mit Vieh, Getreide und anderen Landesprodukten. Auch eine Manufakturwaren- und eine Eisenwarenhandlung waren in ihrem Besitz. Die Gottesdienste wurden in einer eigenen kleinen Synagoge in der Reissengasse 50 abgehalten. Der Sitz des zuständigen Bezirksrabbiners war seit 1827 in Sinsheim. Einen jüdischen Friedhof gab es in Hüffenhardt nicht. Die Beerdigungen der Juden fanden auf den jüdischen Friedhöfen in Waibstadt, in Bad Rappenau oder in Heinsheim statt.

Nach der Machtübernahme durch Hitler wurde das bisherige gute Verhältnis zwischen Juden und Christen allmählich vergiftet. Zwar konnten die Juden ihre Geschäfte zunächst noch weiter betreiben, doch mussten sie bald schon einsehen, dass für sie keine gute Zukunft zu erwarten war. 1933 wanderte Berta Eisemann nach dem Tod ihres Ehemannes nach den USA aus. Im August 1937 folgte die Familie Leopold Kander nach Palästina. Eine radikale Änderung der Verhältnisse trat erst mit den Geschehnissen der Kristallnacht im November 1938 ein. An diesem 10. November wurde in Hüffenhardt die Synagoge, die zu dieser Zeit auch von der Nachbargemeinde Wollenberg benutzt wurde, ausgeräumt und dann der Fachwerkbau mit Tauen und Winden unter Anleitung von Fachleuten eingerissen. Die Synagoge wurde völlig dem Erdboden gleichgemacht. Auch die Schulkinder nahmen an dieser Aktion unter Führung ihres Lehrers teil und erhielten für den Rest des Tages schulfrei. Abends wurden die Holztrümmer, Thorarollen und andere Kultgegenstände in einer „Feierstunde" verbrannt, wobei der Bürgermeister eine Ansprache hielt. Die jüdischen Geschäfte wurden ebenfalls demoliert. Die jüdischen Männer mussten sich im KZ Dachau, wohin sie verbracht worden waren, zur alsbaldigen Auswanderung verpflichten. Nach ihrer Entlassung verkauften sie ihren Besitz und wanderten mit ihren Familien nach den USA aus. Die Eheleute Gustav und Rosa Kander zogen 1939 nach Karlsruhe, da sie vermutlich noch auf das Einreisevisum nach den USA warten mussten. Dort wurden sie am 22. Oktober 1940 von der Deportationsaktion nach Gurs erfasst und sind zwei Jahre später als die einzigen Juden aus Hüffenhardt in Auschwitz ermordet worden.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Hüffenhardt, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Die Juden im Dorf, in: Heimatbuch Hüffenhardt, S. 168.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Siegmann, Thomas, „... er heftete seine Seele an den lebendigen Gott“. Spuren und Zeugnisse jüdischen Lebens in der Landgemeinde Hüffenhardt zwischen Odenwald, Kraichgau und Neckartal, 2018.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 322-323.
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