Michelfeld

Zacharias Oppenheimer (1830-1904) war 1849 Aktivist im badisch-pfälzischen Aufstand. Nach der Flucht in die Schweiz setzte er sein Medizinstudium in Würzburg fort, habilitierte in Heidelberg und wurde dort 1863 außerordentlicher Professor der Medizin. [Quelle: UB Heidelberg DE-16/lido-heidicon-568513]
Zacharias Oppenheimer (1830-1904) war 1849 Aktivist im badisch-pfälzischen Aufstand. Nach der Flucht in die Schweiz setzte er sein Medizinstudium in Würzburg fort, habilitierte in Heidelberg und wurde dort 1863 außerordentlicher Professor der Medizin. [Quelle: UB Heidelberg DE-16/lido-heidicon-568513]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Michelfeld war dem Ritterkanton Kraichgau inkorporiert und gehörte als kurpfälzisches Lehen der Familie von Gemmingen-Hornberg. 1806 fiel es an Baden.

In einem kurpfälzischen Schirmgeldverzeichnis von 1548 ist der Jude Gumprecht von Michelfeld mit 20, der Jude Jacob mit 12 Gulden eingetragen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahmen die Herren von Gemmingen-Hornberg in das entvölkerte Dorf erneut Juden in den Schutz auf. 1725 leisteten zwei Michelfelder Juden ihren Glaubensgenossen in Östringen durch die Ermittlung eines Mörders einen großen Dienst. Ein christlicher Kesselflicker hatte dort ein vierjähriges Kind im Zorn erschlagen. Um den Mordverdacht von sich abzulenken, legte er die Leiche neben die Scheune eines Juden. Dem Kesselflicker wäre seine Absicht beinahe gelungen. Die Östringer Judenschaft war bereits des Ritualmordes angeklagt. Da gelang zwei Michelfelder Juden die Ermittlung des Mörders. Wie sie es angestellt haben, ist nicht überliefert.

1745 beschwerte sich die Ortsgemeinde über die Aufnahme weiterer Juden, drang damit aber bei der ritterschaftlichen Familie nicht durch. Die Zahl der Juden nahm stetig zu. 1825 zählte das Dorf 172 Juden (15,3 Prozent von 1.126 Einwohnern) und 1842 sogar 242. Nach der Jahrhundertmitte setzte auch in dieser Landgemeinde eine starke Abwanderung ein. Waren 1875 noch 144 Juden ansässig, so betrug ihre Zahl 1900 nur noch 54, 1925 11 und 1935 5. Im Ersten Weltkrieg ist Julius Lang gefallen.

1827 wurde die jüdische Gemeinde Michelfeld dem Rabbinatsbezirk Bruchsal eingegliedert. Die vermutlich schon aus dem 18. Jahrhundert stammende Synagoge musste 1930 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Seit dem 19. Jahrhundert gab es in Michelfeld auch - angrenzend an den christlichen - einen jüdischen Friedhof. Zuvor wurden die Toten vermutlich in Eichtersheim bestattet. Um 1830 wurde für die jüdischen Kinder eine eigene Volksschule eingerichtet, die bis zur Aufhebung der Konfessionsschulen 1876 bestand. Hauptlehrer Münzesheimer, der um 1850 9 Viertel eigenen Ackers besaß, zog die Schüler der oberen Klassen an den beiden schulfreien „halben Spieltagen" und in den Ferien zur Bewirtschaftung des Ackers heran.

Im 18. Jahrhundert erwarben sich die Michelfelder Juden ihren Lebensunterhalt durch Handel mit Vieh, Landesprodukten und Textilien. Die im 19. Jahrhundert einziehende Gewerbefreiheit ließ den Unternehmungsgeist einiger Juden zur Entfaltung kommen. 1808 errichtete Zacharias Oppenheimer in dem schon während des Mittelalters durch das Gewerbe der „Nadler" bekannten Dorf eine Wolltuchfabrik. Das Garn für die Handwebstühle lieferten die Zucht- und Arbeitshäuser des Landes. Bereits 1814 wurde eine mechanische Spinnerei und Walkerei eingerichtet. Die Wasserräder wurden später durch Turbinen ersetzt, weitere Maschinen wurden angeschafft. Die Fabrik beschäftigte 60-70 Personen. Auf der 5. Landesindustrieausstellung in Karlsruhe im Jahre 1861 erhielt sie eine silberne Medaille für gute Tuche, die sich durch feine Wolle und schöne Appretur auszeichneten. In der Krise der Gründerjahre ging das Unternehmen ein. Im 20. Jahrhundert besaßen die Juden für Michelfeld keine wirtschaftliche Bedeutung mehr.

Während des Dritten Reiches kam es in Michelfeld nicht zu Judenverfolgungen. Die noch anwesenden zwei jüdischen Familien lebten in bescheidenen Verhältnissen vom Handel mit Mehl, Getreide und Lederwaren. Die Familie Lang verzog 1935 nach Ludwigsburg. Da auch die Eheleute Strauß ihre Auswanderung nach Frankreich vorbereiteten, wurde durch Beschluss des Badischen Staatsministeriums vom 18. November 1935 die Israelitische Religionsgemeinde Michelfeld aufgelöst. Das Synagogengrundstück an der Louisenstraße wurde am 20. Dezember 1936 verkauft. Max Lang wurde 1942 vom jüdischen Altersheim Heilbronn-Sontheim aus nach Maly Trostinec deportiert und dort ermordet. Seine Ehefrau scheint schon vorher gestorben zu sein, während sein Sohn von Karlsruhe aus nach Gurs deportiert wurde und von dort aus in die USA gelangte.

Auf dem Platz der früheren Synagoge befindet sich heute ein Wohnhaus. Nur noch der jüdische Friedhof erinnert an die jüdische Gemeinde.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Kaiser, Wilhelm, Ein bäuerlicher Kreis mit regem gewerblichem Leben, in: Heimat und Arbeit, Der Kreis Sinsheim, 1964.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Michelfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • „Die jüdische Gemeinde in Michelfeld“ und „Die Tuchfabrik Oppenheimer“, in: Heimatbuch Michelfeld (1986).
  • Dörfer, Leonhard, Jüdisches Leben in Michelfeld, hg. von der Gemeinde Angelbachtal.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Jenne, Johann, Michelfeld. Das Dorf und seine Geschichte, hg. von der Gemeinde Angelbachtal, 1990.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 402-403.
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