Jugend - Bemühungen zur politischen Mobilisierung junger Menschen
Florian Brückner, Universität Stuttgart
Kontext: Geschichte der Jungdemokraten
Jugendliche waren in den 1920er Jahren einem besonderen politischen Erwartungsdruck ausgesetzt. Das politisch rechte Spektrum hoffte, dass sie die Weltkriegsniederlage in einem zukünftigen Krieg wettmachen würden. Dies galt vor allem für die sogenannte Kriegsjugendgeneration, die den Krieg „nur“ an der ‚Heimatfront‘ miterlebt hatte. Deren Angehörige hatten das vermeintlich wichtigste Erlebnis der jüngeren Vergangenheit verpasst, was nicht nur im Hinblick auf eine mögliche politische Mitsprache als Einschränkung empfunden wurde, sondern bei manchen auch das Bedürfnis weckte, das Kriegserlebnis nachholen zu wollen.
Dieses Gefühl beherrschte insbesondere die Bündische Jugend, d.h. vor allem die rechtskonservativen Jugendzirkel des Wandervogels, der Pfadfinder oder der Deutschen Freischar, die in Kriegsspielen militärische Hierarchien einübten. Waffenläufe wurden als romantisches Abenteuer propagiert und Mitglieder auf kommende Schlachten für die Nation eingeschworen.
Auf der linken Seite verfügten die sozialistischen Anti-Kriegsparteien der SPD mit den Jungsozialisten und die KPD mit dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands ebenfalls über eigene Jugendorganisationen.
Ambivalent verhielt sich der Jungdeutsche Orden (Jungdo). Aus nationalliberalen Wurzeln erwachsen war er stark antisemitisch geprägt; setze sich aber auch für eine Aussöhnung mit dem „Erbfeind“ Frankreich ein. 1930 schloss er sich der DDP an, die beide unter dem Dach der Deutschen Staatspartei fusionierten.
Zu den aktivsten Jugendverbänden in Baden zählten die Jungdemokraten. 1919 gegründet, positionierten sie sich wie der Jungdo im liberalen Spektrum. Sie standen von Anbeginn der DDP nahe, die im Rahmen der Weimarer Koalition sowohl auf Reichs- als auch auf Landesebene eine Stütze der jungen Demokratie war. Bekannte Mitglieder waren Ernst Lemmer (1898-1970), Julie Meyer (keine Lebensdaten vorhanden), Erich Lüth (1902-1989), Thomas Dehler (1897-1967), Lilo Linke (1906-1963), Inge Meysel (1910-2004), Ernst Strassmann (1897-1958) und Hans Robinsohn (1897-1981) sowie Gustav Heinemann (1899-1967).
Quelle
Die vorliegende Erstausgabe der Jugendzeitschrift „Bergfeuer“, herausgegeben vom Badischen Landesverband deutsch-demokratischer Jugend, appellierte im September 1921 mit dem Leitartikel „Der Sonne entgegen“ an die demokratisch gesinnte Jugend, die politische Lethargie der letzten Jahre abzuschütteln, einem allein auf Genuss und Rauschmitteln ausgelegten Leben zu entsagen und sich stattdessen in die Politik einzubringen. Der Artikel war um Abgrenzung zu den sozialdemokratischen und konservativen Parteien bemüht. Die Gründung der Zeitschrift sowie insbesondere die zahlreichen appellativen Texte der Erstausgabe sind dabei vor allem im Rahmen des Wahlkampfes für die im Oktober 1921 anstehenden zweiten Landtagswahlen in Baden zu sehen. Die Liberalen der DDP hatten 1919 mit 22,8 % im Verbund mit Zentrum (36,6 %) und SPD (32,1%) eine Weimarer Koalition mit absoluter Mehrheit bilden können. Den DDP-Stimmenanteil galt es zu verteidigen. Entsprechend wurde die demokratisch gesinnte Jugend Badens zum politischen „Kampf“ aufgerufen. Im Gegensatz zu Aufforderungen bündischer Jugendverbände sowie radikaler linker und rechter Parteien, sollte dieser Kampf jedoch nicht gewalttätig auf den Straßen geführt werden. Überhaupt lehnte man Gewalt als Möglichkeit, politische Probleme zu lösen, ausdrücklich ab. Zwar enthielt der Artikel auch zeittypische Kritik am Versailler Vertrag, plädierte jedoch für dessen Erfüllung und die Bekämpfung revanchistischen Denkens. Außenpolitisch bekannte sich der Artikel zu den durch Gebietsverluste vom Reich abgeschnittenen Auslandsdeutschen und warb für deren Wiedergewinnung. Dessen ungeachtet kritisierte er scharf das untergegangene monarchische System sowie die letzten beiden deutschen Kaiser, die aufgrund mangelnder politischer Führung das Reich in den Untergang geführt hätten. Ungewöhnlich war das gezeigte Verständnis für die ehemaligen Kriegsgegner und vor allem das Eingeständnis, dass Deutschland eine Mitschuld am Weltkrieg trage, wenngleich die im Versailler Vertrag festgelegte Alleinschuld auch hier rigoros abgelehnt wurde.
Über praktische Methoden, wie der Umbruch zu einer besseren wirtschaftlichen und vor allem zu der von ihm explizit beschworenen moralischen Erneuerung vollzogen werden sollte, ließ sich der Artikel hingegen nicht aus. Doch sollten politische Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang im Parlament und nicht auf der Straße ausgetragen werden. Aufgabe der Jugend sei es, im Volk Überzeugungsarbeit für demokratische Grundeinstellungen und einen starken Rechtsstaat zu leisten. Der Artikel bediente sich dabei lebensphilosophischer Grundpositionen, die Friedrich Nietzsche (1844-1900) und Henri Bergson (1859-1941) im 19. Jahrhundert entworfen hatten. Hierzu zählten antiurbane Parolen, wie etwa der Kampf gegen die jugendgefährdeten großstädtischen Versuchungen, der ausschließlich „mit der Kraft des Gemüts“ geführt werden sollte.
Die Wahlwerbung half bei den Landtagswahlen von 1921 jedoch nur wenig: Die DDP erlitt einen massiven Einbruch von 22,8 % auf 8,5 % (-14,3 %). Auch die SPD erlitt große Verluste (22,7 %; -9,4 %). Als einzige Partei der Weimarer Koalition in Baden vermochte das Zentrum mit 37,9 % leicht hinzuzugewinnen (+1,3 %). Stimmenzuwachs verzeichneten dagegen die linksradikalen Parteien um KPD (3,9 %) und USPD (3 %) als auch die rechts des politischen Spektrums stehenden Parteien der DNVP (8,5 %) und DVP (6 %). Nicht nur die badischen Jungliberalen standen daher vor einer schwierigen Zeit in der Weimarer Republik.
GND-Verknüpfung: Jugend [4028859-6]